Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz in Aserbaidschan sind äußerst bescheiden. Das hat mit dem Gastgeberland zu tun, das seinen wirtschaftlichen Erfolg der Förderung von Öl und Gas verdankt. Die fossilen Energien sind ein Auslaufmodell, müssen es sein, wenn der Planet eine Überlebenschance haben will.
In Baku, wie auch schon in Dubai, wird das Festhalten an den sprudelnden Quellen im Vordergrund der gastgebenden Regierung stehen. Wie in Dubai leitet ein Präsident die Beratungen, der aus der Ölbranche kommt. Der autokratische Staatschef Ilham Alijew hat vor allem im Sinn, das internationale Image seines Landes aufzupolieren.
Die Methoden, die ihm dazu dienen, sind fragwürdig bis kriminell, wie seit der Aufdeckung der Aserbaidschan-Connection bekannt ist. Politiker von CDU und CSU wurden bestochen, um die frühere Sowjetrepublik im Europarat in ein gutes Licht zu rücken.
Das 29. Treffen der Vertragspartner COP 29 steht aber auch wegen der neuerlichen Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten unter keinem guten Stern. In seiner ersten Amtszeit sind die USA aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Er wird es wohl wieder tun und gleichzeitig den Öl- und Gassektor wieder heftig anheizen.
„Drilling, drilling, drilling“ hat er im Wahlkampf den jubelnden Massen versprochen. Der kommende Präsident der führenden Weltmacht als Klimaskeptiker, der alle wissenschaftlichen Warnungen in den Wind schlägt und jede Anstrengung zur Abwendung der Katastrophe ablehnt, lastet als schwere Hypothek auf dem Treffen.
Die Erfolgsaussichten von Baku sind schließlich auch deshalb so gering, weil es wieder ums Geld geht. Die Staatengemeinschaft hat sich zwar darauf verständigt, dass die reichen Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels die ärmeren Länder als Hauptleidtragende unterstützen sollen. Doch an der konkreten Umsetzung ist sie regelmäßig gescheitert. Dabei gilt mehr denn je, dass Untätigkeit am Ende teurer wird. Die Erderwärmung ist bereits Ursache für Fluchtbewegungen und extreme Wetterereignisse; ohne entschlossenes Handeln werden die Folgen unbeherrschbar werden.
Vor diesem Hintergrund ist eine internationale wissenschaftliche Studie interessant, deren Ergebnisse die mitwirkende Technischen Universität München (TUM) publik gemacht hat. Die zentrale Erkenntnis, die sicher nicht zufällig zum Start des Klimagipfels in Baku veröffentlicht wurde, lautet: Allein mit demjenigen Teil der Gewinne von Öl- und Gasunternehmen, der aufgrund der Energiekrise 2022 höher als erwartet ausfiel, hätten die bislang zugesagten Gelder der Industriestaaten für fast fünf Jahre gedeckt werden können.
Die Forschenden empfehlen deshalb eine Besteuerung dieser sogenannten Übergewinne aus fossilen Brennstoffen. Sie werden wohl wissen, dass diese Empfehlung so gut wie keine Aussicht auf Realisierung hat. Dennoch sind die Forschungsergebnisse bemerkenswert, um die Dimensionen der Profite zu verdeutlichen und zugleich die Machbarkeit von Lösungen aufzuzeigen.
Die TUM erläutert: Die Industrieländer hatten zugesagt, dass 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an ärmere Länder für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel fließen. Nun soll die Nachfolgevereinbarung, das New Collective Quantified Goal (NCQG), beschlossen werden. Doch zum einen wurden die Zusagen nicht vollständig eingehalten, zum anderen blieb bei den bisherigen Verhandlungen über das NCQG unklar, wie weitere Gelder aufgebracht werden sollen. Ein internationales Forschungsteam hat deshalb einen der im Raum stehenden Vorschläge untersucht: eine Steuer auf Übergewinne von Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen verdienen. Eine Übergewinnsteuer schöpft Gewinne ab, die aufgrund einer besonderen Situation, zumeist einer Krise, höher sind als sie für eine gewöhnliche Lage zu erwarten gewesen wären. Eine solche besondere Situation war die Energiekrise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Anfang 2022. In diesem Jahr stiegen die internationalen Energiepreise sprunghaft an.
Das Forschungsteam untersuchte die veröffentlichten Gewinne des Jahres 2022 von 93 der weltweit größten Öl- und Gasunternehmen und verglich sie mit den Gewinnerwartungen von Analystinnen und Analysten zu Beginn des Jahres. Erwartet wurden insgesamt rund 753 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich erzielten die Unternehmen Gewinne von insgesamt rund 1,243 Billionen US-Dollar. Die Übergewinne aufgrund der Krise beliefen sich also auf rund 490 Milliarden US-Dollar. „Diese zusätzlich erzielten Profite nur eines Jahres belaufen sich annähernd auf die Summe, die den ärmeren Staaten für einen Fünfjahreszeitraum versprochen wurde“, sagt Studienleiter Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM. Um beurteilen zu können, ob Regierungen diese Übergewinne hätten umverteilen können, untersuchten die Forschenden, aus welchen Ländern die Unternehmen stammen und ob sie sich in staatlicher oder privater Hand befinden. 42 Prozent der Übergewinne wurden von staatlich kontrollierten Firmen erzielt, der größte Anteil in Norwegen.
„Die Regierungen haben also die unmittelbare Möglichkeit, die aufgrund einer Krise erzielten Profite abzuschöpfen, um sie zur Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen“, sagt die zweite Studienleiterin Dr. Anna Stünzi von der Universität St. Gallen. Von den privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Übergewinne erzielten, hatten 95 Prozent ihren Hauptsitz in Staaten, die sich auf einen Beitrag zur Klimaschutzfinanzierung verpflichtet haben. „Mit einer Steuer auf Übergewinne aus Öl und Gas könnten zumindest einige Industriestaaten Einnahmen generieren, mit denen sie ihre Versprechen gegenüber den ärmeren Ländern erfüllen könnten“, sagt Florian Egli.
Unter den privatwirtschaftlichen Unternehmen ging gut die Hälfte dieser Gewinne (143 Milliarden Dollar) an Firmen in den USA. Weitere 37 Prozent wurden von Firmen in Großbritannien, Frankreich und Kanada gemacht. Fast alle Firmen haben ihren Sitz in G20-Staaten. Weltweit seien die Gewinne der Branche noch größer als die in der Studie genannten. Denn einige der größten Unternehmen, etwa aus Russland, Iran, Südafrika und Venezuela veröffentlichen ihre Zahlen nicht und konnten deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen werden. „Die Besteuerung von Übergewinnen könnte Investitionen in Öl und Gas eindämmen und auslaufen lassen, einen stabilen und effizienten Markt für saubere Energie aufbauen und dazu beitragen, die Finanzströme mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen“, sagt Studienautor Prof. Michael Grubb vom University College London (UCL). „Die Neuausrichtung der Einnahmen aus fossilen Brennstoffen im Einklang mit den Klimazielen sollte als nächstes auf der globalen Agenda stehen.“