I.
Klaus von Dohnanyi, einst Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Staatsminister im Auswärtigen Amt und von 1981 bis 1988 Erster Bürgermeister von Hamburg hat ein Buch über „Nationale Interessen. Orientierung für deutsche und europäische Politik in Zeiten globaler Umbrüche“ geschrieben. Dieses Buch, erschienen Mitte Januar bei Siedler, ist eine Sensation.
Nichts von dem, was er schreibt ist wirklich neu. Man lernt viel, findet aber nichts, das man nicht kennen könnte. Er holt ans Licht, was verdeckt, verdrängt und verschwiegen wird. Klaus von Dohnanyi, der noch nie als „Linksaussen“ oder „Pazifist“ auffällig geworden ist, räumt mit einer ganzen Reihe von aussen- und sicherheitspolitischen Lebenslügen auf, die der Öffentlichkeit besonders in Deutschland seit Jahren und Jahrzehnten aufgetischt werden, sowohl vom allergrössten Teil der Medien als auch von den allermeisten politisch Verantwortlichen, vor allem aus der „sicherheitspolitischen Community“.
Im politisch-medialen Milieu der Bundesrepublik gehört es zum guten Ton, auch in der Aussenpolitik nie über Interessen zu sprechen, sondern Feindbilder zu pflegen, Ergebenheitsadressen an den grossen Verbündeten abzugeben, noch und immer wieder Dankbarkeit gegenüber den USA für die „Rosinenbomber“ zu zeigen und von der angeblichen „Wertegemeinschaft“ des Westens im allgemeinen und innerhalb der NATO im besonderen zu schwärmen.
Diesen Parolen tritt Klaus von Dohnanyi nüchtern, sachlich, mit Beispielen und guten Argumenten entgegen.
II.
Er geht von folgender ketzerisch-befreienden Feststellung aus:
„Die Verschleierung ihrer Machtinteressen mit humanitären Argumenten hat in den USA Tradition und darf uns nicht täuschen: Die Interessen der USA sind immer hart geopolitisch, ökonomisch und tief verwurzelt in ihrem Selbstverständnis als ´exceptional nation`, also als einzigartige Nation.“ (Seite 31)
Klaus von Dohnanyi verzichtet auf jede moralische Bewertung dieses Verhaltens, formuliert aber ungeschminkt die politischen Konsequenzen, die Deutsche und Europäer daraus ziehen sollten:
„Europa muss sich endlich eingestehen: Wir Europäer sind Objekt USamerikanischen geopolitischen Interesses und waren niemals wirklich Verbündete, denn wir hatten nie ein Recht auf Mitsprache. Das ist aus Sicht der Nation und Weltmacht USA durchaus verständlich und auch nicht verwerflich…Aber wir müssen es in unserer Politik bedenken.“ (Seite 37)
„Angesichts divergierender Interessen Europas und der USA, zum Beispiel in der Russland-und Chinapolitik, versuchen die USA heute unter Berufung auf „common values“, also auf ´gemeinsame Werte´, ihre eigenen Interessen durchzusetzen.“ (Seite 73)
Das dürfe Europa nicht mit sich machen lassen:
„Europa sollte versuchen, diesen Weg der Diplomatie auch mit Russland zu gehen, notfalls ohne die USA. Denn ob es Europa gelingen kann, die USA endlich von einer Russlandpolitik zu überzeugen, die nicht nur im Interesse Europas, sondern auch im wohlverstandenen Interesse der USA selbst wäre, erscheint mehr als zweifelhaft. Zu tief hat sich inzwischen in der öffentlichen Meinung der USA die Einschätzung Russlands als die Gefahr eines ´Evil Empire´eingewurzelt. Und das lag zuletzt weniger an Russland selbst als am Umgang der USA mit der Russischen Föderation seit 1990. Denn es waren die USA, die nach 1990 ohne wirklichen Grund die Konfrontation mit Russland fortsetzten.“ (Seite 73)
Das hat für Dohnanyi auch mit grundlegenden Unterschieden zwischen den USA und Europa zu tun:
„…sind auch die politisch-demokratischen Gewohnheiten der Vereinigten Staaten innenpolitisch und aussenpolitisch kaum mit den praktizierten Werten der Staaten der Europäischen Gemeinschaft in Übereinstimmung zu bringen. (Seite 75/76)
„Das heutige Europa und die heutigen USA sind sich in ihren Werten zutiefst fremd…
…
So wie die USA ihre Werte leben und wie sie sich selbst verstehen, könnte die EU sie als Mitglied gar nicht aufnehmen!“ (Seite 80)
III.
