Ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, möchte man nach der Pleite der Damen-Kicker-Elf in Australien sagen. Und bevor die Männer den Frauen erklären, wie Fußball geht, möchte ich an ein paar Pleiten, Pechen und Pannen der Herren erinnern. Oh ja, da gibt einiges zu erzählen. Nein, ich beginne nicht mit der Niederlage 1974 gegen die DDR durch Jürgen Sparwasser. Sondern ich möchte die älteren Fußball-Freunde an Spiele der Nationalmannschaft gegen Albanien erinnern. 1967, am 17. September in Tirana. Gegen einen Fußball-Zwerg. Man frage Günter Netzer, der dabei war, Wolfgang Overath, Willi Schulz. Es ging um die Qualifikation zur EM 1968. Das Hinspiel hatten die Deutschen im Dortmunder Stadion Rote Erde 6:0 gewonnen mit Gerd Müller, der im Rückspiel verletzungsbedingt wie auch Franz Beckenbauer nicht dabei war. Ein einziges Tor hätte gereicht, ein lächerliches 1:0. Aber sie schafften es nicht, das Runde ins Eckige zu bugsieren. Aus wars. Eine Ausrede war schnell gefunden: die Deutschen bekamen in Albanien nur Rühreier und Brote, das Hotel entsprach nicht den Ansprüchen der deutschen Kicker, im Lande waren nur Radler zu sehen, keine Autos, der Platz in der albanischen Hauptstadt war ein Sandplatz mit ein paar Grasbüscheln. Die Schmach von Tirana. So die Presse. Es war das einzige Mal, dass die Deutschen bei einer EM-Quali scheiterten.
Der Rückflug ging über Rom, eigentlich war eine Audienz beim Papst vorgesehen, die aber für die Mannschaft ausfiel. Helmut Schön, der Trainer, wurde bei der Landung in Rom bleich, als er die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung las: „Lass doch mal den Merkel ran!“ Gemeint der Österreicher, der mal die 60er aus München zum deutschen Meister geführt hatte, aber in Schalke gescheitert war. Schön durfte sich den Segen des Papstes holen, er blieb im Amt und war Jahre danach erfolgreich. 1974 wurde Deutschland bei der Heim-WM Weltmeister. Mit Müller. Und Helmut Schön, dem Mann mit der Mütze.
Schande von Gijon
Oder reden wir über die Schande von Gijon. Man nannte das Spiel der Deutschen gegen Österreich auch einen Nicht-Angriffspakt. Der peinliche Kick fand bei der WM 1982 in Spanien statt. Deutschland gewann zwar 1:0, aber im Grunde hätten beide Mannschaft vom Platz geschmissen gehört. Sie schoben sich minutenlang den Ball nur zu, es gab keine Angriffe mehr, keine Torschüsse, weil beide Mannschaften mit diesem Ergebnis eine Runde weiter kamen. Aber es war ein Skandal, der Algerien früh aus dem Turnier ausscheiden ließ.
Die Stadt Cordoba dürfte vielen deutschen Fußballfans wie Österreichern im Gedächtnis sein. Damals 1978, bei der WM in Argentinien, verlor die deutsche Mannschaft gegen Krankl und Co mit 2:3. Der Sieg-Torschütze war jener Hans Krankl, ganz Österreich feierte den Sieg über die Deutschen als das „Wunder von Cordoba“. Mir in Erinnerung ist noch die Reportage des österreichischen Reporters Edi Finger. „Tooor“, schrie Finger ins Mikrophon, immer wieder schrie er „Tooor“. Und ließ seinen Emotionen freien Lauf. „I wear narrisch“, rief er beim Siegtor der Österreicher durch Krankl. Originalton -Finger: „Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals, wir busseln uns ab, der Kollege Riepl, der Diplom-Ingenieur Posch. Und wartens noch a bisserl; dann können wir uns vielleicht ein Vierterl einschenken. Jetzt hammas gschlagn!“ Den Titelverteidiger, der danach nach Hause flog wie die Österreicher auch. Krankl wurde ein Nationalheld.
Südkorea ist inzwischen zu einer Art Angstgegner geworden. Fußball-WM in Russland 2018. Damals verlor der Möchte-Gern-Wieder- Weltmeister Deutschland gegen die kleinen Jungs aus Seoul und Umgebung mit 0:2. Sieben Jahre später schaffen die Südkoreanerinnen in drei Spielen bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland ein einziges Tor- gegen Deutschland natürlich, den eigentlichen Favoriten. Pardon, wir hatten uns ein bisschen selbst in den engen Kreis der möglichen WM-Gewinnerinnen gehoben und uns dabei verhoben. Aber wir waren ja auf dem Weg zum Titel. Las ich mehrfach. Donnerwetter, dachte ich. Die machen auf dicke Hose.
Wir sind gute Verlierer
Fußball, wir wissen das, ist frei nach der Erzählung eines früheren englischen Kickers ganz einfach: 22 Menschen laufen hinter einem Ball her, am Ende gewinnen die Deutschen. Dieses -neudeutsch-Narrativ ist längst von der Wirklichkeit überholt. Die Deutschen gewinnen vielleicht den Fairness-Pokal, aber sonst sind sie gute Verlierer. Wir gehen gern als Mit-Favoriten in ein Turnier, weil die Deutschen ja eine Turniermannschaft sind. Besser: Sie waren es. Beim Männer-Turnier in Russland 2018 schieden die deutschen Kicker gegen Fußball-Welt-Größen sie Südkorea und Mexiko aus. Als Titel-Verteidiger. Peinlich oder?
