Fast drei Viertel der Deutschen empfinden die sozialen Unterschiede in diesem Land als ungerecht. Das geht aus einer fundierten Umfrage hervor, über die ich gerade bei t-online gelesen habe. Der Wohlstand ist, das wissen wir seit langem, ungleich verteilt, die Reichen, besser noch die Superreichen werden immer reicher, während das Gros der Bevölkerung quasi leer ausgeht und mit den steigenden Lasten kaum noch zu Rande kommt. Gefordert wird eine Vermögensteuer, die die Superreichen zu entrichten haben und von der der gewöhnliche Arbeitnehmer verschont bliebe. Ich würde mir zusätzlich eine Reform der Erbschaftssteuer wünschen, die die Superreichen stärker zur Kasse bittet. Es geht, um das klarzustellen, nicht um unser Oma ihr klein Häuschen. Entlastungspakete in Höhe von vielen Milliarden Euro sind das eine, sie zielgenauer zu schnüren das andere.
Nun wird von bestimmter Seite bewusst, füge ich hinzu, bei derlei Forderungen immer sofort gegengehalten, das mit der Vermögensteuer sei verfassungswidrig. Was aber falsch ist, die Vermögensteuer steht sogar im Grundgesetz, sie wurde zur Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl(CDU) 1997 nur ausgesetzt. Wer meiner Darstellung aber nicht glauben mag, für den sei aus einem Kommentar auf der Wirtschaftsseite der SZ vom Wochenende zitiert: Da schreibt Claus Hulverscheidt, „verfassungswidrig war damals nur, dass Immobilienbesitz sehr viel nachsichtiger besteuert wurde als etwa Aktienvermögen“. Und zum weiteren Argument, das Gegner der Vermögensteuer einwenden, die zur Erhebung dieser Steuer nötigen Verwaltungskosten- Häuser, Autos, Gemälde, Schmuck usw.- seien zu hoch, weist der SZ-Autor auf Angaben des Steuerexperten Stefan Bach hin: bei Einführung einer „Superreichensteuer auf Vermögen ab 20 Millionen Euro seien 25000 Menschen im Land betroffen, was zu Kosten in Höhe von 750 Millionen Euro führen würde. Bevor jetzt Kritiker sich bestätigt fühlen, sollten sie weiterlesen, dann erfahren sie, dass diese Steuer staatliche Mehreinnahmen von 9,5 Milliarden Euro ergäben. Kein Pappenstiel.
Ich kann mich gut erinnern, dass Gegner der Vermögensteuer darauf verweisen, eine solche Erhebung sei doch gar nicht möglich, weil das Geld angelegt sei, eben in Aktien, in Immobilien, Gemälden, wertvollen alten Autos, Schmuck, Gold und was man sich sonst so vorstellen mag. Und wer daran gehe, gefährde den Bestand der Firmen und natürlich der Arbeitsplätze. Die Diskussion ist alt und wird mit den Jahren nicht besser. Auch hier sei auf den SZ-Kommentar verwiesen, wo es heißt, man könnte auch auf Alternativen zurückgreifen, wie eine höhere Grundsteuer auf Luxusimmobilien, oder eine höhere Kapitalertragssteuer, eine Vermögenszusatzsteuer, wie sie US-Präsident Joe Biden ins Spiel gebracht hat. Biden ist gewiss kein Kommunist oder ein irgendwie gearteter Linker, der nur eins im Sinn habe, den Reichen ins Portemonnaie zu greifen. Es gibt also Wege, man muss nur wollen.
Millionen sind arm im reichen Land
Der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich gern auf Willy Brandt beruft wie viele Sozialdemokraten das zu Recht gern tun, muss diesen Streit mit der FDP führen, die sich als Hüterin des Vermögens der Superreichen geriert. Notfalls öffentlich, angeführt und unterstützt von SPD-Parteichef Lars Klingbeil. Willy Brandt hat des Öfteren gefordert, die starken Schultern müssten mehr tragen, mehr belastet werden, weil sie es können, weil sie unter der zusätzlichen Steuerlast nicht zusammenbrechen, wie einige den Anschein erwecken, wenn man das Thema anspricht. Es ist Zeit, Herr Scholz, für eine solche Politik, die die immer größer werdende Ungerechtigkeit und Ungleichheit in der Republik angeht und korrigiert. Es ist Zeit, die nötigen Entlastungspakete gezielter zu schnüren, damit die niederen Einkünfte besser gefördert werden können. Es sind nicht alle Rentnerinnen und Rentner, denen geholfen werden muss, sondern allein jenen Rentnerinnen und Rentnern, die heute schon kaum über die Runden kommen. Und die das teure Benzin, die drohende Gasumlage, die teuren Lebensmittel, die teuren Mieten nicht bezahlen können. Es sind viele der alleinerziehenden Mütter, Herr Bundeskanzler, denen geholfen werden muss durch direkte Zahlungen. Es gibt Armut in diesem reichen Land, Millionen sind davon betroffen und weiteren Millionen droht ein solches Schicksal.
