Der Klimaschutz ist in Deutschland ins Stocken geraten, die Energiewende vernachlässigt wichtige Sektoren und der CO2-Rückgang steckt fest. Doch obwohl der Klimawandel sich auch in Deutschland bemerkbar macht, waren Energie und Klima keine Themen für die Parteien.
Es regnet, wie so oft in diesem Sommer. Dagegen hilft wetterfeste Kleidung. Wer die Wahl hat, entscheidet sich heute lieber fürs Auto als fürs Fahrrad, so bleibt der Kopf trocken. Weil es diesig und dunkel ist, werden die Lichter angeschaltet. Wer fröstelt, dem hilft die Heizung.
Temperatur steigt in Deutschland schneller als im Durchschnitt
Der Strom dafür fließt zuverlässig aus der Steckdose. Deutschland ist so versorgungssicher wie kaum ein anderes europäisches Land. 2015 mussten Verbraucher lediglich 12 Minuten und 42 Sekunden auf Strom verzichten. Eine Knappheit muss niemand befürchten. Auch mit steigendem Anteil der Erneuerbaren bleiben Deutschlands Stromnetze stabil. Und was macht das Wetter? Schließlich ist der Klimawandel Dreh- und Angelpunkt der deutschen Energiewende. Im Schnitt steigt die Temperatur in Deutschland sogar schneller als weltweit. Waren es früher drei Tage, die die 30 °C Marke überschritten, ist es heute bereits an acht Tagen jährlich so heiß. Eine Befragung des PEW Research Instituts aus dem Jahr 2015 zeigt, dass zwar fast 90 Prozent der Bürger den Klimawandel als dringendes Problem wahrnehmen, sich persönlich aber kaum durch die Folgen bedroht fühlen. Das Problem verliert an Dringlichkeit und Brisanz. Schließlich ist die Energiewende bereits auf dem Weg, Energiesparen ist nicht nur aus ökologischer, sondern auch ökonomischer Sicht sinnvoll und der Ausbau von Erneuerbaren ist in Form zahlloser Windparks in die deutsche Landschaft gestampft.
Es geht voran, worüber noch streiten?
Die Meinung: Es geht voran, worüber also noch streiten? Als 2000 das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet wurde, sah es vor, bis 2010 den Anteil von Erneuerbaren Energien zu verdoppeln. Damals kamen gerade einmal sechs Prozent der Energie aus alternativen Quellen. Sechs Prozent Zuwachs in 10 Jahren – eine bescheidene Zielsetzung, die übererfüllt wurde. Als das Gesetz 2009 angepasst wurde, war der Anteil Erneuerbarer bereits auf 16 Prozent gestiegen. Auch die Kyoto-Vorgaben von 1997 konnte Deutschland leicht umsetzen. Statt bis 2012 die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um die vorgeschriebenen fünf Prozent zu senken, einigten sich die EU-Mitgliedstaaten, auf eine Senkung von insgesamt acht Prozent. Deutschland ging damals voran und legte sich auf eine Reduzierung von 21 Prozent fest. Um 23 Prozent sollten die Treibhausgase in Deutschland schließlich tatsächlich sinken – ein Erfolg für das Klima. Kaum waren die ersten Ziele Kyotos erreicht, legte die Bundesregierung mit einer nationalen Energiewende nach.
Was damals in den Köpfen hängenblieb, war Deutschlands Musterrolle im Kampf gegen den internationalen Klimawandel und die Fortschrittlichkeit deutscher Lösungen in der Stromproduktion. Es ging nicht nur darum Treibhausgase zu verringern und sauberer zu werden. Mit dem Atomausstieg bekannte sich Deutschland außerdem zu einer nachhaltigen Energiepolitik, die sichere Technologien im Einklang mit Natur und Umwelt fördern sollte. Deutschland machte seine Sache gut, Merkels Pfad war international umstritten, aber einmalig.
2017 ist da Ernüchterung und Ratlosigkeit
Sechs Jahre später steht die Energiewende für Viele für Ernüchterung. Gegen neue Windparks laufen Bürgerinitiativen Sturm, der Netzausbau geht nicht voran und moderne Gaskraftwerke müssen wegen niedriger Strommarktpreise stillgelegt werden, denn gegen subventionierte Wind- und Solaranlagen können sie am Markt nicht bestehen. Gleichzeitig steigt die EEG-Umlage und belastet vor allem Geringverdiener und Familien mit zunehmenden Verbraucherpreisen. Was sich 2011 noch ambitioniert aber alternativlos anhörte, stößt heute längst nicht mehr bei allen Parteien auf Zustimmung. Die FDP will Subventionen abschaffen und Energie wieder dem Markt überlassen, die Linke kritisiert die sozialungerechte Verteilung der Energiewendekosten, die Grünen bemängeln fehlendes Tempo beim Kohleausstieg und die AfD stellt gleich den ganzen Klimawandel infrage. Von Seiten der SPD und CDU kommen nur verhaltene Äußerungen, nach acht Jahren Regierungsarbeit haben die beiden Volksparteien die Energiewende federführend gestaltet. Weder kann sich die SPD auf einen Kohleausstieg einigen, noch will sich Angela Merkel klar für ein Ende des Verbrennungsmotors aussprechen. Ein plötzlicher Umschwung seitens der Regierungsparteien käme heute einem Eingeständnis des eigenen Scheiterns gleich.
