1. Technologieoffenheit: bei komplementären Gütern eine Chimäre
Begriffe muss man ernst nehmen. Wer von Technologieoffenheit bei PKW und Heizungen redet, sollte zu den Technologien nicht schweigen.
Fahrzeuge und Heizungen sind energieverbrauchende langlebige (Investitions-)Güter. Für deren Betrieb bedarf es bislang in der Regel die gut in Kleinanlagen einsetzbaren Kohlenwasserstoff-Energieträger Öl und Gas – die sind, so die fachliche Ausdrucksweise, zu ihnen komplementäre Güter. Anders gesagt: Wer in einen PKW oder in eine Heizung investiert, entscheidet zugleich über den Verbrauch eines dazu passenden Energieträgers über 15 bis 20 Jahre. Für Öl und Gas braucht es ihrerseits eine spezialisierte, langfristig angelegte Transport- und Verteil-Infrastruktur. Bei Erdgas hat die Verteil-Infrastruktur netzförmig zu sein, der geringen Dichte dieses Energieträgers wegen – nicht grundlos werden PKW, die wenig Platz bieten für den mitgeführten Treibstoffvorrat (Tank), bevorzugt mit Öl-Derivaten, also flüssigen Kohlenwasserstoffen, betrieben. Die sind in ihrer Dichte unübertreffbar.
Kohlenwasserstoffe, in Kurzform CxHy, speichern Energie chemisch. Die steckt gleichsam in der Bindung der C und H-Atome. Nutzbar zu machen ist die gespeicherte Energie allein durch „Verbrennung“, d.i. chemisch die Anlagerung von Luftsauerstoff (O) an die Kohlenwasserstoffe, die CHs. Ergebnis im Abgas ist dann H2O und CO2. Verbrennung mit dem Ziel, Wärme oder gar die exergetisch hochwertige Kraft zu gewinnen, ist mit sehr hohen Verlusten verbunden – das ist thermodynamisch unumgänglich.
Die klimapolitisch motivierte Energiewende ist technologisch dadurch definiert, dass in Zukunft das Abgas CO2 entweder entfällt – das wäre gleichbedeutend mit dem Ende des Verbrennungsprinzips – oder es zwar weiterhin anfällt, aber anders als früher zumindest nicht mehr aus fossilen Quellen stammt. Ersteres, das Entfallen jeglichen Abgases, ist fast gleichbedeutend damit, dass der neue Primärenergieträger des klimaneutralen Zeitalters, d.i. Elektrizität (aus Sonne, Wind und anderen Umgebungsenergien), direkt (in Batterie-elektrischen PKW (BEV)) oder indirekt (in der Wärmepumpen-Klein- oder Großanlagen-Heizung) genutzt wird. Letzteres, das Beibehalten des Verbrennungsprinzips, bedarf eines Energieträgers mit chemisch gespeicherter Energie, wobei der Energiegehalt jedoch aus erneuerbaren Quellen zu stammen hat. Dafür gibt es zwei Optionen: er stammt entweder aus Elektrizität oder aus Biomasse. Da CH-reiche Biomasse aber die Nutzung fruchtbaren Bodens erfordert und damit in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung geht und da überdies die Treibhausgasemissionen in der Vorleistung für die Herstellung von Nahrungsmitteln und also auch von biogenen Kraftstoffen hoch sind, ist das Potential dieser Option recht gering. Es ist jedenfalls viel zu gering, als dass es eine „verallgemeinerbare“ Option wäre – es kann lediglich eine Nischen-Lösung sein. Die Zukunft liegt quantitativ bei den Energien aus abiotischen erneuerbaren Quellen.
2. Die Option des populistischen Arguments: Beim Verbrennungsprinzip bleiben
In der Ägide der Ampel-Koalition haben wir nacheinander drei Debatten zu Energietechnologien erlebt, die von der FDP provoziert wurden – die CDU/CSU-Fraktion ist jeweils aufgesprungen. Zwei davon drehten sich um Verbrenner-PKW bzw. die Gasheizung. In allen Fällen ging es um Positionen, bei denen auffälligerweise keine potenten Interessen, keine Wirtschaftszweige, hinter den FDP-Positionen standen – wenn man den Alleingang von Porsche mal außen vor lässt.
Bei beiden Themen aber geht es um Abschiede aus vertrauten Technologien, in denen und in deren komplementären Infrastrukturen erhebliche finanzielle Mittel gebunden sind. Das Vermögen der Gasverteilwirtschaft liegt großenteils unter kommunaler Erde, das Vermögen der Kfz-Industrie liegt wesentlich im spezialisierten Know-how zur Verbrennungstechnologie auf kleinstem Raum – also bei den Facharbeitern, die in der IG Metall organisiert sind.
Populistisch ist es ein naheliegendes Narrativ zu sagen: Lasst uns bestehenden Geräte (Verbrenner-PKW; Gasheizungen) bzw. Infrastrukturen (Gasverteilnetze) belassen und darauf hoffen bzw. setzen, dass dermaleinst die neuen klimaneutralen Energieträger flüssig oder gasförmig (H2 oder Methan) zur Verfügung stehen werden und somit an den Bestand an komplementärer Technologie angepasst sein werden. Handlungsmaximen sind dann: Weiterhin auf Verbrenner-PKW setzen – zunächst mit E-Fuels. Weiterhin auf Heizungen nach dem Verbrennungsprinzip setzen, beheizt mit Erdgas aus Röhren, die in der Erde liegen – dann mit Biomethan, mit der Zeit zuwachsend, schließlich mit Wasserstoff (H2). Auch H2 ist ein Gas, wenn auch seiner Flüchtigkeit wegen ein völlig anderes als das Methan-dominierte Erdgas. Dann, bei Setzen auf diese Option, muss man den Pelz der aktuell Immobilien- und Porsche-vermögenden Generation nicht nass machen, kann aber versprechen, deren Pelz – später – zu waschen mit zukünftig angeblich verfügbaren veredelten Energieträgern. Prinzip ist, bei diesem „Versprechen“ keine harte vertragliche Bindung einzufordern. Entsprechende Vorkehrungen in § 71 k GEG-2023-Novelle wurden im Rahmen der „Grundsatz“-Debatte denn auch unauffällig abgeschleift.
