Wer regiert, trägt Verantwortung und zwar von der ersten Sekunde seiner Wahl. So war und so ist das auch jetzt. Aber selten hat ein Kanzler so viele Probleme zu lösen wie Olaf Scholz. Es kommt ja knüppeldick auf seine Ampel zu. Als sie gewählt wurden die Sozialdemokraten, die Grünen und die Freidemokraten, standen sie mitten in der Corona-Krise. Kaum gewählt, griff Russlands Präsident Putin die Ukraine an. Pandemie, Krieg, mit dem Krieg die Flüchtlinge, eine drohende Energiekrise, es drohen Engpässe bei Lebensmitteln, Hamstern ist wieder angesagt, man schaue bei Rewe, Edeka, Aldi und Lidl nach. Sie, die Ampel-Regierung muss für alles Lösungen bieten, die Ukraine fordert Waffen, früher durften wir die nicht in Krisengebiete schicken. Zu all dem kommen Drohungen aus Moskau mit Atomwaffen. Die Finnen drängen in die Nato, die Schweden wollen auch rein und Putin droht wieder mal.
Nicht dass ich Mitleid hätte mit Olaf Scholz, nein, das wäre aus journalistischer Sicht zudem die Höchststrafe und die hat er nicht verdient. Es stimmt ja, der Mann im Kanzleramt ist kein Meister der Kommunikation, aber mir gefällt seine Behutsamkeit, sein Nachdenken, was seine Kritiker als Zögern und Zaudern abtun. Dabei ist Langsamkeit in dieser hektischen und gefährlichen Zeit vielleicht sogar ein Muß. Scholz weist daraufhin, dass er sich berät mit den Partnern des westlichen Bündnisses, mit Frankreichs Macron, er telefoniert mit Amerikas Biden, spricht mit den anderen Freunden in der Nato und der EU. Kein deutscher Alleingang, das hat der Kanzler mehrfach gesagt. Was soll daran falsch sein? Scholz will alles tun, damit ein Atomkrieg verhindert wird. Er hat daraufhin gewiesen, dass er bei seiner Wahl einen Eid geschworen habe, Politik zum Wohle des deutschen Volkes zu machen.
Man kritisiert, dass er noch nicht in die Ukraine gereist ist. Warum sollte er das tun? Ein Signal setzen? Deutschland steht zur Ukraine, hat Scholz betont, hat die Koalition in Berlin immer wieder gesagt, man hilft mit Geld, mit Waffen und mit Unterstützung bei den Bündnispartnern. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas(SPD) ist nach Kiew gereist am Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Sie steht vom Protokoll her an zweiter Stelle, direkt hinter dem Bundespräsidenten. Jetzt gerade war die Außenministerin Annalena Baerbock(FDP) in der Ukraine. Und dennoch hört der Botschafter des Landes in Deutschland, Melnyk, nicht auf, die Bundesregierung zu kritisieren. Bei allem Verständnis für die schwierige Lage, Herr Melnyk überzieht. Das ist nicht nur nicht diplomatisch, sein Auftreten und Reden ist teils unverschämt. Dazu die Sache mit der Ausladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Nein,Olaf Scholz hat absolut Recht mit seiner Behauptung, erst müsse das Verhältnis zum deutschen Staatsoberhaupt geklärt werden. Es ist gut, dass Steinmeier und Selenskij vor Tagen telefoniert und die Missverständnisse ausgeräumt haben. Der Kanzler wird gewiss irgendwann in die ukrainische Metropole reisen, der Präsident auch, die Termine aber bestimmen weder Herr Melnyk und schon gar nicht der Oppositionsführer Friedrich Merz(CDU) oder die Medien.
Dass er vor Tagen in die Ukraine gereist ist, hatte allein parteipolitische Gründe. Er wollte sich mal wieder profilieren, dafür musste er an die Front, Bilder produzieren vom großen Merz. Nochmal Herr Merz: Das ist Wichtigtuerei, Sie sind ein Gernegroß, wie das ein Leser in der SZ ausgedrückt hat, ein Möchtegern. Ihr Verhalten erinnert an Angela Merkel, vor rund 20 Jahren. Merkel hatte damals als Oppositionschefin, wenige Tage vor ihrer Reise in die USA, in einem Gastbeitrag in der Washington Post das Nein des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder zum Irak-Krieg der USA kritisiert: „Herr Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Das war am 20. 2. 2003. Das Gegenteil war der Fall, Frau Merkel. Selten hat ein Kanzler wie Schröder damals für die Mehrheit der Deuschen geredet. Und wie sich später zeigte, waren die von der US-Regierung genannten Gründe für die Invasion der USA und anderer Länder eine reine Lüge. Der US-Außenminister Powell scheute sich sogar nicht, die Vereinten Nationen zu belügen. Und jetzt Friedrich Merz als Oppositionschef in der Ukraine, empfangen von Präsident Selenskij, um Scholz den Rang abzulaufen. Lächerlich, Herr Merz. Sie hatten dort nichts zu suchen, solange der Bundespräsident nicht dort war. Solange der Kanzler aus den bekannten Gründen in Berlin bleibt. Was hätte ein Herr Merz auch anzubieten? Er stellt sich in den Vordergrund. Das ist kein Stil, Herr Merz, mit billigen Mitteln für Landtagswahlen punkten zu wollen.
Aber es ist ja die Zeit, in der es zur Mode geworden ist, den Kanzler täglich zu attackieren. Nicht wenige Medien erwecken den Eindruck, als könnten sie eine Ausweitung des Krieges nicht abwarten. Schwere Waffen müssen geliefert werden, am liebsten gestern, als wäre schon mal ein Krieg mit Waffen gewonnen worden. Wer sich plötzlich als Waffen-Experte in der Öffentlichkeit zeigt, das ist richtiggehend erschreckend. Schrill sind die Rufe, die Kommentare nach einem starken Mann. Welch ein Unsinn! Man merkt immer noch, dass es manchen Medien nicht passt, dass ein SPD-Mann Kanzler geworden ist, dass eine Ampel regiert. Die sogenannten Leitmedien hätten am liebsten Schwarz-Grün als Koalition gehabt, umgekehrt hätten sie es auch noch mitgetragen. Aber so? Dabei gilt die Regel: Wir sollten schreiben und sagen, was ist, und nicht, was wir gern hätten. Olaf Scholz hat mehrfach gesagt: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Ein kluger Satz, der mitberücksichtigt die atomare Weltmacht Russland, die er nicht reizen will. Ein Waffenstillstand zu erreichen, muss das Ziel sein, damit die Ukraine überleben kann.
Wer unbedingt über Affären schreiben will, blättere in der schon erwähnten SZ von heute. Auf der Seite München-Bayern heißt der Aufmacher: „Müsst Ihr nehmen, Scheuer muss das garantieren.“ Das Bild zeigt den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Lufhansa-Chef Carsten Spohr, Andres Scheuer, als er noch Bundesverkehrsminister war und Florian Herrmann, Staatskanzleiminister. In der Unterzeile erfährt der Leser, warum es geht: „Söder und seine Staatskanzlei sorgten nach einem Hinweis von CSU-Minister Scheuer dafür, dass eine Firma aus dessen Passauer Heimat einen Maskenvertrag über 18 Millionen Euro bekam. Fachliche Bedenken wurden übergangen, viele Masken waren dann mangelhaft.“ Wie sagte Horst Seehofer, als er noch Ministerpräsident im Freistaat war: Bayern, das ist wie die Vorstufe zum Paradies.
Bildquelle: Wikipedia, Harald Dettenborn, CC BY 3.0 DE