Die Superreichen, das müssen nicht die Chefärzte sein, die durch höhere Gehälter gut bis sehr gut verdienen und sich den Porsche und eine Villa in bester Lage kaufen können. Die Superreichen, das sind zum Beispiel Stefan Quandt und Susanne Klatten von BMW, die Besitzer von Lidl und Kaufland(Schwarz), Aldi Nord und Süd (Albrecht), der Schraubenhersteller Würth, der Logistik-Unternehmer und HSV-Fan Klaus-Michael Kühne, die Aktien haben und/oder reich geerbt haben. Diese Vermögen werden in einem Bericht des „Handelsblatts“ mit zwischen 15,6 Milliarden Dollar und 44 Milliarden Dollar beziffert. Kühne soll sein Vermögen binnen eines Jahre um 17,6 auf 39,9 Milliarden Dollar gesteigert haben. Die SZ zitiert aus Untersuchungen der Bundesbank, man könnte auch die Hans-Böckler-Stiftung zu Rate ziehen, die auf ähnliche Ergebnisse der Vermögensungleichheit in Deutschland kommt. Demnach standen dem reichsten Tausendstel der Bevölkerung im Durchschnitt 35 Millionen zur Verfügung, während das Nettovermögen des zur Miete wohnenden deutschen Haushalts kaum auf 10000 Euro kommt. Es ist wirklich haarsträubend.
Je nach Untersuchung gab es schon 2012 in Deutschland 55 Milliardäre und Multimillionäre mit deutscher Staatsangehörigkeit. (US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“) Anders gerechnet gehören dem vermögendsten Prozent der Deutschen mehr als ein Drittel des gesamten Vermögens. Dabei bleibe vieles im Dunklen, heißt es, das wahre Vermögen sei viel höher, nach Schätzungen um zwei bis drei Billionen US-Dollar.
Vermögen weniger wächst rasant an
Die Energiewende kostet Milliarden, für die Sanierung der Bundeswehr hat der Kanzler 100 Milliarden Euro angekündigt, die hart arbeitenden Frauen und Männer in Pflegeberufen sollen endlich besser bezahlt und gesellschaftlich entsprechend ihrer Leistung anerkannt werden, der Krieg Russlands gegen die Ukraine verschlingt Milliarden, es gibt unzählige Aufgaben, die zu schultern sind und die den Staat belasten werden. Man denke an die marode Infrastruktur, die Bahn, die Schulen, die Schwimmbäder. Es ist ein Armutszeugnis, wenn man hört, dass in vielen Schulklassen kleine Kinder nicht schwimmen können. Klar, wo sollen sie es lernen, wenn die öffentlichen Schwimmbäder geschlossen sind, weil undicht, anderweitig beschädigt. Es wurde jahrelang auf Verschleiß gearbeitet, kaum gewartet, wenig repariert. Jetzt haben wir vielfach einen Schlamassel. Der Ruf nach dem Staat wird laut. Aber der Staat, das sind wir, dazu gehören auch die Superreichen und dazu gehören auch die Drei Viertel der Deutschen, die der Meinung sind, es ginge ungerecht zu im Lande, die Schere zwischen Reich und Arm gehe immer weiter auseinander und mit jeder Krise wachse das Vermögen der Wenigen zu Lasten der Vielen.
Es ist keine Frage von Neid, um das Thema Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu diskutieren. Olaf Scholz sollte sich seiner eigenen Worte erinnern und seine Politik danach ausrichten. Es geht darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten, zu verhindern, dass sie auseinanderbricht, wie rechte Kreise und andere Feinde unserer demokratischen Gesellschaft das wünschen, sie zündeln und wollen den Protest auf die Straße tragen. Wir müssten uns unterhaken, hat der Kanzler gesagt. Er hat Recht. Es geht am Ende um mehr Gerechtigkeit in diesem Land. Drei Viertel der Deutschen sehen das so, das ist die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler.