Im Jahr 2013 erschien im Heyne Verlag ein kleines, 143 Seiten dünnes Buch mit dem Titel „Typisch Helmut Schmidt“ – Neue kleine Geschichten über einen großen Mann. Es ist keine Biografie, die der Journalist Jost Kaiser geschrieben hat. Vielmehr ist es eine Sammlung von Miniaturen über einen großen Staatsschauspieler, als den sich Schmidt einmal selbst bezeichnet hat. Es sind unterhaltsame Geschichten über einen Politiker, der der großen Mehrheit in diesem Land immer ernst, streng, unnahbar erschien. Drei Jahre später hat jetzt Thomas Karlauf eine Biografie über Schmidt in den Jahren 1982 bis 2015 vorgelegt im Siedler Verlag und 560 Seiten stark.
Die SPD und ihr Kanzler Helmut Schmidt. Kanzler Schmidt und seine SPD. Allein diesen beiden Sätze wären ein Buch wert, wenn es nicht schon geschrieben wäre von Gunter Hofmann „Willy Brandt und Helmut Schmidt – Geschichte einer schwierigen Freundschaft“ (C. H. Beck, 2012). Thomas Karlauf hat Hofmanns Buch gelesen und ist darüber hinausgegangen nach dem Studium der Schmidtschen Archive, die der Altkanzler unbeschränkt für den Autor öffnete. Und der hat die Biografie von Helmut Schmidt vervollständigt, in dem er auf dessen 33 Lebensjahre und die deutsche Geschichte schaut, die in der Bundesrepublik mit seinem Ausscheiden aus dem Amt beginnen und in einem sich ächzend vereinigenden Deutschland enden.
Herausgekommen ist ein spannendes, gut geschriebenes Buch über einen Mann, der, je älter er wurde, und der, je länger seine Amtszeit zurück lag, in der Bevölkerung immer beliebter geworden ist. Das war bei Adenauer nicht so. Erhard und Kiesinger waren Randfiguren. Bei Kohl ist das auch nicht so. Bei Brandt war es ähnlich. Die SPD und ihre Kanzler. Karlaufs Werk ist im Willy-Brandt- Haus in der vergangenen Woche vorgestellt worden von Gerhard Schröder, dem dritten Kanzler im Bunde. Im Beisein eines gescheiterten Kanzlerkandidaten Per Steinbrück, von dem Helmut Schmidt 2011 bei Günter Jauch gesagt hatte: „Er ist einer von denen, die wissen, worüber sie reden. Er kann es.“
Steinbrück hat zu Schmidt aufgeblickt und aus dessen Sicht sind der und Schröder junge Leute gewesen, die der zunehmend schwächer und kantiger werdende alte Herr für gute Politiker hielt, von denen es aus seiner Sicht ohnehin nur sehr wenige gab, auch in seiner SPD. Steinbrück hat sich in der vergangenen Woche aus dem Bundestag und der Politik hin zu einem Bankunternehmen verabschiedet. Bei Gerhard Schröder ist es nach seinen eigenen Worten so: „Meine Resozialisierung in der SPD schreitet voran.“ Allgemeine Heiterkeit im Saal. Die Partei allerdings ist in einer schlechten Stimmung angesichts schlimmer Wahlergebnis wie zuletzt in Berlin und gruseliger Umfragewerte.
Auch insofern ist nicht nur der Zeitpunkt der Vorstellung von Thomas Karlaufs Buch interessant, es ist vor allem dessen Lektüre. Sie gewährt einen konzentrierten und sehr genauen Einblick in mehr als drei Jahrzehnte deutscher Politik entlang eines Mannes, der in einer fernen Vergangenheit geboren worden war und mit dessen Tod eine Ära zu Ende gegangen ist. Die Frage allerdings, wer nun seine Partei in eine Zeit führen soll und vor allem kann, bleibt allerdings weiter unbeantwortet.
Thomas Karlauf: Helmut Schmidt. Die späten Jahre. Siedler-Verlag. 560 Seiten. 2016. 26.99 Euro