Das ist ein glasklarer Beschluss, der nicht anders ausfallen durfte: Die SPD in NRW geht in die Opposition und steht für eine große Koalition nicht zur Verfügung. Der Beschluss des Landesvorstands war auch in dieser Eile nach dem Desaster der vorausgegangenen Wahl nötig. Gut, dass man sich kein Hintertürchen offengelassen hat, keine Spekulationen für welchen Fall auch immer. Regieren müssen nun die Schwarzen und die Gelben, die Roten sitzen auf den harten Oppositionsbänken, fernab von den Fleischtöpfen. So hat es der Wähler gewollt, er hat Hannelore Kraft und der SPD die rote Karte gezeigt. Und das ist Fakt, darüber muss man nicht mehr diskutieren.
Es wäre fatal gewesen, wenn eine so geschlagene und gedemütigte SPD einem Angebot des Wahlsiegers Armin Laschet vielleicht erlegen wäre, um weiter vorn mitzumischen. Nein, sie muss jetzt andere regieren lassen und sich in der Opposition erholen. Das klingt leichter als gesagt. Denn die Musik spielt natürlich vorn, auf der Bühne, dort, wo der künftige Ministerpräsident dirigiert und seine Ministerinnen und Minister die Instrumente bedienen. Gerade für eine über Jahrzehnte verwöhnte Partei wie die SPD in NRW war das schon in den wenigen Jahren von Jürgen Rüttgers, als der von 2005 bis 2010 das Land regierte, ungewohnt. Aber 2010 hatte man das unerwartete Glück, dass diese Koalition von Rüttgers, diese Allianz aus CDU und FDP so blass wirkte wie die 2005 ermattete SPD. Und plötzlich war der CDU-Ministerpräsdent, der zu früh frohlockt hatte, die Wiese sei gemäht, wieder draußen, abgewählt nach nur einer Legislaturperiode. Peinlich für ihn und die Mitregierenden.
Wechsel gehören zur Demokratie
Nunmehr gibt es nach nur sieben Jahren wieder einen Wechsel, wieder wird das Land an Rhein, Ruhr und Lippe von einer Koalition aus CDU und FDP regiert werden. Wechsel gehörten zur Demokratie. Stimmt, für die Regierenden von gestern ist das trotzdem schmerzhaft. Sie sollten die Zeit nutzen, um über die Gründe ihrer Niederlage nachzudenken. Und diese Gründe gibt es, nicht nur personeller Art. Dass Innenminister Ralf Jäger ein Sicherheitsrisiko für Kraft und die SPD war, habe ich schon kurz nach dem Skandal auf der Kölner Domplatte damals nach Silvester gesagt und ihn aufgefordert, die politische Verantwortung dafür zu übernehmen. Denn die obliegt- abseits jeder persönlichen Schuld- beim obersten Polizisten im Land, der nunmal für die Sicherheit zuständig ist. Jäger tat das nichts, Kraft ließ ihn im Amt. Der Rest ist bekannt und Geschichte. Das ist nicht alles, aber ein wichtiger Punkt, der Ärger über die Schule kam hinzu. Und das ein Teil des Kabinetts von Kraft und Co nicht unbedingt das Gelbe vom Ei waren, wiederhole ich nur. Die Bürger kennen viele Namen der Ministerinnen und Minister nicht. Das sagt einiges.
Dazu die Strukturprobleme im Ruhrgebiet, die auf den Nägeln brennen. In diesen Hochburgen der SPD, in Gelsenkirchen, Oberhausen ebenso wie in Duisburg, Bochum, Dortmund Herne, Bottrop, Gladbeck- entlang der Emscherzone- bricht seit Jahr und Tag etwas weg. Hier leben viele von Hartz IV, nicht weil sie faul sind, sondern weil die alten Industrien tot sind und die Menschen dort keine Jobs haben. Wohnungsprobleme kommen hinzu, Schulen sehen erbärmlich aus. Und dann noch das Problem mit den Flüchtlingen, die in großer Zahl in solche Viertel kamen. Wer mit offenen Augen durch diese Viertel fährt, greift vielleicht leichtfertig zum Vergleich mit der Bronx in New York, weil er davon gehört, die Bronx aber nie selber gesehen hat. Aber das Bild von Armut und Verfall und fehlender Perspektive prägt sich dem Beobachter ein. Hier droht Gefahr, auch weil eine Partei auf dieser Partitur gekonnt spielt und die Emotionen gegen die Altparteien- vor allem die SPD, aber auch die CDU- für sich kaltschnäuzig ausnutzt. Wenn die AfD, die SPD-Chef Martin Schulz zu Recht nicht als Alternative, sondern als Schande für Deutschland bezeichnet, in nicht wenigen Wahlkreisen der genannten Städte über 20 Prozent der Stimmen bekommt, wenn sie in zwei Essener Wahlreisen sogar vor der CDU landet, dann ist das keine Kleinigkeit mehr und Zufall schon gar nicht.
Nationale Anstrengung für das Revier
Hier muss gehandelt werden, hier braucht es einer nationalen Anstrengung, einen Masterplan, damit die Menschen dort wieder Arbeit finden, damit sie eine Wohnung haben, die bezahlbar ist und in der man menschenwürdig leben kann, dort braucht es Kindergärten und Schulen, aber keine Bruchbuden, sondern Musteranlagen, damit die dort lebenden Menschen sehen und spüren, dass die Politik und die Wirtschaft es Ernst meinen mit ihnen. Sie fühlen sich abgehängt und das muss sich ändern. Sonst bricht mehr weg als bisher.
Seit ein paar Jahren wird die Emscher renaturiert. Hier werden Milliarden Euro verbaut, damit aus dem einstigen Industriefluss, der Kloake im Norden des Reviers, in die man den ganzen Dreck-um kein anderes Wort zu benutzen- dieser Region fließen ließ, wieder wird, was die Emscher mal war: ein richtiger Fluss. Und wenn alles fertig ist, sollen sich entlang dieses Flusses wieder Menschen ansiedeln. Kein Traum, dieses Projekt ist in der Endphase. Es fehlen noch die Ansiedelungen von Firmen, die die Jobs mitbringen, Gelände dafür sollte man auf den Brachen der alten Industrie finden, sie gibt es überall im Norden von Dortmund, Herne, Gelsenkirchen, Essen, Duisburg.
Das Wehklagen über eine bittere Wahlniederlage ist das eine, die richtigen Konsequenzen daraus ziehen das andere. Es macht keinen Sinn, die Schuld beim Nachbarn abzuladen, weil das niemandem hilft. Wenn jeder die Ärmel hochkrempelt und anpackt, wird es gehen. Die Strukturprobleme des Reviers lassen sich lösen.
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