Hoch lebe Jean Ziegler. Zu seinem 90. Geburtstag gratuliere ich ihm mit ganzer Seele und meiner Hochachtung für seine Sprachkunst, mit der er seine erschreckenden Analysen zum globalen Unrecht jahrzehntelang so einzigartig atmosphärisch in Worte gefasst hat.
Auch manche persönliche Begegnung mit Jean Ziegler im Lauf der Jahre hat mich „trotz alledem und alledem“ ermutigt, im Sinn der Elenden dieser Welt mich weiter für die Opfer unseres zynischen Turbokapitalismus zu engagieren.
Wie wundervoll genau hat dieser Schweizer Wissenschaftler benennen können, zu was die ach so „bewährte“ VORSÄTZLICHE IGNORANZ der geschäftstüchtigen Herren dieser profitgierigen Wachstums-Ideologie führt – zu unmenschlichen Not-Zuständen, zu Hunger und Mangel, zu trostloser Entwürdigung millionenfach!
Jean Ziegler: Wie kommt der Hunger in die Welt? Antworten auf die Fragen meines Sohnes.
Mit einem aktualisierten Vorwort des Globalisierungskritikers. Penguin Taschenbuch 13,-€ -ebook 9,99 €
Titelbild: © Hermance Triay
Zum 90. Geburtstag von Jean Ziegler veröffentlichen wir noch einmal einen Beitrag aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 9. Dez. 2005, Nr. 286 S. 9 1/1. Heute so aktuell wie vor fast 20 Jahren!
,,Hungertod ist eine Schande“
Jean Ziegler forciert seinen Kampf gegen Armut und Unterdrückung.
VON MARIANNE BÄUMLER
Das neue Werk des „UN-Sonderberichterstatters Jean Ziegler für das Recht auf Nahrung“ kombiniert genauestens recherchierte Fakten über den tagtäglich todbringenden Mangel in den 122 Entwicklungsländern mit glasklaren Analysen der geopolitischen Machenschaften seiner Verursacher in, der,, so genannten Ersten Welt. Jean Ziegler, begabt mit politisch scharfsichtigem Verstand und der Fähigkeit, sich von eher trostlosen Dasein der Mehrheit auf unserem Planeten noch erschüttern zu lassen, möchte einen Prozess des globalen Aufbegehrens gegen den permanenten wirtschaftlichen Krieg“ in Gang setzen. ,,Das Massaker an Millionen Menschen durch Unterernährung und Hunger ist eine Absurdität und eine Schande. Wer an Hunger stirbt, stirbt als Opfer eines Mordes: Und der Mörder trägt einen Namen, er heißt: Verschuldung.“
Jean Ziegler nimmt, wie immer, kein Blatt vor den Mund. Er erkennt im globalen Finanzsystem von
Welthandelsorganisation und Internationalem Währungsfonds eine gezielte Erpressung der Dritten Welt, denn während für die armen Länder die Schuldenlast erdrückend ist und dort wegen der Tilgungsbürden vor allem die soziale Infrastruktur ruinös auf der Strecke bleibt, sind diese
Summen im Weltmaßstab der Reichen lediglich Peanuts, und es würde weder die USA noch Europa finanziell spürbar belasten, wenn es zu einer Entschuldung der Armen käme. Umso kalkulierter kann die Dritte Welt jedoch mit Krediten an dauernd gefügig gehalten werden. Ein Übriges an dieser Art der Unterdrückung geschieht durch die elitären Potentaten vor Ort, die mit westlichem Luxus ausgestatteten korrupten Herrscher, die an Demokratie ,,naturgemäß“ nicht interessiert seien und, mit lukrativen Waffenlieferungen der Supermächte bedient, die eigene Bevölkerung zum Stillhalten zwingen.
,,Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen.“ Deshalb ist für Ziegler der Kampf um wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unverzichtbar, formale Demokratie in den Ländern der Dritten Welt allein verhindert nicht, dass Tausende Menschen alljährlich zugrunde gehen. Auch abseits vom süßen Brei des Infotainments privater Medien kommen verheerende ökonomische Tatsachen kaum ins Bewusstsein unserer eigentlich doch so informierten Bevölkerung: ,,Die europäische Dumpingpolitik verwüstet die afrikanischen Agrarwjrtschaften.“ Es scheint, als wiederholte sich der Autor mit seinen nimmermüden An klagen, doch das scheint nur so. Im Gegenteil: Angesichts der neokolonialen Machtstrukturen, dem gar expliziten Interesse der „Ideologen des Präventivkriegs“, sich notfalls die Energie-Ressourcen per Waffengewalt verfügbar zu machen, verschärft sich die globale Schräglage.
Und so weist Jean Ziegler uns anhand von konkreten, atmosphärisch dichten Reportagen aus Äthiopien, Brasilien und Schwarzafrika darauf hin, dass „die Allmacht des Marktes“ keineswegs ein unausweichliches Schicksal ist, das wir im Westen nur bedauernd hinnehmen dürfen sondern dass wir Wissenden mitverantwortlich sind. Man kann durchaus demokratischen Druck auf unsere Regierenden ausüben, uns vom weit verbreiteten Zynismus der transnationalen Konzerne sehr wohl handelnd distanzieren, auch durch Boykott. Wenn immer mehr öffentliche Güter privatisiert werden, sind die Menschen der Industrieländer nämlich auch bedroht. Im rasanten Tempo der Globalisierung geht es darum, im Sinne einer einklagbaren weltweiten Verteilungsgerechtigkeit der zerstörerischen Ernstfall Logik der Multis solidarisch entgegenzutreten. Die alternativen Gipfeltreffen von Attac und anderen Nicht-Regierungs-Organisationen und ihre internationale Vernetzung sind ein hoffnungsfroher Anfang.
Jean Zlegler: „Das Imperium der Schande – Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung“. Bertelsmann, 320 Seiten. 19.90 Euro.