Seit Wochen betreiben Ministerpräsident Tsipras und sein alerter Finanzminister Varoufakis ein gefährliches Spiel. Sie pokern und bluffen an den Verhandlungstischen in Brüssel, Berlin und wo auch immer. Dabei verspielen sie nahezu alle Sympathien derer, die Griechenland vor der Pleite noch retten wollen. Nun steht alles Spitz auf Knopf, denn die Zeit des Verhandelns und Redens droht in wenigen Tagen abzulaufen. Bundeskanzlerin Merkel wiederholt immer wieder ihre Botschaft in Richtung Athen: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg! Allerdings kann dieser Weg keine Einbahnstraße sein, denn weitere Hilfen der europäischen Partner sind nur möglich, wenn Griechenland selbst im eigenen Interesse zu Reformen bereit ist. Es macht in der Tat keinen Sinn, dem schlechten Geld nun noch gutes nachzuwerfen.
Die Schulden des Landes belaufen sich inzwischen auf über 320 Milliarden Euro. Gläubiger sind vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro-Rettungsschirm (EFSF). Alleine die Bundesrepublik Deutschland muss für über 50 Milliarden Euro geradestehen. Sowohl hierzulande als auch in anderen Euro-Staaten ist der Widerstand außerordentlich groß, weitere Milliarden nach Athen zu überweisen.
Bislang sträubt sich die Regierung Tsipras, den Forderungen der inzwischen mächtig verprellten und dennoch gutwilligen Helfern auch nur annährend zu entsprechen. Weder im griechischen Staatshaushalt noch bei den geforderten Reformen im Renten- und Steuersystem machen die Griechen Angebote, die zu einer Vereinbarung mit den Institutionen (IWF EZB, EFSF) führen könnten. Nur wenn es hier zu einer vernünftigen Verständigung kommen würde, könnten noch bis Ende Juni jene 7,2 Milliarden Euro an verfügbaren Hilfskrediten genehmigt werden, die Griechenland vor dem Staatsbankrott bewahren würden.
In wenigen Tagen – am 18. Juni – tagen die Finanzminister der Euro-Gruppe. Bis dahin wäre eine Einigung mit der griechischen Regierung noch möglich. Doch alles gute Zureden von Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Hollande sowie dem EU-Kommissionspräsidenten Juncker haben Tsipras und seine Regierung nicht zu wirklich entscheiden Schritten bewegen können.
Gerade haben sich auch das IWF-Team und die Tsipras-Unterhändler vom „Pokertisch“ in Brüssel verabschiedet und damit signalisiert, dass die Differenzen zwischen der Gläubigerseite und den Schuldnern, zwischen Kreditgebern und -nehmern offenbar nicht zu überbrücken sind. Damit droht Griechenland die Staatsinsolvenz. Viele Griechen rechnen wohl selbst damit; sie haben ihre Euro-Guthaben bei den griechischen Banken abgehoben, ins Ausland transferiert oder einfach daheim „unters Kopfkissen“ gelegt.
Es ist high noon im griechischen Schuldendrama. Wenn nicht noch in letzter Minute ein Wunder geschieht, droht der Grexit, der Austritt Griechenlands aus dem Euro-System.
Ob Tsipras diesen Schritt machen wird, ist ungewiss, zumal die Mehrheit der Griechen nach wie vor den Euro behalten will. Auch der Prozess, der im Falle der griechischen Staatspleite bewältigt werden muss, ist nicht einfach zu bewältigen – weder für den IWF noch für die europäischen Institutionen.
Politisch wäre die Insolvenz Griechenlands ein Desaster für die europäische Gemeinschaft. Gerade in der momentanen Lage, da der russische Präsident Putin mit Macht einen Keil in das europäische Gefüge zu treiben versucht, da die EU an manchen Ecken und Kanten Risse zeigt, würde der Grexit ein fatales Signal setzen – nicht nur hier in Europa, sondern auch in den USA, Japan und anderen Weltregionen, in denen ohnehin die politische Kraft der Europäer nicht allzu hoch im Kurs steht. Zudem ist Griechenland ein NATO-Partner, dem angesichts des unberechenbaren Treibens der türkischen Führung an der Südost-Flanke eher größere denn kleinere Bedeutung beigemessen wird.
Ebenso dürfen die politischen Wirkungen des Grexits auf andere Euro-Staaten nicht unterschätzt werden – vor allem auf jene, die mit gewaltigen Anstrengungen in der jüngsten Zeit Wege aus der Schuldenkrise beschritten haben. Das gilt für Spanien, Portugal und andere Euro-Staaten, in denen radikale Parteien sich schon aufgemacht haben, um bei den nächsten Wahlen den Sanierern ihrer Länder das Licht auszublasen; die schmerzhaften Opfer, die die Menschen dort dafür zu erbringen hatten, eignen sich als populistische Munition.
Selbst für Griechenland wären ein Ausstieg aus dem Euro und die Einführung einer nationalen Währung, etwa der Neo-Drachme, kaum Mittel zur wirtschaftlichen Genesung. Eine drastische Abwertung müsste zum Beispiel von einer noch härteren Austerity-Politik begleitet werden, um überhaupt gewisse positive Wirkungen zu haben und die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte zu steigern. Ohne Reformen, niedrige Lohnkosten, effizientere Verwaltung usw. bliebe eine solche Operation nahezu erfolglos. Andererseits würde eine kräftige Abwertung der eigenen Währung zu einer sprunghaften Verteuerung der Importe führen und die Verbraucherpreise in die Höhe treiben.
Da die Finanzierung für das Land schwer bis unmöglich würde, wäre das das Aus für neue Investitionen und damit kaum förderlich für mehr Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. All das sollte kurz vor der Stunde der Wahrheit gut bedacht werden. Noch bleiben einige Minuten, um in Athen zur Besinnung zu kommen und eine Lösung der Vernunft zu erreichen.
Bildquelle: Wikipedia, Lorenzo Gaudenzi – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0