Besonders schmerzhaft für die Atomophilen der transatlantischen Waffen- und Sicherheits-Bruderschaften ist es, wenn von Dohnanyi darlegt, dass die Nuklear-Strategie der NATO, also die der USA, mit europäischen und deutschen Interessen unvereinbar ist und von Anfang an unvereinbar war:
„Kein vernünftiger Europäer, der die Sicherheitslage der USA zu Ende denkt, kann glauben, dass die von den USA in Europa gelagerten Nuklearwaffen bei einer terrestrischen Aggression Russlands durch die USA zum Einsatz kämen. NATO-Übungen haben das ja auch bewiesen. Aber nukleare Waffen könnten auch als taktische Waffen eingesetzt werden und erheblich zur Zerstörung Deutschlands beitragen…“ (Seite 92)
„Viele Europäer erkennen inzwischen, was bei einer Verteidigung Europas durch die USA auf europäischem Boden herauskäme: ein erneut total zerstörtes Europa, aber ein völlig unbeschädigtes US-Amerika.“ (Seite 118)
Das ist weder Theorie noch Spekulation. Klaus von Dohnanyi berichtet von einer NATO-Übung, an der er in Vertretung von Bundeskanzler Helmut Schmidt Ende der 1970er Jahre im Regierungs-Bunker an der Ahr teilgenommen habe. Teil dieses Planspiels war, dass die Vertreter der USA, den Einsatz taktischer Atomwaffen in Deutschland angeordnet haben, ohne die deutsche Bundesregierung an dieser Entscheidung auch nur zu beteiligen. Über diese Missachtung deutscher Souveränität in einer Frage auf Leben und Tod habe er sich bei Helmut Schmidt beklagt, der ihm bei einem nächsten Treffen gesagt habe:
„…er werde, sowie kriegsähnliche Entwicklungen in Europa erkennbar würden, Deutschland für neutral erklären.“ (Seite 93)
Das deckt sich mit dem, was Theo Sommer in der „Zeit“ vom 6. August 2019 über Schmidts Einschätzung von Atomwaffen berichtet:
„Das Bündnis bereite sich auf den Kalten Krieg vor, so argumentierte er, da „jeder denkbare Fall eines nuklearen Krieges zur Dezimierung der europäischen Völker und vornehmlich des deutschen Volkes führen würde…
…
Einige Jahre vor seinem Tod sagte er mir: „Ich habe nie darüber geschrieben und auch nicht darüber geredet, aber meine innere Überzeugung muss spätestens mit der Übernahme des Oberbefehls so gewesen sein, dass ich für den Fall, dass auf deutschem Boden die erste Atomwaffe explodiert, bereit war, die weisse Fahne aufzuziehen.“
Aus dieser höchst unterschiedlichen Betroffenheit ergeben sich für von Dohnanyi die unterschiedlichen Interessen der USA auf der einen Seite und der Deutschen und Europäer auf der anderen Seite für den aus seiner Sicht extrem unwahrscheinlichen Fall eines russischen Angriffs auf Mitgliedsstaaten der NATO:
„Nicht Europa zählt im Falle eines russischen Angriffs, sondern nur die Sicherheit der USA! Uns geht es aber in erster Linie um die Unversehrtheit Europas und nicht um den eventuellen `Sieg´ einer Weltmacht.“ (Seite 94)
Deshalb kommt von Dohnanyi zu folgender vernichtenden Bewertung des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung von SPD, Bündnis ´90/Die Grünen und FDP zur Nuklear-Strategie der NATO:
„Dass die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag jedoch weiterhin davon ausgeht, dass Europa nuklear verteidigt werde, ist angesichts der nun über sechzig Jahre alten „flexible Response“-Strategie völlig unverständlich. Wir müssen keine Kampfflugzeuge beschaffen, um nukleare Sprengköpfe zu transportieren, die nur zur Verteidigung der USA gedacht sein können…
…
Entspannung ist der bleibende Auftrag! Dauerhafte Sicherheit in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben.““ (Seite 96/97)
IV.
