Das ist peinlich, mehr als peinlich für die SPD in der größten Stadt des Landes, in der Domstadt Köln. Peinlich, dass man die 700 Stimmen des Briefwahlbezirks Rodenkirchen neu auszählen musste. Peinlich, dass man sich dagegen wehrte, bis ein Verwaltungsgericht die Entscheidung traf: Neu auszählen. Und dann ist es passiert, wie es Kölner Insider schon länger vermuteten: Eben dass die SPD ein Ratsmandat an die CDU verliert und Rot-Grün die bisherige hauchdünne Mehrheit einbüßt.
Und wie hatte man sich gewehrt von Seiten der SPD. Die Regierungspräsidentin, der Innenminister und die Kölner Genossinnen und Genossen sowieso. Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) verstiegt sich gar zu der Beteuerung: „Es handelt sich um eine überdurchschnittlich sorgfältig verfasste Niederschrift.“ Dabei wäre sorgfältig schon genug gewesen. Nachzählen, also nachgeben, den anderen etwa Recht geben, doch nicht mit uns, der mächtigen SPD.
Der Verdacht stand früh im Raum, denn Rodenkirchen ist ein feiner Stadtteil außerhalb von Köln, direkt am Rhein gelegen, die besser gestellten Bürgerinnen und Bürger wohnen hier. Aufgefallen war, dass die SPD ausgerechnet hier bei der letzten Kommunalwahl klar die Briefwahl gewonnen hatte. Die CDU äußerte die Vermutung, hier könnte etwas vertauscht worden sein.
Und jetzt liegt das amtlich verbriefte Nachzählergebnis vor. Ausgerechnet in Köln, wo der Klüngel schon immer zu Hause war, wo man das Leben leichter nimmt als anderswo im Lande, wo man locker manches wegsteckt und den Spruch hinterherschiebt? Wat soll der Quatsch?
Peinlich für die SPD, dass mit dem neuen Wahlergebnis ihr Spitzenkandidat für die OB-Wahl im September, Jochen Ott, sein Ratsmandat verliert. Er muss den Kampf von außerhalb betreiben, als Vertreter einer außerparlamentarischen Opposition. Dabei wird er es mit Vorwürfen und Verdächtigungen zu tun haben, denn natürlich werden sich die CDU und andere aus den Reihen der politischen Gegner die Sache mit dem Auszählen nicht entgehen lassen.
Für die NRW-SPD muss das ein Alarmsignal sein. Hatte sie doch Köln erst vor einigen Jahren der CDU und ihrem OB Schramma wieder abgenommen. Und es muss nicht bei dem einen Verlust bleiben. Die SPD hat schwer zu kämpfen in der Bundesstadt Bonn, wo ihr OB-Kandidat sich vor allem mit dem Millionen-Skandal um das Kongresszentrum WCCB herumplagen muss, ein Objekt aus der Amtszeit der umstrittenen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD), die heute der Welthungerhilfe als Präsidentin vorsteht. Und auch in einigen Ruhrgebietsstädten, zum Beispiel in Essen, Bochum und sogar in Oberhausen, ist dicke Luft angesagt für die regierenden Sozialdemokraten. Wobei der eigentliche Widersacher der SPD in den genannten Revier-Städten die Opposition in den eigenen Reihen ist. Man streitet hinter den Kulissen wie die berühmten Kesselflicker.
Dabei wäre Geschlossenheit geboten, denn das Revier ist nicht mehr die Hochburg der SPD. Die Zeiten sind vorbei, da die Genossen im Grunde einen Besenstil für Wahlen aufstellen konnten, sie mussten nur „SPD“ draufschreiben, dann wurde er gewählt. Es gibt keine Erbhöfe mehr. Norbert Römer, der Fraktionschef der SPD im Landtag und ein Kind des Reviers, Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin und NRW-SPD-Chefin mit Wohnsitz in Mülheim, Michael Groschek, der SPD-Verkehrsminister aus Oberhausen, um nur diese SPD-Politiker zu nennen, wissen das. Sie werden die schwere Niederlage ihrer Partei bei den Kommunalwahlen 1999 und den Verlust der Macht in NRW bei der Landtagswahl 2005 -nach 40 Jahren SPD-Regierung in NRW- noch im Gedächtnis haben.
„Kölns SPD ist ausgezählt“, so der Titel eines Berichts der „Süddeutschen Zeitung“ über die Ereignisse in der Domstadt. Und der Autor weist zu Recht daraufhin, dass sich CDU, Grüne und FDP hinter einer parteilosen, den Grünen nahestehenden Kandidatin für die OB-Wahl, Henriette Reker, versammelt haben. Es mag ja ein Armutszeugnis sein, dass eine große Partei wie die CDU in Köln nicht in der Lage ist, aus ihren Reihen einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Aber dahinter verbirgt sich die Strategie, der SPD Köln abzujagen. Armin Laschet, der nicht gerade überzeugende CDU-Chef in NRW, reibt sich die Hände. Folgt man Umfragen, hat er Grund dazu.