In seinem Vermächtnis zur Wiedervereinigung schrieb Helmut Kohl, der Gedanke einer schnellen Einführung der Währungsunion sei 1990 beim Präsidenten der Bundesbank zunächst auf Skepsis gestoßen. Karl Otto Pöhl war seinerzeit der oberste Währungshüter und warnte vor der Illusion, dass die sofortige Einführung der D-Mark in der DDR auch nur ein einziges Problem lösen könnte. Kohl setzte sich mit seinem Vorhaben durch, zumal die Menschen in Leipzig, Dresden und anderswo in der DDR bei Demonstrationen auf den Straßen die D-Mark forderten und andernfalls mit noch mehr Übersiedlern drohten.
Auch die anderen Mahnungen von der Bundesbankspitze etwa zu einer schrittweisen wirtschaftlichen Annäherung der beiden Staaten in Deutschland, zu einem Umtauschkurs von 2:1 von Mark der DDR und D-Mark und zur Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone Ost fanden damals im Kanzleramt kein Gehör. Kurze Zeit danach im Jahre 1991 gab Karl Otto Pöhl sein Präsidentenamt auf.
Nie zeigte er sich als Chef der Bundesbank zurückhaltend, wenn es um die Stabilität unserer Währung ging. Nicht nur Helmut Kohl war damit konfrontiert, sondern auch schon sein Vorgänger im Kanzleramt, Helmut Schmidt, als dieser verkündet hatte, dass ihm 5 % Inflation lieber seien als 5 % Arbeitslosigkeit.
In diesen Tagen wird Karl Otto Pöhl 85 Jahre alt. Der in Hannover geborene Mann blickt auf einen wechselvollen, hochinteressanten Lebenslauf zurück. Er studierte Volkswirtschaft an der Georg-August-Universität Göttingen, die diese Fakultät ausgelagert hatte; dort traf Pöhl auch auf Herbert Ehrenberg und Helmut Rohde, beide SPD-Politiker in den SPD-geführten Bundesregierungen. Als Halbwaise verdiente er als Student etwas Geld für seinen Unterhalt, indem er beim „Göttinger Tagblatt“ und bei der Hannoverschen Zeitung vor allem Sportberichte schrieb.
So führte ihn der Berufsweg nach einer ersten Station beim Münchener Ifo-Institut in den Journalismus, nämlich zu der renommierten Zeitschrift “Der Volkswirt“ (heute Wirtschaftswoche). 1968 wechselte Pöhl als Geschäftsführer zum Bundesverband deutscher Banken nach Köln. Doch schon 1970 warb ihn der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller ab und holte ihn als Ministerialdirektor nach Bonn-Duisdorf. Schon bald zog er als Nachfolger von Herbert Ehrenberg in das Bundeskanzleramt, in dem Willy Brandt regierte, ein. Dort war er als “Feuerwehrmann“ in starkem Einsatz, um die lodernden Flammen zwischen Alex Möller und Karl Schiller zu löschen.
Als Helmut Schmidt Bundesfinanzminister wurde, berief er Karl Otto Pöhl zum Staatssekretär. Dort blieb er auch noch, als Schmidt Kanzler und Hans Apel Finanzminister wurden. In dieser Zeit war er vor allem mit den Turbulenzen im Europäischen Währungssystem beschäftigt, mit DM-Aufwertungen und Abwertungen von Franc und Lira.
Die Harmonie mit dem “Juniorminister“ Hans Apel war nicht sonderlich ausgeprägt, sodass der Wechsel zur Deutschen Bundesbank nur logisch war – zunächst als Vizepräsident und dann ab 1980 als Präsident, als Nachfolger von Otmar Emminger. Kaum ein deutscher Notenbank-Chef zuvor errang ein so hohes internationales Ansehen wie Karl Otto Pöhl als Fachmann für die Geld- und Währungspolitik. Im Jahre 1992 – nach seinem Rücktritt vom Präsidentenamt – berief ihn die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim in den Kreis ihrer persönlich haftenden Gesellschafter; ein Jahr später wurde Pöhl Sprecher der Bank, die 1998 bei seinem Abschied ein Institut mit bester Bonität und höchstem Ansehen war sowie sich größten Zuspruchs einer Kundschaft mit kräftigen Vermögen erfreute.
Seit 1948 war Karl Otto Pöhl Mitglied der SPD. Doch im Jahre 2005 verkündete er seinen Parteiaustritt mit der Begründung, die Sozialdemokraten seien wirtschaftspolitisch zu sehr nach links gerückt. 1974 heiratete Karl Otto Pöhl seine Frau Ulrike Pesch, nachdem Jahre zuvor seine erste Frau bei einem Autounfall tödlich verunglückt war. Der international geschätzte Politiker und Bankier ist mit Orden, Ehrendoktorwürden und anderen Auszeichnungen (u.a. mit dem Ludwig-Erhard-Preis) geradezu überhäuft worden. Beim Blick zurück, den er von den Höhen der Schweizer Berge werfen wird, kann er voller Stolz und Zufriedenheit auf eine “goldgeränderte“ Lebens- und Berufsbilanz schauen. Zum “Blick zurück im Zorn“ besteht gewiss kein Anlass. So mag er noch seine Erfolge genießen – ad multos annos.
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