Manchmal, wenn ihr Schweigen dröhnend wird, könnte man daran zweifeln, aber es schein doch noch Leben darin zu sein. Wir sprechen von der Kirche in Bayern und ihr Verhältnis zu ihrem politischen Ableger, der sich christlich und sozial nennt. Auf der Seite 36, ganz hinten in der liberalen Süddeutschen Zeitung mit bundesweitem Anspruch, findet sich in der Ausgabe vom 12. November 2015 die reißerische Schlagzeile: „Klosteraufstand gegen Seehofer“. Ein Datum, das man sich merken sollte. 45 katholische Ordensobere kritisieren in einem offenen Brief die Politik und Rhetorik der bayerischen Staatsregierung in der Flüchtlingsfrage. Sie kommen zu dem Schluss: „Wir fühlen uns von dem, was die CSU in der Flüchtlingskrise tut und sagt, nicht mehr repräsentiert“. Die CSU scheint von Gott und allen guten Geistern verlassen zu werden.
Der Aufschrei des katholischen Papstes über das Massengrab Mittelmeer drang ja nicht nur nicht in bayerische Ohren. Die Opfer, die zu Tausenden vor der Festung Europa ertranken, trugen vielleicht dazu bei, dass der bayerische Ministerpräsident davon absah, selbst unmittelbar Hand anlegen zu müssen und seine Ankündigung wahr zu machen, „bis zur letzten Patrone gegen Einwanderung in unsere Sozialsysteme zu kämpfen“. Sein Hinweis, Deutschland sei nicht das Sozialamt der Welt bleibt im Ohr. Und dann öffnete die Kanzlerin auch noch die Grenze, um Flüchtlingen zu helfen, die zu Tausenden von dem rechtspopulistischen Ehrengast der CSU, dem ungarischen Staatspräsidenten Orban, aus seinem Land getrieben wurden. Sie hofften, auf der Balkanroute über Österreich nach Deutschland oder Skandinavien weiter ziehen zu können. Für Seehofer war Merkels humane Geste ein Rechtsbruch, verbunden mit der Drohung, das Verfassungsgericht anzurufen.
Flaschenhals Passau, Münchner Unterkünfte leer
Die Bilder der Hilfsbereitschaft, die am Münchner Hauptbahnhof durch ehrendamtliche Helfer sichtbar wurden und um die Welt gingen, müssen Seehofer daher tief getroffen haben. Deswegen wurde Passau zu einer Art Flaschenhals, wo der Flüchtlingsstrom hindurch muss und schon gibt es Bilder, die der von Schäuble zitierten Lawine gleichen, die das Land zuzudecken scheint. Gleichzeitig kommt kein Zug mit Flüchtlingen mehr bis zum Münchner Hauptbahnhof, wo freiwillige Helfer umsonst warten und vorbereitete Unterkünfte leer bleiben. Dies wird auch nicht an den 45 Ordensoberen und Oberinnen vorbei gegangen sein.
In ihrem Brief werden der CSU die Leviten gelesen. Nichts bleibt nach Lektüre des Schreibens übrig von dem, was die Christenmenschen in der Partei in den letzten Wochen zur Lage der Flüchtlinge beigetragen haben. Kernpunkte sind: „Wir appellieren an Sie, dringend von einer Rhetorik Abstand zu nehmen, die Geflüchtete in ein Zwielicht stellen“. Man müsse Flüchtlinge zuerst als Mitmenschen sehen. Und die Unterzeichner sind sich einig: “Da werden Menschen kriminalisiert und primär als Bedrohung gesehen“. Und die Ordenschwester, die den offenen Brief angeregt hat, fügt hinzu, die jetzt diskutierte Begrenzung des Familiennachzugs sei untragbar. Das sei menschunwürdig und widerspreche den Idealen der Kirche. „Wir wissen, wie es in den Krisengebieten aussieht und sind „als reiches Land gefordert“.
Ein Brief, ganz hinten auf den Seiten der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung zu lesen, und in keiner Ausgabe der mir zugänglichen Nachrichtenkanäle ansonsten hörbar gemacht. Das kann ja noch kommen, denn Wunder gibt es immer wieder. Und die Hoffnung auf mitmenschliche Tugenden auch in der CSU stirbt zuletzt.
Bildquellle: Wikipedia, Richard Mayer aus der deutschsprachigen Wikipedia, Kloster Heilig Kreuz (Kempten), CC BY-SA 3.0
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