Die Besetzung bzw. Annexion der Krim hält Klaus von Dohnanyi selbstverständlich für völkerrechtswidrig, auch die USA hätten sich nach 1990 aber nicht immer an das Völkerrecht gehalten; der Irak-Krieg sei eine klare Verletzung der UN-Charta gewesen.
Das ist in der Tat ein Beispiel dafür, wie sehr mit unterschiedlichem Mass gemessen wird. Bei den USA heiligt der Zweck die Mittel, während Russland gar keine heiligen Zwecke verfolgen kann. Diese Heuchelei hat zerstörerische und gefährliche Folgen für das Völkerrecht und für das friedliche Zusammenleben der Menschen weltweit.
Ohnehin sieht von Dohnanyi, dass die „Einstellung zum Völkerrecht in den USA grundsätzlich anders als in Europa (ist) … Jedenfalls verweigern die USA unter anderem dem Haager Gerichtshof die politische Anerkennung und drohen sogar mit Sanktionen, sollten US-Bürger wegen Menschenrechtsverletzungen von diesem Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.“
Auch die „Interventionen im Nahen Osten“ seit Beginn der 1950er Jahre mit dem „Sturz des demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh durch die CIA“ seien Beleg für „eine grundsätzlich andere Mentalität der US-amerikanischen Aussenpolitik. Das amerikanische Recht erlaubt auch, Mitglieder einer anderen Regierung ohne Prozess zu ermorden (targeted killing), wenn man in der betreffenden Person eine Gefahr für die Sicherheit der USA sieht, wie es im Januar 2020 im Falle des iranischen Divisionskommandeurs Qasem Soleimani geschehen ist.“ (Seite 77)
Von Dohnanyi plädiert überzeugend dafür, politische Entscheidungen in historischen Zusammenhängen zu sehen statt die zeitlichen und weitere Ausschnitte so zu wählen, dass einseitige Schuldzuweisungen plausibel klingen:
„So komplex das Verhältnis der Krim zur Ukraine und zu Russland auch ist, im Jahre 2014 hätte die Annexion wahrscheinlich nicht stattgefunden, wenn 2008 in Bukarest die Tür zur NATO für die Ukraine, und damit auch für die Krim, nicht so weit aufgestossen worden wäre.. .
Hat man im Westen nie bedacht, was es heissen würde, wenn Sewastopol ein Hafen für amerikanische NATO-Kriegsschiffe würde. Aus innenpolitischer und historischer russischer Sicht war das doch für einen russischen Präsidenten eine unannehmbare Perspektive:…“ (Seite 100)
Das Problem der Osterweiterung der NATO sei vielen Verantwortlichen in den USA bewusst gewesen, aber die jeweiligen Präsidenten haben sich über alle Hinweise hinweg gesetzt:
„Im Rückblick, schreibt auch Burns, heute CIA-Chef im Kabinett von Präsident Biden, über seine Erfahrungen als Botschafter der USA in Moskau, dass die Erweiterung der NATO in Osteuropa `bestenfalls verfrüht und schlimmstenfalls eine sinnlose Provokation war. Und er fährt fort: `Wir müssen uns der Gefahren der Hybris und des amerikanischen Unilateralismus bewusst werden.`“ (Seite 101)
Mit Blick auf die von der NATO gegen den Willen von Frankreich und Deutschland beschlossene NATO-Perspektive für die Ukraine erinnert Klaus von Dohnanyi daran, dass der langjährige Sicherheitsberater im Weissen Haus, Zbigniew Brzesinski, alles andere als eine sicherheitspolitische „Taube“, 2015 in einem Interview mit der „Welt“ eindringlich davor gewarnt hat, die Ukraine in die NATO aufzunehmen:
„Damit sich aus dem (neuen) Kalten Krieg kein heisser Krieg entwickelt, müssen der Westen und Moskau ernsthaft miteinander verhandeln, um eine Kompromissformel zu finden (…) Vor diesem Hintergrund würde meiner Ansicht nach die beste Kompromissformel darauf hinauslaufen, dass die Ukraine sich am Status Finnlands orientiert. Der Ukraine würde es gestattet, sich eng an Europa anzuschliessen, und zugleich bekäme Russland die Zusicherung, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird. Sie hätte, wie Finnland, einen speziellen Sicherheitsstatus.“ (Seite 103/105)
Warum, muss man heute fragen, sind die USA, die Europäische Union, die NATO dieser vernünftigen Empfehlung nicht gefolgt? Warum soll dieser Vorschlag heute wenn er von russischer Seite kommt, weniger vernünftig sein?