Kampf gegen Klimawandel geht auf nationaler Ebene die Puste aus
Dabei will die Kanzlerin den Klimaschutz international für sich besetzen. Unter ihrer Schirmherrschaft sollte der G20 Gipfel nach Paris gemeinsame Lösungen präsentieren. Gereicht hat es am Ende nur für eine G19-Lösung, ohne die USA. Auch der türkische Präsident Recep Erdogan knüpfte die Einhaltung des Pariser Abkommens plötzlich an Bedingungen. Klimapolitisch blieb der Gipfel ein Totalversagen, die verabschiedete Erklärung nichts als eine Einigung auf den bereits vereinbarten Status Quo, die ausbleibende Einigung ein Rückschlag für globale Klimainitiativen.
Merkel präsentiert sich auf internationalem Parkett als Klimakanzlerin, doch überzeugen konnte sie nicht. Wohl auch weil Deutschland seine Musterrolle heute nicht mehr glaubwürdig vertritt. Das Niveau der Treibhausgasemissionen ist in den letzten Jahren nur noch unmerklich gesunken. Das wachsende Verkehrsaufkommen sorgte zuletzt sogar dafür, dass der CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich wieder anstieg. Stattdessen laufen Deutschland heute Staaten den Rang ab, die noch bis vor kurzem ein Image als Klimaverschmutzter hatten. Indien installiert Erneuerbare in großem Stil, auch dank staatlicher Investitionen boomt vor allem die Solarbranche. China baut ebenfalls auf Wind- und Solarkraft. Während Deutschland noch über den Dieselskandal diskutiert, steigt das Land nebenbei zum Leitmarkt für Elektromobilität auf. Das Wachstum ist Folge der Regierungssubventionen. Die Pariser Vorgaben werden beide Länder erfüllen.
CO2 Einsparungen geht die Luft aus
In Deutschland sieht das anders aus. Die Elektroprämie der Regierung kommt bei den Autokäufern nicht an, noch fahren gerade einmal 34.000 E-Autos auf deutschen Straßen. Die Entwicklung stockt. Von den insgesamt 3,4 Millionen PKW-Neuzulassungen im Jahr 2016, fielen nur 0,7 Prozent auf Elektrowagen. Das Ziel von einer Million E-Fahrzeugen bis 2020 scheint unerreichbar. Ebenfalls droht Deutschland an seinen selbstgesteckten Klimazielen für 2020 und 2030 zu scheitern. Bis 2020 sollen Treibhausgase um 40 Prozent fallen, zehn Jahre später sollen sie um insgesamt mehr als die Hälfte reduziert worden sein. Doch plötzlich stockt ihr Rückgang. Purzelten die Pfunde in den letzten Jahren noch mühelos, will sich heute kaum noch etwas bewegen.
Kein Wort von Wärme im Wahlkampf
Schuld ist die Sektorenkopplung. Während die Energiewende sich bis heute fast ausschließlich auf den Strommarkt fokussierte, stockt nicht nur der Verkehrs-, sondern auch der Wärmesektor. In den Haushalten tut sich kaum etwas. Energieeffiziente Geräte kann sich nicht jeder leisten, eine energetische Gebäudesanierung und neue Heizungsanlagen schon gar nicht. Die Erneuerbaren können sich im Wärmesektor nicht durchsetzen. Stattdessen stagniert der Anteil von Geothermie, Biomasse und Solarenergie seit 2012 bei 12 bis 13 Prozent. Kein Wort dazu im Wahlkampf, obwohl Wärme hierzulande 50 Prozent des Energieverbrauches ausmacht. Zwar wollen Grüne, SPD und Linke den Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung fördern, messen dem Thema jedoch nicht mehr als eine Randnotiz im Wahlprogramm bei. Dabei liegt hier ein großes Potenzial. Dreiviertel aller Heizungsanlagen in Deutschland sind älter als 10 Jahre und damit nicht effizient, ein Effizienzhaus kann zwischen 70 und 80 Prozent CO2 einsparen. Doch sinkende Heizkosten machen eine Sanierung unattraktiv.
Energie verhält sich unauffällig
Während die Politik noch über die Flüchtlingskrise diskutiert, werden in deutschen Haushalten gedankenlos die Heizungen zu Anfang des Herbstes aufgedreht. Solange niemand darüber spricht, verhält sich Energie unauffällig. Licht beleuchtet zwar viele Probleme, beim Blick in die Glühbirne kneifen wir aber die Augen zu, wenn es blendet. Will die Politik das ändern, muss sie die Dringlichkeit der Energiewende, den Klimawandel und seine Folgen in Deutschland endlich wieder zum Thema machen. Denn zum Schluss scheint auch aus Solarquellen kein grünes Licht und Kohlestrom hinterlässt keine Asche in Steckdosen. Stattdessen wird es wärmer im Wohnzimmer, heller im Büro und bei zunehmendem Niederschlag hält das Auto im Zweifel trocken.
Erstveröffentlichung: www.energieverbraucherportal.de