Die aktuelle Wirtschaftspolitik steht an einem Scheideweg. Nachdem in jüngster Zeit harte Krisen überwunden werden mussten, gilt es nun – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der der allseits schwelenden Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik – die langfristigen Linien in einer veränderten Welt zu ziehen. Das geht offenkundig nicht ohne Konflikte. Sowohl innerhalb der Regierung als auch mit der Opposition ist denn auch ein sehr grundsätzlicher Streit über den weiteren Weg vor allem in der Klimapolitik entbrannt.
Auf diesem Weg ist ein sehr komplexes Hindernis zu überwinden: Der wirtschaftspolitische Kampf gegen den Klimawandel ist ein doppeltes öffentliches Gut. Mit seiner Herstellung kann man keine privatwirtschaftliche Renditen erzielen, sondern „nur“ eine gesamtgesellschaftliche. Kein privates Unternehmen und kein privater Haushalt würden von sich aus auf eine nachhaltige Produktion und Konsumtion umschwenken, es sei denn sie würden von idealistischen Motiven getrieben. Das aber reicht nicht.
Soll also der Kampf gegen den Klimawandel auf absehbare Zeit und glaubwürdig Bestand haben, muss der Staat entsprechende Anreize setzen, die das Umschwenken auch privatwirtschaftlich lohnend machen. Das ist Standard auch bei vielen anderen öffentlichen Gütern. Beim Klimawandel kommt erschwerend hinzu, dass dessen Verhinderung kein übliches nationales öffentliches Gut ist, sondern ein globales. Folglich reichen nationale Anreize einzelner Staaten nicht aus. Es bedarf ihrer im globalen Maßstab. Anderenfalls verliert die Wirtschaft gerade jener Länder an Wettbewerbsfähigkeit, die sich klimapolitisch besonders engagieren.
Wie geht man mit dieser Gemengelage um? Deutschland und die EU haben sich bislang für negative Marktanreize über eine steigende Belastung des CO2 Ausstoß mittels CO2 Zertifikaten als dominante Strategie entschieden. Zwar bewirkt ein solch potenziell belastender Anreiz, dass Unternehmen und Haushalte, sich zunehmend Gedanken über Emissionen vermeidendes Verhalten machen, um sich die Belastungen durch die CO2 Abgabe zu ersparen. Dies wird ohne Zweifel zu gewünschten dämpfenden Effekten auf Emissionen führen. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze.
Diese Grenze wird erreicht, wenn mit bestehenden Technologien keine weiteren spürbaren Spareffekte zu erzielen sind und nur ein Sprung zu neuen technologischen Verfahren weiterhelfen kann. In diesem Moment geraten sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen in eine Zwickmühle. Auf der einen Seite stehen hohe und steigende Kosten durch die CO2 Abgabe, die durch weitere Einsparungen bei gegebener Technologie nicht mehr spürbar reduziert werden können. Auf der anderen Seite stehen die in der Regel ziemlich hohen Kosten für einen technologischen Sprung, die auch durch Kompensationszahlungen wie das Klimageld bei weitem nicht aufgefangen werden dürften. Zusätzliche künftige Einkommen oder zusätzliche zu erwartende Gewinne stehen zur Finanzierung nicht zur Verfügung, da es bei dem Sprung zunächst nicht um zusätzliche Produktionsmöglichkeiten geht, sondern lediglich um einen Umbau bestehender Produktionskapazitäten. Zusätzliche Erträge sind erst zu erwarten, wenn andere auf den gleichen Weg einschwenken und ein möglicher technologischer Vorsprung zum Tragen kommt.
Vor diesem Hintergrund werden sowohl Haushalte als auch Unternehmen versuchen, den kostenträchtigen technologischen Sprung möglichst lange hinauszuschieben. Wie stark der Beharrungswille ist, hat man bei den Haushalten im letzten Herbst anläßlich des Gebäude Energiegesetzes erlebt, als der (falsche) Verdacht einer zwangsweisen Heizungsumstellung aufkam. In jedem Fall bleiben hohen Belastungen. Die jüngsten Wahlergebnisse sprechen davon Bände. Auch Unternehmen zögern im Wandel, lassen sich Einzelmaßnahmen subventionieren, und drohen lieber mit Abwanderung ins Ausland. So entsteht keine wirtschaftliche Dynamik, sondern Widerstand gegen den Umstieg. Die Reaktionen lassen nicht auf sich warten.