Die sogenannten Experten schwankten damals zwischen Katastrophe und Betriebsunfall, der ja mal jedem passieren kann. Beim nächsten Mal wird es bestimmt besser, da unterschätzen wir die Gegner nicht. Und dann passierte es wieder, in Katar, dem Wüstenstaat. Na klar, war zu heiß dort für uns, nur für uns, wir sind da empfindlich. Dabei hatten wir den Veranstaltern und anderen die Muskeln gezeigt mit der besagten bunten Binde- na ja, wir wollten es der Welt zeigen und griffen dann zum viel schärferen Mittel: beim Familienfoto hielt sich jeder Spieler den Mund zu. Wow! Ein Knaller oder? Ganz nebenbei verloren wir dann gegen Japan. Japan ist ein großes Land, mächtig, Tokio eine Weltstadt. Gut, mit Fußball haben die es nicht so, aber gegen uns reichte es. Einer ihrer Kicker spielt für den VfL Bochum, der damals in der 2. Bundesliga spielte.
Fußball und Frauen, das ging früher nicht. Doch ich heiße ja nicht Schatzschneider und belass es dabei, weil wir Männer es auch nicht besser können. Zurück zur WM in Australien/Neuseeland. Im Vorfeld gab es einige Spiele, die nicht so berauschend waren. Aber folgt nicht auf eine Generalprobe eine gelungene Premiere? Gut, wir sind auf dem Platz und nicht in der Oper oder im Theater. Weil es aufm Platz entscheidend is. Hat Adi Preißler einst gesagt- in den 50er Jahren. Der Mann aus Duisburg spielte für Preußen Münster und den BVB. Er war das, was heute Mangelware ist: ein Mittelstürmer, der Tore schoss. Und das haben unsere Kickerinnen im Turnier nur ein einziges Mal gezeigt: gegen Marokko gewannen sie mit 6:0. Aber Marokko ist eine Runde weiter, die Deutschen sind raus, weil sie gegen Kolumbien verloren in der Nachspielzeit. Und die wiederum den Marokkanerinnen den Sieg überließen. Und gegen Südkorea erreichten die Deutschen nur ein 1:1.
Entscheidend is aufm Platz
Was soll man sagen? Besser schweigen? Oder darauf hinweisen, dass es mehr Rumpelfußball war, so wie die Männer es vorexerziert hatten in Katar? Weil sie nicht oder zu wenig kombinierten, sondern den Ball quer spielten oder zurück, oft um den eigenen Strafraum herum? Die TV-Reporterin sprach oft von dem Machplan, den ich nicht gekannt habe. Ich nehme mal an, dass dazu gehörte, dass man gewinnen wollte. Was ja als Ziel ehrenvoll ist. Stolperfußball war es auch, was man hin und wieder sah, Fehlpässe waren auch nicht selten. Was selten war, war das Eindringen in den gegnerischen Strafraum. Das haben sich die Damen wohl von den Männern abgeschaut, die gehen auch nicht gen in den Strafraum rein. Ich vermute mal aus Angst, weil es dort eng wird, da wird geklammert, gekniffen, geboxt, gehalten, gedrückt. Später hörte ich, die deutschen Frauen hätten eine hohe Quote beim Ballbesitz gehabt. Klar, im hinteren Mittelfeld haben sie den Ball minutenlang sich zugespielt, aber Tore fallen normalerweise so nicht. Dafür muss es nach vorn gehen, das Runde muss ins Eckige. Entscheidend, Sie wissen schon, is aufm Platz. Der Spruch von Preißler gilt immer noch. Und aufm Platz waren die anderen besser, oder? Zumindest erfolgreicher.
Jetzt wird es natürlich Krisensitzungen geben. Ohne Krisensitzung geht es nicht. Muss die Trainerin gehen? Löw durfte nach dem Scheitern in Russland noch etwas weitermachen. Wir müssen die Fehler finden, sonst gibt es keine Lösungen. Das frühe Ausscheiden kostet den mitgliederstärksten Fußballverband nicht nur viel Ehre und Ansehen, sondern auch viel Geld. Gut, er spart selber Siegprämien, die Prämie fürs Erreichen des Viertelfinals, die Prämie fürs Erreichen des Halbfinals und die Sieg-Prämie der WM kassieren die Frauen aus anderen Ländern. Ein Debakel ist es mindestens, was da passiert ist. Oder gar eine Katastrophe. Aber so weit ging selbst der alte Fußball-Lehrer Otto Rehhagel nie nach einer Niederlage. Eine Katastrophe ist, so ähnlich hat er mal gesagt, wenn ein guter Freund schwer erkrankt und früh stirbt. Beim Fußball ist es das fehlende Glück und wenn dann noch Pech dazu kommt, verliert man.
Die Situation im deutschen Fußball ist also da. Man ist im Keller angekommen, erst die Männer und jetzt die Frauen. War das der Matchplan? Wo wir doch auf dem Weg zum Titel waren, erst die Männer, dann die Frauen. Sie wissen ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Oder so ähnlich. Kopf hoch. Das nächste Mal gewinnen wir wieder, spätestens bei der EM 2024 in Deutschland. Oder Hansi Flick? Wie lautet ihr Matchplan? Gewinnen geht über Verlieren? Wir werden auf jeden Fall gute Gastgeber sein, die die Gäste willkommen heißen. Es ist doch alles nur ein Spiel. Und Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Wenn man gewinnt, ich weiß.