Politiker brauchen gute Nerven. Vor allem, wenn sie so attackiert, beschimpft werden, wie das zur Zeit die Kanzlerin bei Wahlkampfauftritten im Osten Deutschlands erlebt. Hau ab, verschwinde, das sind glimpfliche Parolen, die man ihr entgegenbrüllt. Schaut man in die Gesichter der Demonstranten, sieht man den Hass, der ihre Proteste begleitet, blinder Hass. Dabei kommt Angela Merkel aus dem Osten, sie lebt in der Uckermark. Aber die Kanzlerin kriegt die Pöbeleien stellvertretend für das ganze Führungspersonal der Berliner Politik ab. Nicht wenige Menschen im Osten und vor allem in der Provinz machen die Kanzlerin für ihr eigenes Scheitern verantwortlich, sehen in ihrer Politik die Gründe dafür, dass sie nicht mehr mitkommen mit der Globalisierung und den Folgen. Dass sie ihre Existenz verloren haben, das hat in den Augen dieser schreienden Menge die Regierungschefin verschuldet.
Pöbeleien dieser Art hat es immer wieder gegeben. Edmund Stoiber wurde vor Jahren mit Eiern beworfen, Schirme schützten den CSU-Politiker. Ähnliches erfuhr sein großes Vorbild im Freistaat, der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, als er als Kanzlerkandidat der Union vergeblich versuchte, Helmut Schmidt das Kanzleramt streitig zu machen. Strauß war ein Politiker, der selber gern austeilte, aneckte, Gegner hart angriff und der oft genug Zielscheibe heftiger Proteste war.
Als Joschka Fischer beschimpft wurde
Jahre später war es der Grünen-Politiker Joschka Fischer, den seine einstigen Anhänger als Kriegstreiber beschimpften, weil die rot-grüne Bundesregierung unter Schröder/Fischer den Krieg der Nato gegen das Regime des Slobodan Milosevic mittrug, um einen Völkermord im Kosovo zu verhindern. Aber diese Proteste hatten eben einen anderen Hintergrund: Deutschland musste, weil es inzwischen größer geworden war und souverän, seine über lange Jahre bequeme Rolle aufgeben und konnte sich nicht länger durch eine geschickte Scheckbuch-Diplomatie freikaufen. Diese pazifistische Politik war zu Ende, leider, aber das war nicht zu verhindern.
Helmut Kohl wurde einst bei einem öffentlichen Auftritt in Halle mit Eiern beworfen. Als er den Täter erkannte, er war ein Jungsozialist, wie sich später herausstellte, rannte er wie wild auf den hinter einem Zaun stehenden Mann zu, um ihn zu greifen, seine Sicherheitsbeamten gingen dazwischen. Selbst der für seine Ruhe und seinen Humor bekannte Johannes Rau, dessen Motto Versöhnen statt Spalten im Mittelpunkt seiner Politik stand, zeigte Verständnis für den Ausraster des Kanzlers Kohl. Er hätte, so räumte Rau ein, dem Eierwerfer, wenn er ihn zu fassen gekriegt hätte, ein paar geschallert.
Auch Steinmeier wurde attackiert
Politiker sind auch Menschen. Man frage den heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, ein friedlicher Zeitgenosse, der für seine überlegten Reden und besonnenen Reaktionen bekannt ist. Der SPD-Politiker, Kanzlerkandidat der Partei nach dem Machtverlust von Gerhard Schröder, dann Außenminister in der Regierung Angela Merkel, wurde bei Auftritten in Berlin wüst beschimpft. Auch damals war die Rede von Kriegstreiberei. Steinmeier reagierte erbost und laut, gar nicht seine Art, aber durchaus verständlich. Auch Politiker müssen sich nicht alles gefallen lassen. Und der Ton und die Inhalte der Proteste, die ihnen entgegendröhnen, sind ja auch oft alles andere als gesellschaftsfähig, sondern oft genug persönlich diffamierend.
Im Fall von Merkel liegen die Dinge wieder etwas anders. Die Demonstranten werfen Merkel vor, dass sie mit ihrer Flüchtlingspolitik mit dafür verantwortlich sei, dass sie ihre Existenz verloren haben, dass sie ohne Job sind, dass ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Weil Merkel die Tausenden und Abertausenden von Flüchtlingen ins Land gelassen, ja teils geholt habe, so argumentieren sie, hätten die ihnen den Arbeitsplatz weggenommen, fänden sie keine Wohnung und ihre Kinder keinen Kita-Platz. Dass diese Flüchtlinge in großer Not waren, dass wir diesen Schutzbedürftigen helfen mussten, aus reiner Menschlichkeit, dass sogar unsere Verfassung das vorschreibt, diese Diskussion spielt bei ihnen keine Rolle. Die AfD hat ihnen diese Argumente gegen die Flüchtlinge geliefert, sie macht Stimmung gegen Muslime.
Die AfD schürt diese Stimmung
Die Stimmung ist aufgeladen, Hass und Verachtung schlagen Merkel entgegen. Es sind ausländerfeindliche Stimmen, die sich in einigen Landstrichen in der ehemaligen DDR nach der Wende oft genug breit gemacht haben. Man darf an Hoyerswerda erinnern, an Rostock-Lichtenhagen, um nur zwei Orte zu nennen. Und man sollte nicht vergessen, wie die Vorfeld-Organisation der AfD, Pegida ihre Proteste gegen die da oben aufzieht und welche Geschmacklosigkeiten es bei diesen Umzügen schon gegeben hat, darunter die Plakate, die Merkel und Gabriel an einem Galgen zeigten. Widerlich.
Die rechtspopulistische AfD setzt auf eine solche Stimmung, einige ihrer führenden Vertreter provozieren sie ja geradezu, man denke an Höcke oder Gauland, der ihm missliebige Politiker am liebsten in Anatolien entsorgen wollte. Als wäre es Müll. Diese Beispiele zeigen, dass die Auseinandersetzung härter werden wird. Und wenn diese AfD in den nächsten Bundestag kommt, womit zu rechnen sein wird, dann wird das Hohe Haus sich gegen verbale Tiefschläge zu wappnen haben. Die Sitten werden rauer.
Bildquelle: pixabay, User cabrasjoan,
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