Als der französische Journalist Antoine Leiris am 13. November 2015 seine Frau Helene verlor, die von islamistischen Terroristen bei einem Konzert im Pariser Bataclon ermordet wurde, richtete er einen ergreifenden Appell an seinen kleinen Sohn. Titel: „Meinen Hass bekommt ihr nicht.“ An diesen Satz, der in der ganzen Welt Furore machte, erinnert Michel Friedmans „Brief an meine Söhne“, eines der kurzen Kapitel eines Buches, das an Klarheit in Analyse und Botschaft wieder einmal nichts zu wünschen übrig lässt. „Hasst nicht,“ schreibt Friedman, „niemanden.“
Dabei fällt es dem Autoren schwer, angesichts anschwellender Tendenzen von Antisemitismus und Rassismus in Deutschland Ruhe zu bewahren. Schließlich sind von Übergriffen und Anfeindungen nicht nur viele Menschen jüdischen Glaubens betroffen. Friedman sieht auch Freiheit und Demokratie in diesem Land gefährdet – durch Populisten, Extremisten und Autoritäre. Fast spürt man einen Hauch von Resignation, wenn der Publizist, Moderator und Anwalt feststellt, „wie wenig das Versprechen des ‚Nie wieder‘ gilt“.
Judenhass, so der Befund Friedmans, trifft ja beileibe nicht bloß die Juden überall in der Welt. Er untergräbt die Grundfesten der freiheitlichen Gesellschaften, ihre Toleranz und ihren Gemeinsinn. Erschütternd liest sich, was der Frankfurter Weltbürger inzwischen darüber denkt, wie sicher Juden wie er in Deutschland noch leben können. Man müsse als Jude auch lernen, wann es Zeit sei, das Land zu verlassen, wenn die Gefahren zunehmen: „Wenn Parteien Mehrheiten bekommen, für die der Hass Grundbedingung ist, ist es an der Zeit zu gehen. Nach dem 7. Oktober denken sehr viele, gerade jüngere Menschen darüber mehr nach als je zuvor. Auch ich.“
Michel Friedman, Judenhass, 7.Oktober 2023. Berlin Verlag, Berlin 2024. 80 Seiten. 12,00 Euro.