In den deutschen Medien und in der politischen Debatte wird seit langem verdrängt oder geleugnet – gegen das Zeugnis vieler unmittelbar Beteiligter und Zeitzeugen -, dass die politisch Verantwortlichen in den USA und in Deutschland dem damaligen sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow die Zusage gegeben hatten, die NATO nicht über das Gebiet des vereinten Deutschlands hinaus nach Osten zu erweitern. Verdrängt wird auch, dass in den USA Senatoren, Diplomaten und viele andere Fachleute für Aussen-und Sicherheitspolitik in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eindringlich vor den Folgen einer Ost-Erweiterung der NATO immer näher an die Grenzen Russlands heran gewarnt haben.
George F. Kennan, der geistige Vater der „Containment“-Strategie der USA gegenüber der Sowjetunion nach 1945, ein herausragender Russland-Kenner, warnte in einem Beitrag für die „New York Times“ vom 5. Februar 1997:
„…die NATO zu erweitern wäre der verhängnisvollste Fehler amerikanischer Politik in der gesamten Zeit nach Ende des Kalten Kriegs. Eine solche Entscheidung wird, so ist zu erwarten, die nationalistischen, anti-westlichen und militaristischen Tendenzen in der russischen Öffentlichkeit aufpeitschen; sie hätte negative Folgen für die Entwicklung der russischen Demokratie, würde die Ost-West-Beziehungen in die Atmosphäre des Kalten Kriegs zurückwerfen und die russische Aussenpolitik in Richtungen treiben, die ganz und gar nicht in unserem Sinn wären.“
Genau das erleben wir nicht erst heute, und wer diese Zusammenhänge ausblendet in der aktuellen Auseinandersetzung um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, handelt geschichtslos und unverantwortlich.
V.
Zur militärischen Bedrohungslage in Europa stellt von Dohnanyi fest:
„Europa und der europäische NATO-Raum werden heute militärisch nicht bedroht. Auch das geografisch nahe Russland bedroht Europa nicht. Aber Moskau reagiert auf das Vordringen des westlichen Militärbündnisses NATO an die Genzen der Russischen Föderation.“ (Seite 109)
Diese grundlegende Einsicht wird in der aktuellen Debatte um die Ukraine von fast allen, die sich öffentlich äussern, nicht berücksichtigt, und viele bestreiten sie aus durchsichtigen Interessen. Die USA sehen eine günstige Gelegenheit, die Gas-Pipeline Nordstream 2, die sie aus geostrategischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen schon immer abgelehnt haben – so wie Anfang der 1980er Jahre – kurz nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan – das Erdgas-Röhren-Geschäft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion – jetzt mit Hinweis auf den Ukraine-Konflikt zu Fall zu bringen. Damals hat die sozialliberale Bundesregierung mit Bundeskanzler Helmut Schmidt und Aussenminister Hans-Dietrich Genscher sich dem Druck aus den USA nicht gebeugt.
Von Dohnanyi fragt heute zurecht:
„Welches Recht nehmen die USA für sich in Anspruch, einen Partner ihrer angeblichen ´Wertegemeinschaft´ ökonomisch auf einen anderen Weg als den von einem souveränen Staat selbst gewählten zu zwingen?“ (Seite 83)
Für eine künftige Sicherheitsarchitektur zieht von Dohnanyi folgenden Schluss:
„Aber angesichts der realen Lage in Europa sollten wir festhalten: Europa kann durch militärische Kraft, sei es die der EU oder die der von den USA beherrschten NATO, nicht wirklich gesichert werden. Das Ziel Europas muss am Ende eine allianzneutrale Position sein.“
VI.
Das Skandalon des Buches von Klaus von Dohnanyi liegt darin, dass er Dinge beim Namen nennt, die üblicherweise verschwiegen, bemäntelt oder auf den Kopf gestellt werden.
