Es ist ein tragischer Fall und mit nichts zu entschuldigen: Eine 19jährige Studentin wird in Freiburg getötet, ermordet mutmaßlich von einem afghanischen Flüchtling, der festgenommen wurde. Die Eltern der Toten rufen in einer Todesanzeige zu Spenden für die Studenteninitiative „Weitblick“ auf, für die die Studentin gearbeitet hatte, in der Flüchtlingshilfe, aber nicht nur. Die Folge: Beispiellose Hetze und Hass gegen „Weitblick“, Hetze und Hass gegen Flüchtlinge und alle die, die Flüchtlingen helfen.
Der Fußball-Trainer des Bundesligisten SC Freiburg, Christian Streich, ist vom Tod der Studentin und dem Hass im Netz derart betroffen, dass ihn das Spiel auf dem Rasen gegen Darmstadt nur noch am Rande interessierte. Er hat als Freiburger, der die Stadt und die Bürger kennt, eine Stimmung gegen Flüchtlinge ausgemacht, die ihn erschreckt. „Maul aufmachen gegen Rassisten“, dazu haben die Ultras des Vereins in einem Transparent aufgerufen. Streich hat eine „Generalverurteilung“ durch Menschen ausgemacht, die man kennt in dieser kleinen, sehr schönen Universitäts-Stadt. Streich wörtlich: „Mir wurde mitgeteilt, dass ein Mensch aus der AfD den Vater der Maria, der dieses Furchtbare erleben musste, als pathologisch bezeichnet, weil der vor dieser Tat Flüchtlinge unterstützt hat. Dass jemand in diesem Land jemanden, der so etwas erleben musste, noch verhöhnen darf- da sehen Sie, was los ist.“ Nachzulesen in der SZ vom Montag, 12. Dezember im Sportteil, ergänzend dazu ein Interview mit dem Gründer des Freiburger „Weitblick“, Andreas Pletziger auf der Seite Panorama der SZ.
Aufstand der Anständigen
Wo sind wir gelandet? fragen sich dieser Tage viele Deutsche angesichts der zunehmenden Verrohung im Netz, aber nicht nur dort. Wo führt das hin? Es ist keine Seltenheit mehr, dass sich die Leute mit Namen melden, dass sie ihre Wut unter ihrem richtigen Namen herausbrüllen, ihren Hass gegen alles Fremde und alle Fremden. Vor vielen Jahren-am 9. November 1992- hatte die Kölner Band „BAP“ mit ihrem Frontmann Wolfgang Niedecken dazu aufgerufen: „Asch hu- Zäng ussenander.“ Hunderttausende protestierten gegen Rassismus und Neonazis. Ein paar Jahre später hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, zu einem „Aufstand der Anständigen“ aufgerufen. Vor ein paar Monaten hatte die Fernseh-Journalistin Anja Reschke Ähnliches gefordert: Hetze gegen Flüchtlinge müsse öffentlich verurteilt werden. Die NDR-Journalistin warb für eine tolerante Gesellschaft. Sie erfuhr viel Solidarität, aber hörte auch ungeheuren Hass.
Maul aufmachen gegen Rassisten, Asch hu- Zäng ussenander, Aufstand der Anständigen. Warum werden üble Beleidigungen nicht weiter verfolgt, warum wird niemand belangt und bestraft, wenn er einen anderen bedroht, beschimpft, wenn er Lügen verbreitet? Die Grünen-Politikerin Renate Künast, selber Juristin, geht nun per Strafanzeige gegen eine Falschmeldung auf „Facebook“ vor. Im Zusammenhang mit dem Mord in Freiburg war ein Foto der Grünen und einem Satz verbreitet worden: „Der traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen.“ Als angebliche Quelle dieses Zitats wird die Süddeutsche Zeitung genannt, wogegen die SZ-Redaktion rechtlich vorgeht. Einer der ersten Verbreiter soll ein Schweizer Rechtsaußen-Populist sein. Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sagte Künast, sie wolle erreichen, dass sogenannte Fake-News künftig sofort nach Meldung gelöst werden.
Quelle: SZ, Montag, 12. 12. Politik, Sport, Panorama.