Der Rücktritt von Patricia Schlesinger vom ARD-Vorsitz war abzusehen. Jeden Tag kamen neue Einzelheiten der Geschichte ans Tageslicht, die sich im Kern um Privilegien, Vergünstigungen, persönliche Vorteile und falsch verstandene Repräsentationspflichten drehten. Die Meute hatte Blut geleckt, die Hetzjagd wurde immer wilder, welche sich mit ständig neuen Drehungen und Wendungen vor den Augen einer staunenden Öffentlichkeit abspielte. Dabei war zum Schluss die Ausstattung und der Sonderrabatt für den Dienstwagen der Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) nur einer der kuriosen Aspekte der Affäre, aber ein besonders anschaulicher. Nebenbei sei angemerkt, dass die Marketingpraxis der betreffenden Autofirmen, bestimmten Persönlichkeiten – nicht nur Intendantinnen und Intendanten – mit großzügigen Konditionen quasi „Vorführwagen“ zur Verfügung zu stellen, ein besonderes Thema ist. Das Bewusstsein, wie problematisch diese seit langen Jahren geübte und relativ weit verbreitete Praxis ist, scheint mir trotz erster Veränderungsmaßnahmen etwa bei einigen Senderchefs der Rundfunkanstalten oder auch in der Politik immer noch unterentwickelt und sollte dringend geschärft werden, bei den Autobauern wie bei den Begünstigten.
Unabhängig davon frage ich mich, auf welchen Straßen Berlins und Brandenburgs so viel PS (über 400?) und einige der Sonderausstattungen überhaupt ausgenutzt werden können. Aber das ist eine andere Frage, die sich so mancher Autofahrer, wenn auch in etwas bescheidenerem Rahmen, eigentlich genauso stellen müsste.
Die Erkenntnis Schlesingers, dass die öffentliche Diskussion über von ihr zu verantwortende Entscheidungen und Abläufe im RBB auch die Belange der ARD berühren, kam spät. Aber natürlich war und ist sie richtig. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob, um sich als Intendantin zu halten, die Erklärung ausreicht, ihre Hauptaufgabe bestehe nun darin, zur Aufklärung der Vorwürfe beizutragen und das Hauptaugenmerk auf den RBB zu richten. Schon die Tatsache, dass die zwischenzeitlich in Auftrag gegebene Untersuchung durch externe Gutachter noch einige Wochen dauern soll, wird das Thema – auch angesichts der Unruhe im RBB – am Kochen halten. Außerdem hat der ungeschickte und unverständliche Umgang mit der politischen Ebene in Berlin und in Brandenburg ein Übriges getan, die Situation zu verkomplizieren, ja zu verschlimmern. Krisenkommunikation geht auf jeden Fall anders.
Über dem ganzen Theater geht der eigentliche Anlass der Affäre schon fast unter: Die Umstände des geplanten Neubaus eines digitalen Sendezentrums sind eine eigene Geschichte, die alle Vorurteile bestätigt, die man gerade mit dem Thema Bauen in Berlin verbindet: Det is Balin! Dumm nur, dass andere Rundfunkanstalten ebenfalls mit Neu- bzw. Umbauvorhaben beschäftigt sind, auf die sich nun ein viel größeres öffentliches Interesse richten wird. Diese logische Folge des verkorksten Berliner Bau- und Krisenmanagements berührt nicht nur die ARD, sondern alle öffentlich-rechtlichen Anstalten. Insbesondere die ARD steckt aber jetzt in einer Lage, aus der sie nur durch entschlossene Schritte herauskommt. Dazu gehört Offenheit im Umgang mit Fehlentwicklungen und die Bereitschaft zu Reformen, die bisher nur andiskutiert worden sind. Wenn die Berliner Wirren etwas Positives bewirken können, dann ist es die Einsicht, dass Maler- und Putzarbeiten, um im Bild zu bleiben, nicht mehr ausreichen, das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zukunftstauglich zu machen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat es ohnehin schwer in einer Zeit, in der etwa in Frankreich die Rundfunkgebühr abgeschafft und in Großbritannien die BBC, die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Sender, um ihre ohnehin schon reduzierte zukünftige Finanzausstattung bangen muss. Nicht nur aus Gründen der Digitalisierung braucht es jetzt Um- und Neubauten – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Also: Mut zur Zukunft!