Der italienische Umweltminister Roberto Cingolani verlangt, dass die Politik gegen die Spekulation auf den Energiemärkten einschreitet.
In diesen Tagen der hohen Energiepreise schlagen Politiker in Europa unterschiedliche Maßnahmen zur Entlastung der Verbraucher vor, zumeist auf Kosten des Staates. Der Staat soll auf Steuereinnahmen verzichten (z.B. Ministerpräsidenten Saarland und Bayern) oder einen Rabatt finanzieren, was in Frankreich geplant ist. Die deutsche Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der EEG-Umlage und Übernahme der Ökostromvergütung durch den Bundeshaushalt beschlossen. Auch Italiens Regierung plant ähnliche Maßnahmen.
Angesichts der erneuten starken Preissteigerungen tritt Italiens Minister für die ökologische Transformation mit ganz anderen Forderungen auf den Plan. Wie die italienischen Medien auf der Basis der ANSA-Meldung berichten, will er den Anbietern die Preisspielräume einengen. Laut Cingolani haben die Preissteigerungen keine Begründung in der Realität, es handele sich um eine spekulative Spirale. Er geht sogar noch weiter und nennt die Preisexplosion wörtlich übersetzt „einen kolossalen Betrug auf Kosten der Unternehmen und Bürger“.
Cingolani ist alles andere als ein Linker oder unternehmenskritisch eingestellt. Vor seiner Berufung zum Minister war der Physikprofessor bei der Luft- und Raumfahrtfirma Leonardo für Innovation zuständig. Im ersten Jahr der Amtszeit legte er sich mit den Grünen an, indem er sich positiv zur Kernenergie äußerte und seit kurzem betreibt er das Wiederhochfahren der off-shore Erdgasförderung in Italien.
Man sollte erwarten, dass sich die EU-Kommissarin für Wettbewerb zu der Spekulations-Behauptung Cingolanis auf der Basis von Untersuchungen äußert, auch das deutsche Kartellamt oder wenigstens die Monopolkommission. Der geäußerte Verdacht sollte trotz der Dramatik des Ukraine-Krieges nicht unter den Tisch fallen, und die Profiteure sollten in dessen Schatten nicht so einfach davonkommen.
Damit müsste endlich auch eine ernsthafte Debatte darüber in Gang kommen, wie die außerordentlichen und funktionslosen Marktlagengewinne der Anbieter beschränkt bzw. einer Windfall-Profit-Steuer unterworfen werden sollen. Plötzliche Zufallsgewinne durch eine Veränderung der Marktlage fallen seit Monaten an, bei Anbietern in den Großhandels-Märkten für Strom und Erdgas, in den Lieferketten der Öl- und Gaswirtschaft und anderen. Die Gewinnzahlen in den Quartalsberichten der Firmen und deren Aktienkurse sind deutliche Indikatoren.
Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Windfall-Profit-Abschöpfung nicht gegeben sind und kurzfristig nicht zu schaffen sind, sollten die EU-Regierungen Ideen Cingolanis aufgreifen. Die IEA hat in ihrem 10-Punkte Plan zur Reduktion der Abhängigkeit von russischem Erdgas bereits eine temporäre Besteuerung der Windfall-Profite aus dem Strommarkt zu bedenken vorgeschlagen.
Es ist erstaunlich, wie die wahlkämpfenden Politiker, gerade auch die vorgeblich fiskalisch konservativen und marktwirtschaftlich orientierten, ohne Weiteres mit den Staatsfinanzen hantieren, und wie wenig Aufmerksamkeit sie dem Wettbewerb und der Wettbewerbspolitik widmen.