Der demokratische Staat muss seine ärgsten Feinde nicht selbst nähren. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil bekräftigt, in dem es die NPD, die sich inzwischen in Die Heimat umbenannt hat, für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen hat. Die Entscheidung hat Bedeutung auch für die aktuelle Diskussion über die Wehrhaftigkeit gegenüber der AfD.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied einstimmig, und alles andere wäre eine Überraschung gewesen; denn die Karlsruher Richter selbst hatten dem Gesetzgeber diesen Weg gewiesen. Zwar lehnten sie 2017 ein NPD-Verbot mit der Begründung ab, dass die Partei für einen derart schwerwiegenden Eingriff zu unbedeutend sei. Doch zeigten sie zugleich den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung als Option auf, den Widersinn zu stoppen, dass Feinde des Grundgesetzes, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, von der dort garantierten Chancengleichheit der Parteien profitieren.
Der Gesetzgeber griff die Anregung auf, Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung stellten gemeinsam den Antrag in Karlsruhe und das Gericht erläutert zu der nun erstmals auf dieser Grundlage getroffenen Entscheidung: Die neugeschaffene Regelung des Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG knüpft den Ausschluss von der staatlichen Finanzierung gerade daran, dass die betroffene Partei selbst die Beseitigung der für den demokratischen Wettbewerb konstitutiven freiheitlichen Grundordnung anstrebt oder den Bestand des Staates gefährdet. Damit betrifft der Ausschluss nur solche Parteien, deren chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung nicht Teil des grundgesetzlichen Demokratiekonzepts ist. Der Verzicht auf deren staatliche Unterstützung berührt daher nicht die Substanz des Grundsatzes der Demokratie im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG.
Die Richter lassen nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass die NPD mit ihrem Namen nicht ihre rechtsextremistische Ideologie abgelegt hat. „Die Voraussetzungen eines Finanzierungsausschlusses gemäß Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG liegen vor“, stellen sie fest und begründen: Die Partei Die Heimat missachtet die freiheitliche demokratische Grundordnung und ist nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger auf deren Beseitigung ausgerichtet. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Staat. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen „Volksgemeinschaft“ nicht angehören, und ist zudem mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.“
Konsequenterweise entfallen mit dem Urteil auch steuerliche Begünstigungen für Spenden an die Partei. Der Aspekt erinnert daran, dass Rechtsextremisten nicht nur erkleckliche Millionenbeträge direkt aus der Staatskasse kassiert haben, sondern dass auch ihre Unterstützer ihr Unwesen auf Kosten der Steuerzahler trieben. Und die AfD? Die Parallelen – in weitaus üppigeren Dimensionen – liegen auf der Hand, die Diskussion drängt sich auf, ob ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung auch hier in Frage kommt.
Unter den rechtsstaatlichen Mitteln, die zur Abwehr einer Zugrunderichtung der Demokratie zur Debatte stehen, wäre das möglicherweise das geeignetste. Die Verwirkung von Grundrechten einer einzelnen Person – und sei sie auch von der übelsten faschistischen Gesinnung – bewirkt wenig, solange das System erhalten bleibt. Ein Parteiverbot hat hohe Hürden, wie das Verfahren gegen die NPD gezeigt hat. Wiederum: An der „Potentialität“, die das Bundesverfassungsgericht der NPD abgesprochen hat, bestehen bei der AfD, die sich bereits in den Parlamenten breitmacht, kaum Zweifel.
In den Ausführungen der Karlsruher Richter zu ihrem Urteil gegen die NPD finden sich zahlreiche Hinweise auf die rechtsextremistische Ideologie, die aus einer politischen Wahrnehmung auch die AfD kennzeichnen. Die „Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten“ beispielsweise, die Verächtlichmachung des parlamentarischen Systems, die Nichtanerkennung gleichberechtigter demokratischer Teilhabe. Ob dies in einer juristischen Bewertung ebenfalls so festgestellt würde, bleibt offen.
Gewiss ist, dass ein Verbotsverfahren in Karlsruhe mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Allein der Antrag wäre zwar schon ein wegweisendes Signal, dass mit der Demokratie kein Schindluder zu treiben ist. Ein Schutzschirm gegen die aktuelle Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens durch Hass und Hetze, gegen braune Triumphe bei den anstehenden Wahlen in Europa und drei ostdeutschen Landtagen wäre das aber nicht. Dazu braucht es den politischen Kampf und einen Grundkonsens der Demokraten, dessen Glaubwürdigkeit nicht durch Taktieren, Kooperieren, Hoffieren oder Imitieren in Frage zu stellen ist.