Vor 50 Jahren haben sich in Orpington in der Nähe Londons 23 Repräsentanten der Minderheit der Sinti, Roma und verwandter Gruppen aus 14 Ländern Europas getroffen. Sie haben an diesem 8. April den Welt-Roma-Kongress gegründet. Heute findet sich über dieses Ereignis wenig bis nichts in Medien, sieht man von der TAZ, der Frankfurter Rundschau und einigen anderen Medien ab, kirchlichen und weltanschaulich im bürgerlichen Humanismus beheimatete Periodika. Kein Lanz, keine Maischberger, kein ARD Extra und keine Seite Drei. Bezogen auf den internationalen Roma-Tag sind die „öffentlichen“ nicht einäugig sondern blind. Das ist kein Ruhmesblatt für die Gestalter der Öffentlichkeit, die ansonsten hinter allen möglichen Ereignissen und Begebenheiten her sind wie die Teufel hinter den armen Seelen.
In Europa leben etwa 12 Millionen Menschen, die den genannten Gruppen zugeordnet werden – auch die Jenische sind dazu zu rechnen, die in Deutschland nicht einmal den Status einer nationalen Minderheit haben, denen die kulturelle Eigenständigkeit vom Staat abgesprochen wird. Auch kein Ruhmesblatt. Eher Skandal.
Es ist heute im kollektiven Bewusstsein, dass die Nazis über eine halbe Million Sinti, Roma und Menschen aus verwandten Gruppen umgebracht haben. Erst 1982 wurden diese Verbrechen offiziell als Völkermord bezeichnet. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Den Sinti und Roma ist durch die NS-Diktatur schweres Unrecht zugefügt worden. Sie wurden aus rassischen Gründen verfolgt. Diese Verbrechen haben den Tatbestand des Völkermords erfüllt.“
Zwei Jahre zuvor, am 4. April 1980 hatten Sinti in Dachau einen Hungerstreik begonnen, der am 11. April beendet worden war und der die Aufmerksamkeit auf die Lage der Sinti und Roma in Deutschland lenkte. Deren Lage war alles andere als akzeptabel. Viele wurden diskriminiert, in den Schulen wurden deren Kinder bei Seite geschoben und missachtet; viele Familien wohnten unter erbärmlichen Bedingungen. Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft: Tausendfach Fehlanzeige. Jenischen ging es ebenso.
Im Juni 2013 hielt die europäische Kommission fest, dass die Lage der Sinti und Roma im gesamten europäischen Raum besorgniserregend sei. Die Bundesrepublik bildete keine Ausnahme. Auf einer Check-Liste zur Lage erfüllte die Bundesrepublik damals von 22 Punkten gerade einmal einen.
Der Mediendienst Integration: „Die einzige repräsentative Studie, die sich ausschließlich mit den Einstellungen gegenüber der Gruppe befasst, wurde 2014 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht. Sie zeigt: Etwa jede*r dritte Deutsche will keine Sinti*ze oder Rom*nja als Nachbar*innen. Rund 9 Prozent der Befragten zeigen ihnen gegenüber eine `starke` Abneigung, 16 Prozent eine `mittlere` Abneigung. Laut der Studie wird keine andere Minderheit so stark abgelehnt wie diese Gruppe. Ähnliche Werte zeigt die Mitte- Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2019. Demnach sind rund 26 Prozent der Bevölkerung Sinti*ze oder Rom*nja gegenüber feindlich eingestellt.“ Kein schöner „Befund“. Der Internationale Roma-Tag gehört ins öffentliche Bewusstsein.