Ich gestehe, in meinen wilden linken jungen Jahren in nicht inniger US- Verbundenheit Jimmy Carter über einen Kamm geschert zu haben mit denen, die für die endlosen Schlachtereien (auf beiden Seiten) in Vietnam verantwortlich gezeichnet hatten.
Erst viel später habe ich festgestellt, was für ein großartiger Präsident und Visionär er war.
Das passt so überhaupt nicht zum Ranking, in dem er unter den bisher 46 Commanders- in- Chief liegt. Ganz weit unten nämlich.
Er war der erste, der in einer aufsehenden Rede an die Nation seinen Landsleuten schon 1978 mitteilte, dass unsere (Um-)Welt uns durch Versündigung an ihr abhanden kommen würde.
Er war zu Beginn seiner Amtszeit ein entschiedener Gegner des Nato- Doppelbeschlusses, handelte mit Breschnew das Salt II- Abkommen aus und wurde vom deutschen Kanzler Helmut Schmidt als idealistisches Leichtgewicht gesehen.
Und so herablassend behandelt.
Schmidt konnte besser mit Nixon, Ford und – später – Reagan.
Erst nach der Invasion der UdSSR in Afghanistan änderte Carter seine Strategie, er setzte 1980 den Olympia- Boykott gegen die Olympischen Spiele in Moskau durch.
Was wieder dem deutschen NOK unter dem ehemals strammen NS- PG Daume gar nicht gefiel, und auch Kanzler Schmidt nicht.
Seine Nicht- Wiederwahl 1980 hatte er seinen Vorgängern im Amt seit Eisenhower zu verdanken, die seit 1954 eine Marionette, Schah Reza Pahlevi in Persien installiert hatten, der jegliche Opposition im Land brutal unterdrückt hatte.
1978 hatten die Perser genug davon, stürzten das verhasste Regime, holten sich die Ayatollahs (was sich im Nachhinein als zumindest genauso katastrophal erwies), und deren Revolutionsgarden besetzten die verhasste US- Botschaft und nahmen alle Amerikaner dort als Geiseln.
Carter musste alles das ausbaden, und als er 1980 eine absolut dilettantische Befreiungsaktion, die nur US- Soldaten das Leben kostete, unternahm, hatte er gegen seinen Nachfolger Ronald Reagan im Wahlkampf keine Chance mehr.
Immerhin erhielt er 2002 eine späte Würdigung für sein Carter Center für Menschenrechte in Form des Friedensnobelpreises.
Im Juni wurde er, trotz schwerer Krankheit, gefragt, ob er glaube, seinen 100. Geburtstag am 1. Oktober noch feiern zu können.
„Ich muss durchhalten, ich möchte Frau Harris als Präsidentin wählen im November!“ hat er geantwortet.
Er wird sie gewählt haben, aber ein gnädiges Schicksal hat ihm das Erlebnis der Vereidigung erspart.
Der Vereidigung eines Mannes, der einen Jimmy Carter im Vergleich zu ihm heute in einem hellen Licht erstrahlen lässt.
Ruhen Sie wohl, Herr Carter.
Bildquelle: Commonwealth Club from San Francisco, San Jose, United States, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons