In wenigen Tagen jährt sich der Todestag von Helmut Kohl. 16 Jahre -von 1982 bis 1998- war er der Bundeskanzler unserer Republik. Gemeinsam mit seinem Freund Francois Mitterrand, dem sozialistischen Präsidenten Frankreichs, erweckte er die Europäische Gemeinschaft aus der Euro-Sklerose. Gemeinsam schufen sie den europäischen Binnenmarkt und das Euro-Währungssystem. Als 1989 Menschen aus der DDR Mauer und Stacheldraht und damit den Eisernen Vorhang niederrissen, ergriff Helmut Kohl die Chance, Deutschland West und Ost nach jahrzehntelanger Trennung wieder zu vereinen. Als großer Europäer und vor allem als Kanzler der Einheit hat er Geschichte geschrieben. Doch mit seiner Spenden-Affäre hat er die historischen Dimensionen seines politischen Handelns selbst beschattet.
Schwieriges politisches Erbe
Seine Partei, die er zu vielen Erfolgen geführt hat, erkannte ihm schließlich den Rang des CDU-Ehrenvorsitzenden ab. Inzwischen tun sich viele Christdemokraten mit dem politischen Erbe Kohls recht schwer. Selbst bei den Feiern zum Tag der Deutschen Einheit wird sein Name kaum noch erwähnt. Angela Merkel, die Kohl nach der Bundestagswahl 1990 als Ministerin für Frauen und Jugend in seine Regierung berief, hat mit ihrem Mut und Engagement die CDU gerettet, indem sie die Partei aus den Fängen Kohls löste und einen eigenen Kurs vorgab: Seit dem Jahre 2000 ist sie die Bundesvorsitzende, seit 2005 die Bundeskanzlerin. In den konservativen Kreisen der Union -etwa im Berliner Kreis- wird ihre Politik hin und wieder an den Taten der Kohl-Ära gemessen und kritisch betrachtet. Nach seinem Abgang von der großen Politbühne hatte Helmut Kohl Merkels Aktionen in der Partei und Regierung nicht gerade mit Wohlwollen begleitet. Die Errichtung einer Helmut Kohl-Stiftung wird von einstigen engen Gefolgsleuten angestrebt, zumal es schon für fast alle bisherigen Kanzler so etwas gibt; doch das Projekt liegt auf Eis, weil sich offenbar die CDU-Spitze nicht allzu stark dafür einsetzt.
Eine schwierige letzte Lebensetappe
Wenig glücklich verliefen die letzten Lebensjahre des großen Staatsmannes aus der Pfalz. Seine erste Frau Hannelore nahm sich das Leben. 2008 heiratete er die 34 Jahre jüngere Maike Richter; kurz vor seiner Hochzeit war Kohl schwer gestürzt. Sie pflegte Kohl in bewundernswerter Weise – vor allem auch in der Zeit, da er im Rollstuhl saß. Für sie war er das große Idol. Sie wollte ihn nur für sich haben und strebte wohl auch die Deutungshoheit über sein Leben und Wirken an. Zu der Vermählung von Helmut Kohl und Maike Richter waren die Söhne Walter und Peter nicht eingeladen worden. Auch zu vielen Freunden und Gefährten ging Maike Kohl-Richter auf Distanz – selbst zu dem Fahrer Ecki Seeber, der seit Jahrzehnten seinen Dienst geleistet hatte. Die familiäre Tragödie wurde offenbar, als Kohls Söhne nicht mehr Zugang zu dem Haus in Oggersheim fanden, wie sie es wünschten.
Harsche Kritik vom Kohl-Sohn Peter
Während Walter Kohl, der mit 55 Jahren ältere der beiden Brüder, den familiären Bruch schon vor dem Tod Helmut Kohls in aller Öffentlichkeit schilderte, meldete sich nun auch der zwei Jahre jüngere Peter in einem breiten Zeit-Interview* zu Wort. Er ist seit 2001 mit einer Türkin verheiratet, lebt mit seiner Familie in London und am Zürichsee, ist unternehmerisch mit der Begleitung von Start-Ups und als Investor aktiv. Peter Kohl ist nicht Mitglied der CDU und hält sich mit Kritik an Angela Merkel nicht zurück: Vor allem erwähnt er die Sozialdemokratisierung der CDU als Grund für das Aufkommen der AfD. Seiner Meinung nach hat die Parteivorsitzende und Kanzlerin wichtige Debatten -„von der Euro-Krise bis hin zum Flüchtlingsthema“- ausgeblendet und damit bei dem konservativen Teil der CDU an Glaubwürdigkeit verloren.
Die lange Kanzlerzeit seines Vaters betrachtet der Sohn „eher als Fluch“, denn die Dauer von 16 Jahren sei auch nicht gut für das Land gewesen. Bei Hofe hätten sich mehr und mehr Jasager gefunden, die Routine sich eingeschliffen, die Fähigkeiten und der Wille zu Veränderungen seien gelähmt worden. Peter Kohl habe 1996 mit seinem Vater hart gestritten, um ihn von einer nochmaligen Kanzler-Kandidatur in 1998 abzubringen.
