Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx hat sich sehr kritisch zur AfD geäußert. In einem Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“(Nr. 15) antwortete der Kardinal auf die Frage, ob man denn Christ sein könne und gleichzeitig AfD wählen: „Das kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten.Ein Christ sollte höchste Vorsicht walten lassen, wenn Politiker wieder dem Nationalismus das Wort reden, wenn sie Fremdenfeindlichkeit schüren oder eine ganze Religion zum Feind erklären. Wenn solche Fahnen aufgezogen werden, kann man als Christ nicht einfach hinterhermarschieren. Da sind wir als katholische Bischöfe aufgerufen, rote Linien zu definieren. Das habe ich öffentlich deutlich gesagt.“
Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, gegen den Islam, das sind alles Punkte, die inhaltlich mit der AfD in Verbindung gebracht werden. AfD-Poltiiker wie Björn Höcke haben sich ihrer Beschimpfung des Holocaust-Mahnmals in Berlin, das an die sechs Millionen ermordete Juden durch die Nazis erinnern soll, zusätzlich als Antisemiten geoutet. Höcke hatte das Mahnmal als eine „Schande für Deutschland“ hingestellt. Aus der Partei ausgeschlossen wurde er deswegen bisher nicht.
Der Kardinal zeigte sich zuversichtlich, dass „unsere offene Gesellschaft stark genug ist, den simplen Denkweisen“ der Populisten und großen Vereinfacher nicht auf den Leim zu gehen, die nur nach einem Schuldigen suchten und nach einer simplen Lösung.
Schulz richtet SPD wieder auf
In dem Gespräch mit dem „Spiegel“ würdigte der Kardinal die Leistung des neuen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Auf die Frage, ob es ihm als Kirchenmann nicht etwas unheimlich werde angesichts der messianischen Heilserwartungen, mit denen Schulz von seinen Anhängern überhäuft werde, betonte Marx: „Die SPD war in den vergangenen Jahren in tiefe Depressionen und Selbstzweifel verstrickt. Wenn es nun jemanden gibt, der diese stolze und wichtige Partei wieder aufrichten und mit sich selbst versöhnen kann, ist das ein belebendes Element für unsere Parteiendemokratie.“ Marx begrüßte, dass Schulz die soziale Gerechtigkeit zum Wahlkampfthema ausgerufen hat. „Ich denke, er ist nicht der Erste und der Einzige, der das Thema anspricht. Dass alle Menschen die Chance haben sollten, für sich und ihre Familie sorgen zu können und nicht von der sozialen Entwicklung abgekoppelt zu werden, war schon immer eine wesentliche Forderung an die Gesellschaft, nicht zuletzt der christlichen Kirchen. Wenn diese Frage nun im Wahlkampf thematisiert wird: umso besser.“
Reinhard Marx räumte ein, dass in Deutschland zwar großer Wohlstand herrsche, es aber nicht überall gerecht zugehe. „Wie soll eine alleinerziehende Mutter zurechtkommen, wenn sie nur 20 Stunden in Teilzeit arbeiten kann. Das Empfinden wächst, dass nicht alle die gleichen Chancen haben.“ Oder, ein anderes Beispiel: Wenn ein Mensch sein Leben lang zum Niedriglohn arbeite und als Rente nicht mehr bekomme als jemand, der nie gearbeitet habe, „dann sagt ein arbeitender Mensch: Das ist doch ungerecht. Und da kann ich ihm nicht widersprechen.“
Reinhard Marx war in seinem früheren Leben Professor für Sozialethik. Und als solcher stellte er im Gespräch mit dem Spiegel-Journalisten die Frage: „Ist es gerecht, wenn sich die Einkommen der Wohlhabenden vervielfachen und die ärmeren Schichten ihren Standard gerade so halten? Er gab selbst die Antwort: „Ich bin überzeugt: Wenn die Ungleichheit in einem Land ein bestimmtes verträgliches Maß übersteigt, gefährdet das den Zusammenhalt in der Gesellschaft und damit die Solidarität, etwa bei der Altersversorgung, der Chancen auf Bildung und einen Arbeitsplatz, von dem mann leben kann.“
Aus der Balance geraten
Er ging dann auf die Gehälter der Manager ein, ohne einen Namen zu nennen. Aber die Öffentlichkeit ist ja in der Vergangenheit u.a. mit dem Namen Winterkorn und dessen Einkünften vertraut gemacht worden. Wobei der einstige VW-Chef für einen Teil der Führung in der Wirtschaft steht und auch durch andere Namen ersetzt werden könnte. Zur Solidarität sagte der Kardinal: „Die meisten Menschen akzeptieren, dass die Löhne je nach Qualifikation oder Verantwortung unterschiedlich hoch sind. Wenn der Chef aber hundertmal so viel verdient wie ein Facharbeiter, kann das niemand mehr nachvollziehen.“ Zwar sei die Entlohnung der Manager nicht das Hauptproblem im Lande, „aber sie hat sich zum Symbol entwickelt, dass etwas aus der Balance geraten ist.“
Den staatlichen Mindestlohn bezeichnete Marx „allenfalls als ein Existenzminimum“. Ein Verdienst, den er als gerecht hielte, „sollte aber sowohl für soziale Sicherheit einschließlich Altersvorsorge als auch für Teilhabe an der Gesellschaft sorgen.“ In der Steuerfrage plädierte der Münchner Kirchenmann dafür, das „wer mehr hat, mehr bezahlen muss, damit der Staat Straßen bauen oder Schulen unterhalten kann. Das ist wichtig, damit die Gesellschaft nicht auseinanderfällt; das ist der Kern der Solidarität.“ Er kritisierte, dass sich die Vermögenden aus der Solidarität mit den Schwächeren verabschiedeten und sich in Ihre eigene Welt zurückzogen, nicht nur bei Steuern. Das begänne bei teuren privaten Kindergärten und ende damit, dass man Kinder für Tausende von Euro im Jahr auf private Universitäten schicke. Fazit für Marx: „Für den einfachen Bürger ist das alles nicht zugänglich.“
Eindeutig plädierte der Kardinal dafür, Vermögen höher zu besteuern. „Absolut“ sei das nötig. Im Sinne der Gerechtigkeit müssten Vermögen und Erbschaften, aber auch Kapitalverkehr stärker besteuert werden.
Quelle: „Der Spiegel“, Nr. 15. 8.4. S. 42 ff