Es gibt mehr als gute Gründe, sich gegen den Fünf-Punkte-Plan von CDU-Chef Friedrich Merz zur Migrationspolitik zu stellen. Als „Mini-Trump“ verkündete er, er werde vom ersten Tag seiner – ja möglichen – Kanzlerschaft an die deutschen Grenzen dicht machen. Dass das, was er da vorhat, gegen das deutsche Grundgesetz und europäische Gesetze verstößt, scheint den erzkonservativen Kanzlerkandidaten in seinem Furor nach den schrecklichen Morden von Aschaffenburg nicht zu stören.
Zu diesem Zweck will Merz noch in dieser Woche ein Gesetz in den Bundestag einbringen. Allein schon dieser Vorstoß, der auch aus der rechtsradikalen Ecke stammen könnte, wäre jeden Widerstand wert. Grüne und SPD dürfen dem niemals zustimmen.
Allein: Darum geht es hier nicht, so schrecklich diese Politik auch sein mag. Es geht um den Schulterschluss von CDU/CSU mit der AfD, den Merz hier bewusst plant. Denn die Union ist für eine Mehrheit im Parlament auf die Stimmen der AfD angewiesen. Seinen Schwur, niemals mit der rechtsextremen Partei zusammenzuarbeiten, hat er schon jetzt gebrochen. Merz will sein Vorhaben kurz vor der Wahl mit allen Mitteln durchbringen – auch wenn das nur mit den Stimmen von Faschisten möglich ist. Wenn das keine Zusammenarbeit ist – was dann?
Das Tabu ist gebrochen. Gebrochen von Friedrich Merz.
Ich habe der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik von Merz immer extrem kritisch gegenüber gestanden. Das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit. Ich habe aber den knallharten Ansagen des Sauerländers in Richtung AfD bislang vertraut. Noch vor kurzem machte er sein „Schicksal als Parteivorsitzender“ von der weiteren Existenz der Brandmauer gegen die Rechtsextremisten abhängig. Und stellte sich damit gegen diejenigen in der Union, die diese Brandmauer schon lange in Frage stellten. Und ich dachte: Hut ab, Herr Merz, da spricht ein Demokrat – wenn auch ein erzkonservativer.
Und nun reißt Merz selbst diese Mauer ein. Welch ein übler Wortbruch, welch eine Enttäuschung auch für all diejenigen, die über alle politischen Gräben hinweg dem fast heiligen Versprechen eines Konservativen vertraut haben. Um in den braun-trüben Gewässern der AfD-Wählerschaft zu fischen, scheint Merz nun jedes Mittel Recht. Auch das schändlichste. „How dare you?“ – „Wie kannst du es wagen?“ möchte man dem CDU-Chef entgegenschleudern.
Herr Merz, dass ist ein Verrat an der Gemeinsamkeit der Demokraten. Es ist ein Verrat an dem Versprechen „Nie wieder“ – und das ausgerechnet in der Woche, wo die ganze Welt der Auschwitz-Befreiung vor 80 Jahren gedachte.
Warum nur gibt es bislang keinen „Aufstand der Anständigen“ in der Union? Ja, die gibt es noch. Wo bleibt der Aufschrei von NRW-CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der die AfD wiederholt als „Nazi-Partei“ bezeichnet hat? Wollen Sie dem Treiben des rasenden Merz tatenlos zuschauen, obwohl es Ihnen sein müsste? Nur weil Wahlkampf ist? Immerhin hat Schleswig-Holsteins liberaler CDU-Ministerpräsident Daniel Günther angekündigt, im Bundesrat gegen den Merz-Coup zu stimmen. Doch dann – nach der Abstimmung im Bundestag – ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Nein, die Sicherheit in Deutschland wird nicht profitieren, wenn sich Merz im Bundestag mit den Stimmen der AfD durchsetzt. Profitieren werden allein die Rechtsextremisten, die dem Treiben von Merz schon jetzt feixend bis wohlwollend zuschauen. Sie können ihr Glück kaum fassen. Ihr Ziel einer schwarz-braunen Koalition rückt näher. Österreich lässt grüßen.
Dahin darf es nicht kommen!
An die Anständigen in der Union: Zeigen Sie Mut, verraten Sie nicht die Demokratie! Fallen Sie Merz in den Arm! Machen Sie ihm die Dimension seines Tabubruchs deutlich! Die Geschichte wird es Ihnen danken. Die Konservativen dürfen nicht wieder zum Steigbügelhalter der Rechtsextremisten werden! Nie wieder!
Und an Herrn Merz: Kehren Sie um! Noch ist es nicht zu spät.
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