Typisch für den eher unfreiwilligen Weg von Arbeitslosen in die Selbständigkeit sind die Erfahrungen von Dionisio Redondo Ruano aus Duisburg. Redondo, geboren 1948, gehörte zur ersten Generation der „Gastarbeiter“ und arbeitete lange in der Metallindustrie. Durch diese Arbeit wurde er, ein ruhiger, selbstbewusster Mann, bronchialkrank. Eine Entschädigung erhielt er nicht. Nach der Schließung seiner Firma fand er keine Stelle als Metallarbeiter mehr. Daher eröffnete er 2001 das Lokal „Mesón Don Quijote“ im armen Duisburger Viertel Hochfeld – es war das erste spanische Restaurant in der Stadt. Es war bescheiden, aber liebevoll eingerichtet und bot eine reichhaltige Küche. Dionisio Redondo und seine Frau arbeiteten mit viel Engagement und doch wenig finanziellem Erfolg. Nach fünf Jahren mussten sie – auch wegen einer schweren Erkrankung seiner Frau – das Lokal aufgeben.
DIONISIO REDONDO RUANO
„Hochfeld kenne ich schon sehr lange. Ich habe ja fast immer hier gewohnt, seit 1969. Hier ist es leider so, dass die meisten Menschen nicht „solvent“ sind – sie sind arbeitslos oder beziehen eine kleine Rente. Die Deutschen haben ihre Geschäfte aufgegeben. Die Migranten haben Geschäfte aufgemacht. Es ist jetzt eine bunte Palette da an kleinen Geschäften. Da kann man von morgens bis abends – und nachts auch – einkaufen.
Ich bin gelernter Dreher. Geboren bin ich in Spanien, in der Stadt Toledo, und bin nachher, im Alter von fünf Jahren, nach Madrid gezogen. Da habe ich meine schulische und meine berufliche Ausbildung gemacht. Während der beruflichen Ausbildung kamen Ingenieure von Krupp-Rheinhausen zu uns, haben sich unsere Ausbildung angeschaut und festgestellt, dass wir nach dem Schema der deutschen Auszubildenden ausgebildet wurden. Dann haben sie uns angeworben. Dann haben wir – einige Jugendliche – uns entschlossen, hierhin zu kommen. Wir hätten sowieso nicht die Möglichkeit gehabt, langfristig eine Arbeitsstelle zu finden. Danach war ich ein Jahr bei Krupp, bis ich bei der Deutsche Babcock – Wilcox in Oberhausen angefangen bin. Da habe ich meine Tätigkeit über dreißig Jahre ausgeübt, als Dreher.
Da habe ich bei Babcock in der Maschinenfabrik bis 2001 gearbeitet. Dann wurde ich nach der Insolvenz wie alle anderen auch auf die Straße gesetzt. Ich war mittellos, ohne Abfindung, ohne alles. Eine Stelle zu finden – als damals 53jähriger – war ja nicht einfach. Und hier in Duisburg und Umgebung – Oberhausen, Mülheim, Essen, Krefeld – wo ich mich überall beworben habe, hat es nicht geklappt. Ich habe vom Arbeitsamt eine Möglichkeit bekommen, Lehrgänge mitzumachen.
Da habe ich nach einem halben Jahr die Möglichkeit gehabt, eine Gaststätte in Hochfeld zu übernehmen.
Die war heruntergewirtschaftet. Ich musste zusammen mit meiner Frau das aufbauen. Wir haben viel lernen müssen. Wir waren ja keine Gastronomen. Meine Frau war früher nur Hausfrau. Sie hat sich diese Qualifikation selbst angeeignet. Wir haben viel Neues anschaffen und kaufen müssen. Die Anfangsinvestitionen waren für meinen Geldbeutel eigentlich ein bisschen zu hoch. Es ist eine ganz neue Küche. Um die 15 000 Euro insgesamt habe ich hier ausgegeben.
Ich habe nichts mit Banken, weil ich keine Kredite aufgenommen habe. Wollte ich nicht. Ich wusste ja gar nicht, auf welchem Terrain ich mich bewegen würde.
Ich hatte vom Land Nordrhein-Westfalen 10 000 Euro bekommen. Dafür muss ich meine Frau zwei Jahre lang voll beschäftigen. Diese Gelder habe ich voll investiert. Eine Existenzgründerprämie – da muss man mindestens einen Arbeitsplatz geschaffen haben.
Ein typischer Arbeitstag für mich und meine Frau – wir machen alles gemeinsam – sieht so aus. Das erste – einkaufen. Wir kommen meistens gegen 16 Uhr in die Gaststätte. Dann müssen wir erst mal saubermachen, wischen. So dass wir um 17 Uhr aufmachen können. Meine Frau in der Küche und ich draußen. Schichtende ist meistens um 1 Uhr morgens, am Wochenende um 2 oder 3 Uhr morgens.
Montags haben wir Ruhetag. Ansonsten ist Sechstagewoche für uns. Jeder von uns leistet 300 Arbeitsstunden im Monat. Muss sein.
Meine Frau und ich haben zusammen im Monat netto so an die 1300 Euro. Wir können nicht auf den Stundenlohn gucken. 1300 Euro ist zwar wenig – aber für uns reicht es. Schulden haben wir nicht. Deswegen können wir gut leben. Wir leisten uns auch wenig, sagen wir mal so …
„Hartz IV“ für Selbständige ? Nein ! Vielleicht würden wir besser dastehen. Aber wollen Sie alle paar Monate zur Behörde ? Über alles Rechenschaft ablegen ? Wir sind auch so zufrieden – und glücklich sogar.“
Geschichten aus Deutschlands Armutszonen:
Teil I: „ICH SCHAUE IN DIE AUGEN DER ANDEREN – UND DIE SAGEN, ICH BIN KEIN MENSCH.“ Auf der Flucht vor Armut
Teil II: „MAN DARF SICH NIE AUFGEBEN !“ – Langzeitarbeitslose in Duisburg-Hochfeld
Teil III: „JEDER VON UNS LEISTET 300 ARBEITSSTUNDEN IM MONAT. MUSS SEIN“ Selbständige in den Armutszonen
Teil IV: „MEINE KINDER – DIE SIND DAS BESTE IN MEINEM LEBEN, DIE GEBEN MIR DIE KRAFT WEITERZUGEHEN“
Alleinerziehende im „sozialen Brennpunkt“