Maike Kohl-Richter gegen den Rest der Familie
Als Helmut Kohl am 16. Juni 2017 gestorben war, konnte der ältere Bruder Walter „nur mit letzter Mühe ins Elternhaus“ gelangen. Die Enkel durften ihren Opa nicht noch einmal sehen: Sie „wurden kalt erwischt, dass das nicht möglich war“. Peter Kohl musste sich schon 2011 von seinem Vater verabschieden: „Er saß im Wohnzimmer in der Ecke im Rollstuhl, ganz allein, in so einer Art Nachthemd“, so schildert er seinen damaligen Besuch in dem Zeit-Interview. „Ich war mit meiner damals neunjährigen Tochter da, er hat sie auch erkannt, hat sie beim Namen genannt. Und dann sagte er: Jetzt müsst ihr aber gehen, sonst werde ich wieder von Maike gescholten … Nach fünf Minuten waren wir wieder draußen. Danach habe ich meinen Vater nie wieder gesehen.“
Ein weiterer Versuch, den Vater nochmals zum zehnten Todestag von Hannelore Kohl zu besuchen und zum Grab der Mutter zu gehen, scheiterte: Als Walter und Peter zu ihrem Elternhaus kamen, ließ ihnen „Maike Kohl-Richter über die Polizei einen Platzverweis erteilen“. Peter Kohl kommt in seiner Einschätzung zu der harten Aussage: „Mein Vater lebte wie unter Hausarrest … Dieses Haus, das meinem Vater jahrzehntelang Schutz geboten hatte, mit den hohen Mauern und den Polizisten vor der Tür – dieses Haus war für ihn zum Gefängnis geworden.“
Für den ehemaligen Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und den Rechtsanwalt Stephan Holthoff-Pförtner, der inzwischen Minister in der NRW-Regierung ist, stand die Tür in Oggersheim stets offen: Beide sind bis heute enge Berater vor allem von Kohls zweiter Frau Maike.
Das schmucklose Grab in Speyer
Nach dem Trauerakt im Europäischen Parlament in Straßburg und dem Requiem im Dom zu Speyer wurde Helmut Kohl im vorigen Jahr auf einem Friedhof in Speyer beigesetzt. Das Grab mit dem einfachen Holzkreuz und überdacht mit Latten liegt im Schatten einer Kirche am Rande des Adenauer-Parks. Es fehlt Blumenschmuck und wirkt auf den Besucher geradezu unwürdig. An dem Zaun, der sie Grabstätte umgibt, prangt ein Schild, das Besucher darüber informiert, dass sie elektronisch überwacht werden. Sohn Peter hat deshalb das Grab bislang noch nicht besucht – mit der Begründung: „Ich will mich beim Trauern nicht von Videokameras überwachen lassen.“
Geregeltes finanzielles Erbe
Er sieht Helmut Kohl als Opfer, von seinem sozialen Umfeld abgeschnitten, in den letzten Lebensjahren getrennt von seiner Familie und seinen wichtigsten Weggefährten in Hausarrest. Offen spricht Peter Kohl über das materielle Erbe. Aus dem Nachlass der Mutter Hannelore erstritt er nach einer Klage rund 140.000 €. Schließlich gab es noch zu Lebzeiten von Helmut Kohl für ihn und seinen Bruder je 400.000 €, für die beiden Enkel je 100.000 €. Das gesamte Vermögen von Helmut Kohl wird „auf mehr als fünf Millionen € inklusive der Immobilie“ geschätzt; dieses Volumen mag viele überrascht haben. Peter weist deshalb darauf hin: „Maike Kohl-Richter erbt also circa 80 % der Summe. Ich bin froh, dass wird das schon 2016 geklärt haben.“
Ob die Kohl-Witwe im Rechtsstreit gegen den Journalisten und Kohls Ghostwriter Heribert Schwan noch zu einer finanziellen Entschädigung kommen wird, erscheint mehr als unsicher. Das Oberlandesgericht Köln hat die Klage Ende Mai diesen Jahres abgewiesen. Eine Zeitung kommentiert dieses Urteil so: „Die gierige Kohl-Witwe bekommt keinen Cent. Ghostwriter feixt nach Sieg vor Gericht.“ Maike Kohl-Richter prüft derzeit mit ihrem Rechtsbeistand den Schritt zur nächsthöheren Instanz.
Schwelender Streit um die Kohl-Akten
Um die Akten und Unterlagen, die Helmut Kohl hinterließ, wird auch noch gestritten. Es gebe Briefe, in denen „mein Vater allen bis auf seine zweite Frau das Recht auf Einsicht seiner Akten“ entzieht, so Peter Kohl, der jedoch daran zweifelt, ob sein Vater diese Briefe unterzeichnet hat und gar „den Inhalt dieser Briefe so wollte oder überhaupt kannte“. Da es noch weitere von Helmut Kohl unterzeichnete Dokumente gebe, will sein Sohn Peter dies alles gerichtlich überprüfen lassen. Denn er findet: „Alle Akten von Helmut Kohl sollten offengelegt werden beziehungsweise an die Archive gehen. Neben den Stasi-Unterlagen auch alle seine amtlichen Papiere. Es gibt nichts zu verstecken.“
Peter bekundet in seinem Interview seine Absicht, zum ersten Todestag seines Vaters das Grab in Speyer doch zu besuchen. Dort, wo der große CDU-Vorsitzende und Kanzler beerdigt ist und in Frieden ruht. Über dem Grab herrscht indessen wohl weiterhin starker Unfrieden zwischen den Hinterbliebenen der Kohl-Familie, zwischen Maike Kohl-Richter und den beiden Söhnen Walter und Peter.
*Das Interview mit Peter Kohl ist im Zeit-Magazin am 7. Juni 2018 erschienen.
Bildquelle: Blog der Republik, Alfons Pieper