Auffällig ist, dass das Buch drei Wochen nach seinem Erscheinen zwar in der Spiegel-Bestenliste erscheint und in der Liste „Beste Sachbücher“, die gemeinsam von „Welt“, NZZ; RBB Kultur und Österreich 1 zusammengestellt wird. Mit Ausnahme der „Zeit“ und der „Süddeutschen Zeitung“, die beide kurze Texte zum Buch veröffentlichten, und der Teilnahme von Dohnanyis an einer Diskussion im Sender „Phönix“, hat das Buch, soweit ich sehe, bisher in den Medien kein Echo gefunden und auch keine Diskussionen ausgelöst.
Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, auf einen zweiten Blick vielleicht doch nicht. Die Vertreter der aussen-und sicherheitspolitischen NATO-Orthodoxie haben das Problem, dass sie Klaus von Dohnanyi schwerlich Pazifismus oder Weltfremdheit nachsagen können und auch in die Kiste „Anti-Amerikanismus“ passt er selbst mit viel böser Absicht und Gewalt nicht.
Deshalb müsste man sich mit Argumenten, mit Tatsachen und Wertungen auseinandersetzen Dieser Diskussion in der Sache entzieht sich die atlantisch orientierte community der Aussen- und Sicherheitspolitik in Deutschland aber gerne durch die alten „Mantras“ von der „Wertegemeinschaft“, vom atomaren Schirm der USA zum Schutz von Deutschland und Europa und von der russischen Gefahr. In diesem Fall scheinen sie sich aber so sicher (oder so unsicher) zu fühlen, dass sie glauben, das Buch totschweigen zu können.
Das ist leider nichts Neues. Die meisten Medien und die meisten „Experten“ in Deutschland machen sich die Sichtweise der offiziellen USamerikanischen Politik und die dahinter stehenden geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen zu eigen. Sie wollen oder können nicht mehr unterscheiden zwischen deutschen und europäischen Interessen auf der einen Seite, gemeinsamen Interessen und den besonderen Interessen der USA andererseits. Die sind dabei, wirtschaftlich und politisch ihre dominierende Position in der Welt zu verlieren und halten jedes Mittel für zulässig, diesen Prozess zu verhindern oder jedenfalls zu verlangsamen.
Die atlantisch orientierte „Sicherheits-Bruderschaft“ reicht, mit unterschiedlichen Akzenten und Begründungen, von der FAZ bis zur taz. Natürlich gibt es gelegentlich Ausnahmen, meistens von Gastautoren oder im Feuilleton. Der Grundtenor der Berichterstattung folgt aber den „Narrativen“ der Interessengruppen, die der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Juni 1961 den „militärisch-industriellen Komplexes“ genannt und vor dessen Einfluss er so gewarnt hat:
„Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potential für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiter bestehen…Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Freiheit und Sicherheit zusammen wachsen und gedeihen können.“
Wie recht er damit hatte, das kann man auch in diesen Tagen und Wochen wieder beobachten: Die USA geben den Text, die Melodie und den Ton vor, sie steuern die Informationen, und die allermeisten Medien geben sie als Nachrichten weiter statt sie auf „Erkenntnis und Interesse“ zu hinterfragen und zu prüfen.
Heute werfen USamerikanische oder britische Geheimdienste Russland vor, durch „false flag“-Aktionen Vorwände für einen Einmarsch in die Ukraine zu schaffen.
Das erinnert sehr an die Lüge von den „Massenvernichtungswaffen“ von Saddam Hussein, die der damalige USamerikanische Präsident Bush und sein treuer Gefolgsmann, der britische Premier Blair, im Vorfeld des Einmarsches der USA in den Irak im Jahr 2003 verbreitet hatten, und sich dafür auf ihre Geheimdienste beriefen.
Da kann man nur sagen: Die wissen, was sie tun und wovon sie reden.
Nun ja. Nur drei Hinweise: 1. Dass die US-Außenpolitik nationale Interessen vertritt, ist nicht unbekannt. Sie selbst würde dies nicht leugnen. Was das im einzelnen ist, kann durchaus umstritten sein. Trump fand Putin beeindruckend, die NATo-Verbündeten nicht. Biden findet Putin nicht beeindruckend und bemüht sich um die NATO-Verbündeten. 2. Die USA mögen ihre Außenpolitik stets auch politisch-moralisch begründen. Aber das tun andere auch. 3. Ob ein Staat demokratisch oder autokratisch ist, macht einen Unterschied.