„Technologieneutralität“ war die Maxime, die auf der Fahne steht. Damit wurde eine so ausgerichtete populistische Debatte angeheizt. Möglich war das, weil die Position pro „Technologieneutralität“ in Deutschland regelmäßig einen mächtigen Resonanzboden findet. Akademische Ökonomen und wirtschaftsliberal aufgestellte Leitmedien unterstützten diese Position als legitim. Auch der Verfasser dieses Blog-Beitrags zählt zu diesem Lager. Es reicht aber nicht, eine Grundsatzposition zu vertreten, man hat auch hinzuschauen, ob die grundsätzliche Position auch im konkreten Falle taugt, bevor man grünes Licht gibt.
3. Entscheidende Rolle der komplementären Infrastrukturen
Im Verkehr und bei Gebäuden ist es nun einmal so, dass die Verfügbarkeit einer zusätzlichen Versorgungsoption (H2, E-Fuels) an der Verfügbarkeit und also dem Ausbau alternativer logistischer Infrastrukturen hängt. Bei Infrastrukturen ist es nicht generell so, dass die Gesetzgeber allein den rechtlichen Rahmen setzen und alles andere an Optimierungsprozessen dem Markt überlassen können.
Ob eine Energieträger-Option und damit der komplementäre Typ von Heizung bzw. Fahrzeug in den marktlichen Wettbewerb eintreten kann, wird vielmehr vom Staat entschieden – anders geht es nicht. Der Staat nämlich sorgt dafür, dass die komplementären Infrastrukturen aufgebaut werden, auch wenn er dies in aller Regel Privaten überlässt. Er aber schafft die Geschäftsmodelle und übernimmt die Risikoabsicherung, die Private nicht tragen wollen und können. Konkurrierende Infrastrukturen kann er jedoch nicht in beliebiger Zahl absichern. Er muss vielmehr entscheiden und unter den möglichen Optionen aussortieren – schließlich trägt er das Ausfallrisiko. Optionen, die offenkundig unwirtschaftlich sind, hat er aus dem Wettbewerb vorab auszuschalten, weil er sonst viel Geld für absehbar nutzlose Infrastrukturen in den Schornstein schreiben würde. So tut er es auch.
4. Résumée: Mangel an Debattenkultur
Die energiepolitischen Debatten in Deutschland werden geführt, als ob dieses Land wirtschaftspolitisch weiterhin ein souveräner Nationalstaat sei. Die EU-Einbettung mit ihrer harten rechtshierarchischen Entscheidung in einer jeden föderalen Konstellation: Ober sticht Unter, wird ausgeblendet. Der Grund ist die mediale Verfasstheit der Öffentlichkeit als einer nationalen Öffentlichkeit – die eigentlichen Akteure, Politik und Umwelt-NGO, wissen es besser, dennoch spielen sie dieses Spiel der Ausblendung mit.
Ähnlich ist es mit dem fehlenden Zwang in der öffentlichen Debatte, die Kenntnis von Gesetzestexten als Basis einer seriösen Äußerung zu verlangen. Bei einer Gesetzesnovelle gilt Vergleichbares wie bei politischen Räumen: Auch da ist es so, dass die Änderung, das Kleine, eingebettet ist in ein bestehendes Gesetz, das Umfassende. Auch da wird in der herrschenden Debattenkultur akzeptiert, dass das Einbettende im Ausgeblendeten verbleibt. Konkret: Dass die 2023er Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) als „Heizungsgesetz“ tituliert wurde, offenbarte die Ausblendung schon im Namen. Das Prinzip „Technologieoffenheit“ widerspricht Prinzip und Grundintention des GEG, welches aus dem Energieeinspargesetz (EnEG) von 1977 heraus geschaffen wurde. Die Minister und akademischen Ökonomen, die die Fahne der Technologieoffenheit in der Debatte zum sog. „Heizungsgesetz“ hochhielten, forderten, so meine Wahrnehmung, der ich meine Promotion wesentlich über das EnEG verfasst hatte, etwas Gesetzeswidriges. So wird es möglich, dass eine grundsätzliche Forderung wie die nach „Technologieoffenheit“ aufgestellt und allgemein, auch im akademischen Publikum der Ökonomen, akzeptiert wird – obwohl sie der Grund-Ausrichtung des Gesetzes, seiner Zielsetzung, offenkundig widerspricht. Das Ziel des GEG ist, technologische Optionen auszuschließen. Anlass war die Erfahrung, dass Gebäudeeigentümer in deren energetischen Eigenschaften offenkundig suboptimal investieren. Die Hinderungsgründe liegen in den Finanzierungsbeschränkungen und sind leicht zu durchschauen. Das Gesetz mit dieser Stoßrichtung, das EnEG, wurde 1977, nach den desaströsen Erfahrungen mit der Energiekrise 1973, in Kraft gesetzt. Wenn die in der Debatte der GEG-2023-Novelle seit Februar geführte Debatte zum Nennwert „Technologieoffenheit“ genommen werden soll, dann wäre nicht der Text der Novelle zu verbessern, dann wäre nicht er um mehr Heizungsoptionen anzureichern, dann wäre die konsistente Forderung die, das Gesetz als Ganzes abzuschaffen.