Man atmet direkt auf, wenn man diese klaren Worte des Vizekanzlers und Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck zu Nahost hört, wenn Habeck feststellt: „Israel hat das Recht sich zu verteidigen, und wir haben die Verpflichtung, Israel beizustehen und dieses Schutzversprechen, das ja aus der Geschichte entwickelt wurde, aufrechtzuerhalten. Das kann man sagen, ohne das Leid im Gazastreifen zu übersehen“. Keine Relativierung, ein Ja, ohne das hier oft übliche Aber. Und der Minister lässt auch keinen Zweifel aufkommen, dass Jeder, der sich straffällig verhält, mit Strafen rechnen muss. Das war lange fällig, zu lange haben wir unser Mitleid geäußert, oft tatenlos zugesehen, was passierte, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden. Das ist hoffentlich nun vorbei, ich hoffe, dass öffentlich zur Schau gestellter Antisemitismus in all seinen hässlichen Formen bekämpft und bestraft wird. Das richtet sich ausdrücklich nicht gegen friedlich in Deutschland lebende Muslime und verharmlost auch nicht das Leid der Palästinenser. Ich füge auch noch einmal hinzu, dass die Hamas eine Terrororganisation ist, die Israel vernichten will.
Es ist ein anderer Habeck, der da spricht, nicht der Wirtschaftsminister, dem vor Monaten das Heizungsgesetz um die Ohren flog und der nicht nur deshalb ziemlich verunsichert durch die politische Arena irrte. Es ist der redegewandte Habeck, der in einer schwierigen Situation das Wort ergreift für die Ampel-Regierung und im Grund auch für den Kanzler, von dem man eine solche Klarstellung früh erwartet hätte, die aber in dieser Form ausblieb. Keine Relativierung der Hilfe für Israel und der Aufrechnung der Gräueltaten der Hamas mit den Opfern als Folge des Militäreinsatzes Israels im Gazastreifen. Und Habeck belässt es nicht dabei, er stellt noch mehr klar: er sorge sich um den zunehmenden islamistischen Antisemitismus. Das Verbrennen israelischer Flaggen sei eine Straftat, das Preisen der Hamas-Taten, wie geschehen in Berlin-Neukölln, auch. Und: „Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.“ Endlich klare Worte an die Adresse der Täter, denen er die Strafen vor Augen führt, die ihnen drohen, und natürlich hat Habeck auch die jüdischen Opfer im Blick, deren Sorgen, deren Ängste, weil sie sich kaum noch trauen, in bestimmten Ecken sich aufzuhalten oder ihre Kinder allein in die Schule zu schicken. Es muss jeden Deutschen beschämen, dass es wieder so weit gekommen ist, dass Deutsche jüdischen Glaubens auf gepackten Koffern sitzen.
Antisemitismus sei „in keiner Gestalt zu tolerieren“, betont der Vizekanzler, dem man plötzlich Kanzler-Format bescheinigt. „Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort“. So ist es. Es brauche auch von den muslimischen Verbänden in Deutschland eine Antwort. Einige hätten sich klar von den Taten der Hamas und vom Antisemitismus distanziert, räumt Habeck ein. „Aber nicht alle, und manche zu zögerlich, und ich finde, insgesamt zu wenige.“ Diese Art des Antisemitismus täusche nicht darüber hinweg, dass es auch einen in Deutschland verfestigten Antisemitismus gebe, auch wenn sich Rechtsextreme aus taktischen Gründen jetzt zurückhielten, um gegen Muslime hetzen zu können. Bestürzt zeigte sich der Grünen-Politiker über den Antisemitismus in Teilen der politischen Linken. Antikolonialismus dürfe nicht in Antisemitismus ausarten. Der Tod und das Leid der Menschen im Gazastreifen sei furchtbar. Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden könne damit jedoch niemals legitimiert werden.
Der frühere CDU-Chef und einstige Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, der gern mit den Grünen regiert hätte, würdigte Habecks Worte. Er habe die „erforderliche, argumentativ stark und gut begründete innen- und außenpolitische Haltung Deutschlands“ geliefert. Das müsse über die Parteigrenzen hinweg gehört und unterstützt werden. Und in Anspielung auf die Enthaltung Deutschland in der UNO meinte Laschet, das klinge nicht nach Enthaltung oder nach „Nicht-nur-eine-Sichtweise“. „Wie kein anderer in der Bundesregierung“ hat Habeck nach dem Urteil der CDU-Vizin, Karin Prien, den richtigen Ton getroffen. Das bescheinigte dem Grünen Minister auch der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Habecks Äußerungen seien in Format und Stil eine Ausnahme. „Ein so klares, und wie ich auch meine, ausgewogenes Statement, das auch die Belange der Palästinenser ausdrücklich erwähnt, habe ich in dieser Form in den letzten Wochen nicht gesehen“, lobte ein sichtlich erleichterter Schuster. Er hoffe, dass das Video, auf dem Habecks Worte zu sehen sind, in andere Sprachen übersetzt werde, damit es auch von Menschen mit Migrationshintergrund, die kein Deutsch könnten, verstanden würde.
Solidarität mit Israel. Deutschland hat eine besondere Verantwortung aus der Geschichte, das Existenzrecht Israels gehört zur Staatsräson der Bundesrepublik. Die frühere Kanzlerin Angela Merkel hat das vor Jahr und Tag betont. Eine Garantie, die Bestand hat in der Politik der Republik, der auch Olaf Scholz zustimmt. Habeck erinnert in seinem Video an die Gründung des Staates Israel nach dem Holocaust, das sei ein Schutzversprechen an die Jüdinnen und Juden gewesen. „Deutschland ist verpflichtet zu helfen, dass dieses Versprechen erfüllt werden kann.“ In den sozialen Netzwerken wird Habeck als potentieller Kanzler gefeiert, seine Art der emotionalen Botschaft hat viele berührt. Ob Scholz nicht so eine Rede an die Nation hätte halten müssen, wird Habeck gefragt kurz vor seinem Abflug nach London. Und natürlich wehrt der Vizekanzler diesen Hieb gegen Scholz gekonnt ab und lobt seinen Chef. Der Kanzler halte „sehr große und einordnende Reden, von seinen Debattenbeiträgen könne es nicht genug geben. Da hat er Recht, aber leider redet Scholz zu wenig. Deshalb noch einmal Habeck und sein das Video einleitender Satz: „Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson.“ Punkt. Nicht als Leerformel verstanden, sondern als Garantie, damit Jüdinnen und Juden bei uns frei und sicher leben können in Deutschland- „fast 80 Jahre nach dem Holocaust.“ Und ich füge hinzu, wenige Tage vor dem 9. November. An diesem Tag 1938 fand die Reichs-Pogromnacht statt, im Nazi-Jargon Reichskristallnacht. Da ließ Goebbels Synagogen in Brand stecken und jüdische Geschäfte plündern, wurden Juden verprügelt, ermordet, in Konzentrationslager geschleppt. Und viele Deutsche schauten tatenlos zu, einige applaudierten, andere drehten sich um und gingen ihrer Wege.
Nie wieder! Hoffentlich.
Bildquelle: Robert Habeck 2016, Copyright Dennis Williamson, www.williamson-foto.de