Die Verurteilung des AfD-Politikers Björn Höcke schlägt medial hohe Wellen. Eine Kernfrage im Prozess lautete: Hat Höcke vorsätzlich gehandelt, wusste er also insbesondere, als er die Parole „Alles für Deutschland“ rief, dass es sich hierbei um eine Losung handelt, die von der „Sturmabteilung“ der Nationalsozialisten verwendet wurde?
Das Landgericht Halle hat diese Frage bejaht. Dem Journalisten Christian Rath gefällt das nicht. Er führt in seinem „taz“-Kommentar dazu aus:
„Das Gericht sagte in seiner knappen Urteilsbegründung letztlich nur, dass es Höcke nicht glaubt. Das ist etwas dünn in einer Frage, auf die es in diesem Prozess doch gerade ankam. Denn für eine rechtsstaatliche Verurteilung genügt es ja nicht, dass ein bewusstes Einsetzen von NS-Slogans zu Höcke passt oder dass man ihm dies zutrauen würde.“
Allein auf Grundlage der mündlichen Urteilsbegründung eine Entscheidung zu kritisieren – das kann man zwar machen, es ist aber problematisch. Und zwar schon deshalb, weil die gesetzlichen Vorgaben hier weniger streng sind als beim schriftlichen Urteil (vgl. nur § 268 Abs. 2 Satz 2 StPO: „wesentlicher Inhalt“). Es besteht weder eine Vollständigkeitsgarantie noch eine Pflicht zur ausführlichen Erörterung. Dies gilt umso mehr, als eine Revision nicht auf die mündliche Urteilsbegründung gestützt werden kann. Passend dazu hat der Bundesgerichtshof bereits vor mehr als 50 Jahren (NJW 1961, 419, 420) entschieden:
„Die mündliche Eröffnung der Urteilsgründe durch den Vorsitzenden hingegen ist für den Urteilsspruch nicht wesentlich, weil dessen Grundlage die vom Gericht beschlossenen Gründe darstellen, die sich aus dem von den Richtern zu unterschreibenden Urteil ergeben. Ihnen gegenüber ist die mündliche Begründung ohne Bedeutung; sie unterrichtet die Prozeßbeteiligten nur vorläufig darüber, welche Gründe das Gericht zu seiner Entscheidung bestimmt haben.“
Problematisch erscheint auch die folgende Aussage von Rath unter der Zwischenüberschrift „Für das Vertrauen in die Justiz nicht dienlich“:
„Für Fälle wie den jetzigen gibt es eigentlich die rechtsstaatliche Maxime ‚im Zweifel für den Angeklagten‘“.
Damit unterstellt er – jedenfalls indirekt – dem Gericht, es hätte diese Regel missachtet und Höcke zu Unrecht verurteilt, anstatt „im Zweifel für Höcke“ und damit auf Freispruch zu entscheiden.
Mich jedenfalls überzeugt das nicht. Denn die Regel „im Zweifel für den Angeklagten“ ist – so betont es der Bundesgerichtshof mit steter Regelmäßigkeit – keine Beweisregel, sondern eine Entscheidungsregel. Das bedeutet: Diese Regel besagt nicht, wann ein Gericht zweifeln muss, sondern wie es im Zweifelsfall zu entscheiden hat. Einen solchen Zweifelsfall hat das Landgericht Halle hier aber gerade nicht gesehen, sondern es ist offensichtlich davon überzeugt gewesen, dass Höcke vorsätzlich gehandelt hat und wusste, dass „die SA-Parole verboten ist und sie trotzdem verwendet“ hat.
sehr treffend dargestellt