Dreist, stramm rechts und scharfmacherisch: das ist das Rezept, mit dem selbst einer wie Benjamin Netanjahu Wahlen gewinnt. Trotz der drohenden Anklage wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrugs hat der nationalistische israelische Ministerpräsident beste Aussichten auf eine fünfte Amtszeit. Für den Prozess der Aussöhnung mit den Palästinensern und der arabischstämmigen Bevölkerung im eigenen Land verheißt das nichts Gutes.
Ausgerechnet ein Korruptionsskandal hatte Netanjahu den Weg an die Macht geebnet. Als Regierungschef Ehud Olmert vor zehn Jahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, schlug für „Bibi“ die Stunde seines Comebacks. Eine vorherige Amtszeit, von 1996 bis 1999, war als Episode betrachtet worden. Netanjahu hatte den Konflikt mit den Palästinensern neu angeheizt und die nach den Friedensabkommen von Oslo keimenden Hoffnungen auf eine Zwei-Staaten-Lösung zunichte gemacht. Er galt schlicht als unfähig.
Doch Olmerts unrühmlicher Abgang bescherte dem Falken eine zweite Chance. Er paktierte mit der äußerst Rechten und den Ultraorthodoxen, eben den friedensfeindlichen Kräften, die ihm wohl auch jetzt wieder zur Regierungsmehrheit verhelfen werden. Bei ihnen hat er sich schon im Wahlkampf angebiedert, zuletzt mit der ungeheuerlichen Idee, die jüdischen Siedlungen im palästinensischen Westjordanland zu israelischem Staatsgebiet zu erklären.
Der in Netanjahus Regierungszeit forcierte Siedlungsbau in dem seit 1967 von Israel besetzten Gebiet stellt eine permanente Bedrohung des Friedensprozesses dar, weil er völkerrechtswidrig ist und die Formel „Land für Frieden“ ad absurdum führt. Etwa eine halbe Million Israelis lebt inzwischen in den Westbanks und Ost-Jerusalem unter den rund 2,6 Millionen Palästinensern. Auf diese Weise wird die Schaffung eines zusammenhängenden Palästinensischen Staatsgebiets hintertrieben. Die Friedensverhandlungen kommen seit 2014 nicht mehr voran.
Mit Spannung und Skepsis wird der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump erwartet, der für dieses Frühjahr angekündigt ist. Bisher hat Trump jedoch kein Talent zu einem ehrlichen Makler bewiesen. Mit der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und mit der völkerrechtswidrigen Anerkennung der Golanhöhen als israelisches Territorium hat er vielmehr Netanjahu in die Karten gespielt und ihm zuletzt massiv Schützenhilfe im Wahlkampf geleistet.
Die erschien notwendig, weil mit dem Oppositionsbündnis „Blau-Weiß“ von Ex-Militärchef Benny Gantz bis zum Wahltag ein Wechsel möglich erschien. Dass er letztlich nicht gelang, liegt an der anhaltenden Schwächung der fortschrittlichen Parteien im linken Spektrum. Die einstmals stolze Arbeitspartei hat es unter ihrem Vorsitzenden Avi Gabbay nur auf eine Handvoll Sitze in der 120-köpfigen Knesset gebracht, die Meretz-Partei nicht einmal das. Da fehlen Gantz, der immerhin nahezu so viele Sitze wie Netanjahus Likud gewinnen konnte, schlicht die Bündnispartner.
Netanjahu kann also weiter schalten und walten. Das Nationalstaatsgesetz aus dem vorigen Sommer diskriminiert die arabischen Israelis. Für Empörung sorgte die Likud-Aktion, deren Wahllokale mit versteckten Kameras überwachen zu lassen. Medien und Linke sind zur Zielscheibe des unter Druck geratenen Regierungschefs geworden. Ihm wird zugetraut, dass er sich gleich zu Beginn einer neuen Amtszeit mit einem entsprechenden Gesetz vor der drohenden juristischen Verfolgung schützt. Er weist natürlich alle Vorwürfe zurück.
Ein erster Anlauf zu einem solchen Gesetz zum eigenen Schutz lief 2017 ins Leere. Damals trugen Zehntausende ihre Empörung über Netanjahu in einem „Marsch der Schande“ auf den Rothschild-Boulevard in Tel Aviv und zeigten dem Regierungschef die Grenzen auf. Sobald er aber in den nächsten Tagen von Präsident Reuven Rivlin den Auftrag zur Regierungsbildung erhält, wird er die öffentliche Meinung nicht mehr fürchten, und aus Gründen von Anstand und Moral lässt er sich seinen Wahlerfolg gewiss nicht nehmen.
Bildquelle: Bildausschnitt Netanjahu, Fotograf Dragan Taticm ursprünglich für das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Österreich CC BY 2.0