Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat den Vorstoß von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für ein Verbot des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge entschieden zurückgewiesen. Scharf kritisierte sie solche Vorschläge, die „nicht zu Ende gedacht“ seien. „Es steigert die Verunsicherung in der Bevölkerung, wenn Politik nicht Haltung beweist“, sagte Kraft vor dem Landesintegrationsrat in Düsseldorf.
De Mazières inzwischen wieder zurückgenommene Aussage sei ein Beitrag zur Verunsicherung, die wiederum den Nährboden für Hass und braune Hetze bereite. Außerdem sei die Begrenzung des Familiennachzugs sachlich falsch, denn sie führe letztlich dazu, dass sich „sofort die kompletten Familien auf den Weg machen“. Das verschärfe die Lage, statt sie zu entspannen.
Vor dem Landesintegrationsrat, dem Vertreter der Integrationsräte der nordrhein-westfälischen Städte angehören, verteidigte Kraft im Düsseldorfer Rathaus den jüngsten Kompromiss der Großen Koalition, mit dem die insbesondere von der CSU geforderten Transitzentren vom Tisch seien. Die nun zu schaffenden Registrierungszentren einschließlich der wieder eingeführten Residenzpflicht dienten der Verfahrensbeschleunigung. Dabei müsse es „rechtsstaatlich und sauber zugehen“, betonte die Ministerpräsidentin und fügte hinzu: „Die Menschlichkeit darf nicht aus dem Blick geraten.“
Den Mitgliedern der kommunalen Integrationsräte rief Kraft zu: „Sie sind gelebte Integration.“ Die Sozialdemokratin warb um das „Potenzial“ der Migranten, um die aktuellen Herausforderungen bewältigen zu können. Integration sei „kein Selbstläufer“, sie müsse gestaltet, die „Fehler der Vergangenheit“ dürften nicht wiederholt werden. Die Verfahren „dauern zu lange und beginnen zu spät“, kritisierte Kraft. Dem zuständigen Bundesamt fehle Personal; einen „Lichtstreif am Horizont“ sehe sie erst für das kommende Frühjahr. Sie kündigte Maßnahmen zur besseren Integration im Alltag an, neue Stellen in Schulen und Justiz, mehr Kinderbetreuung, mehr Ganztag, und sagte den Kommunen „die Gesamtsumme“ der Bundesförderung als Unterstützung zu. Das Prinzip der „Vorbeugepolitik“, auf das NRW setze, gelte gerade auch in diesem Bereich.
Grenze des Machbaren ist nahe
Die Grenze des Machbaren sei nah, räumte Kraft mit Blick auf die Situation in den NRW-Städten ein. Es werde zunehmend schwieriger, feste Unterkünfte zu finden, und aus den Kommunen kämen deutliche Signale: „Hier geht nichts mehr.“ Sie sei daher „zutiefst dankbar“ für das ehrenamtliche und auch das hauptamtliche Engagement. „Wir können in NRW stolz sein, dass wir ein weltoffenes und solidarisches Land sind“, sagte Kraft und führte diese Grundstimmung auf die Tradition des Bergbaus zurück. „Da muss sich jeder auf den anderen verlassen können, unabhängig von Herkunft, Sprache oder Religion.“
Der Vorsitzende des Landesintegrationsrats, Tayfun Keltek, begrüßte die „klaren Signale“ der Ministerpräsidentin. In den 1990er Jahren habe er das anders erlebt, sagte Keltek, „die Folge waren brennende Menschen“. Hannelore Kraft warb darum, in der Debatte „offen und ehrlich“ zu sein, intensiver aufzuklären und „den Brandstiftern entgegenzustehen“. Sie bekannte sich zum Asylgrundrecht – „daran dürfen wir nicht schrauben“ – und trat Befürchtungen einer Verschärfung der Abschiebepraxis entgegen: „Wir bleiben menschlich.“
Eine Absage erteilte die NRW-Ministerpräsidentin allerdings einer verpflichtenden Förderung der natürlichen Mehrsprachigkeit. Diese gehört neben dem Kommunalwahlrecht zu den zentralen Anliegen der Integrationsräte und soll durch eine Initiative zunächst in ausgewählten Regionen wie Bonn und Dortmund, Paderborn und Hagen beworben werden. Trotz entsprechender Gesetze und Erlasse auf Landesebene, gebe es in den Kommunen „massive Umsetzungsdefizite“. Ziel sind „durchgängige mehrsprachige Bildungsangebote“ vom Elementar- bis zum Sekundarbereich. Für die Durchsetzung dieses Ziels, so antwortete Kraft kurz und knapp auf eine entsprechende Frage, „habe ich keine Ressourcen“.
Ist es nicht scheinheilig, wenn die Bundesregierung einerseits nichts gegen Flüchtlingsursachen unternimmt- im Gegenteil- diese immer wieder durch Unterstützung von Despoten und Waffenlieferungen fördert und anderseits sich „stoisch entsetzt“ zeigt über all die unschönen Begleiterscheinungen beim Flüchtlingsthema und obendrein die Städte und Gemeinden viel zu lange im Regen stehen lässt?