So wird versucht, den kostspieligen Umstellungsprozess generell zu verlangsamen. Überforderung ist das Stichwort, mit dem CDU und andere tendenziell konservative oder gar rechte Parteien, aber auch das BSW und linke Parteien in Europa den Weg in eine nachhaltige Wirtschaft durch eine teilweise Rücknahme oder Streckung entsprechender Maßnahmen zu entschleunigen versuchen. Hilfreich für sie ist dabei das Argument, Deutschland oder Europa würden an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn sie sich als globale Vorreiter auf diesem Weg verstehen würden. Hans Werner Sinn wird nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen. Er fordert mehr Gleichschritt im globalen Kontext, was ebenfalls auf ein langsameres Tempo des Umstieg hinausläuft. Im Ergebnis sind Investoren und Verbraucher tief verunsichert.
Auf welchem Weg sollte man aber denn nun fortschreiten, ohne dass Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit oder Inflation die Wirtschaft belasten? Ökonomisch steht folgende schwierige Abwägung im Raum. Da im Laufe der Zeit die Schäden durch den Klimawandel immer weiter zunehmen dürften, spricht dies auf der einen Seite für eine Beschleunigung des Umstieg, dann dürften die Schäden in der Zukunft geringer ausfallen. Dagegen spricht, dass dies durch das eigene Verhalten nicht gewährleistet werden kann, sondern zusätzlich von dem aller übrigen verschmutzenden Volkswirtschaften abhängt. Im ungünstigsten Fall sind die Belastungen kurzfristig sogar höher, da ein Verlust an globaler Wettbewerbsfähigkeit gegenüber zögerlicheren Volkswirtschaften hinzukommt, ohne dass die Schäden in der Zukunft vermieden würden.
Die Antwort auf die Frage ist also nicht ohne Risiken. Aus einer längeren Perspektive betrachtet, ist jedoch der Umstieg auf eine nachhaltige Produktion und Konsumtion früher oder später für alle Volkswirtschaften unvermeidlich. Das investive Verhalten des Staates in China und den USA, den größten globalen Verschmutzern, die allein schon wegen ihrer Größe auch von den Schäden des Klimawandels relativ stark betroffen sind, zeigt dies deutlich. Wenn dem aber so ist, werden in Zukunft immer mehr Rohstoffe, Produktionstechniken und Produkte benötigt, die den Anforderungen an Nachhaltigkeit genügen. Hierzu müssen Kenntnisse und Fähigkeiten vielfach erst noch entwickelt werden. Wer auf diesen Gebieten global führend ist, sichert sich den Wohlstand der Zukunft. Das hat man vor allem in China und den USA verstanden. Selbst wenn in den USA durch eine mögliche Wahl von Donald Trump ein Rückschlag droht, dürften mit der zu erwartenden Zunahme der Klimaschäden diese Überlegungen dennoch zunehmend greifen.
Vor diesem Hintergrund ist es ökonomisch rational, weil auf Dauer vorteilhaft, eine globale Führungsposition beim Umstieg anzustreben. Das spricht für eine Beschleunigung der Investitionen in Nachhaltigkeit. Daraus folgt: Eine Volkswirtschaft, die in dieser Zeit einen technologischen Vorsprung erzielen will, muss jetzt rasch eine Ära der Investitionen einleiten. Das wird jedoch mit einer Strategie, die ihren Wandel im Wesentlichen auf einen die Emissionen verteuernden CO2 Preis als Anreiz setzt, nicht gelingen. Ein Strategiewechsel muss her.
Es bedarf daher dringend eines Turbos aus positiven Anreizen. Sie belohnen den Umstieg anstatt nur das Verharren zu bestrafen. Dies können steuerliche Vorteile, Zuschüsse oder Kredite sein. Entscheidend ist, dass die Bereitschaft, sich im Wandel zur Nachhaltigkeit neuer Technologien und Fertigkeiten zu bedienen, finanziell spürbar belohnt wird. Das wird den notwendigen technologischen Umbau beschleunigen und sollte daher als dominante Strategie eingesetzt werden, während die negativen Anreize in gemässigterer Form eher im Hintergrund wirken sollten.
Ohne Zweifel kostet dies viel Geld. Aber Vorschläge zur Finanzierung liegen haufenweise auf dem Tisch. Sie reichen von einer Reform der Schuldenbremse über KfW Kredite bis hin zu gemeinsam privat und staatlich finanzierten Fonds. Es bedarf allerdings des politischen Willens zu diesen Schritten, der bislang weder in der Koalition noch in der Opposition hinreichend ausgeprägt ist. Aber nur wenn dieser Weg gegangen wird, beschleunigt sich das Tempo des Umstieg zur Nachhaltigkeit hinreichend, so dass technologischer Vorsprung entsteht. Erst mit diesem werden sich die Produktionskapazitäten erweitern. Und so entstehen dann auch Chancen zusätzliche Gewinne und Einkommen zu erzielen.