Artikel 5 des Grundgesetzes gehört zu den nach der „Menschenwürde“ am meisten zitierten Artikeln unserer Verfassung. Ein hohes Gut, aber oft im Zentrum erbitterter Auseinandersetzungen. Außerdem wird oft übersehen, dass in Art. 5, Abs.3 auch die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre garantiert wird.
Zur Erinnerung der Artikel 5 im Wortlaut:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Die „Aufgeregtheit“ unserer Gesellschaft hat nicht nur mit den Krisen der letzten Jahre zu tun, sondern auch mit neuen Technologien, die es einfacher machen mit Menschen außerhalb seines direkten (analogen) sozialen Umfeld in Kontakt zu treten, sich jenseits traditioneller Organisationsform zusammenzufinden und neue Formen der Artikulation und Kommunikation von Interessen zu nutzen. Das klingt erst einmal hoffnungsvoll für unsere Vorstellung von Demokratie, von Gestaltung und Teilhabe in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Allerdings haben uns die letzten Jahre auch gezeigt, wie dominant dadurch Hetze und Hass in den Alltag der politischen Kommunikation eingezogen sind. Die Radikalisierung der AfD und anderer rechtsextremer Gruppierungen von Pegida bis zu Reichsbürgern haben in Politik und Gesellschaft tiefe Gräben gezogen und stellen eine manifeste Bedrohung unserer Demokratie dar.
Traditionell galt der Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland als ein wichtiger Grundpfeiler der Demokratie, da er im Wesentlichen die Meinungsfreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung und Presse garantiert. Diese Freiheiten sind grundlegend für eine funktionierende Demokratie, insbesondere im Kontext politischer Wahlen. Im Hinblick auf Wahlwerbung bedeutet dies zum Beispiel, dass politische Parteien und Kandidaten das Recht haben, ihre politischen Ansichten und Programme öffentlich zu vertreten und zu bewerben. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht als Hüter*in unserer Verfassung in ganz wesentlichen Grundsatzurteilen – oft auch zum Unmut der Regierenden – festgeschrieben.
Wie zerbrechlich dieser Grundpfeiler sind wurde uns gerade vor diesem Wochenende vor Augen geführt als Kandidaten zur Europawahl und Wahlkampfhelfer von gewalttätigen Rechtsextremisten- und nach ersten Bekundungen vermutlich AfD-Anhängern – verprügelt und krankenhausreif geschlagen wurden. Vertreter demokratischer Parteien wurden in der Öffentlichkeit beleidigt, bedroht und verletzt. Das ist in dieser Massivität neu und zeugt davon, wie sicher sich die Rechtsextremisten fühlen und ungeniert zeigen, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft verändern wird, wenn man dieser furchtbaren Entwicklung, die uns die AfD beschert hat, nicht stoppt.
Die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind Voraussetzungen für die politische Kommunikation für eine funktionierende Demokratie. Während wir uns in der Geschichte der Bundesrepublik bisher damit beschäftigt haben, wie staatliche Maßnahmen und Eingriffe im Einklang mit diesen Grundsätzen stehen, sehen wir uns nun der Herausforderung gegenüber, wie wir die Demokratie gegen die immer radikalere und gewaltbereite AfD und ihre rechtsextremistischen Verbündeten schützen können. Die demokratischen Kräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen aufstehen und „Gesicht“ zeigen.
Vor allem auch die Medien sind deutlich gefordert, um ihrem Anspruch der „4. Gewalt“ gerecht zu werden. Seit Jahren suchen die öffentlich-rechtlichen Medien nach der richtigen Strategie im Umgang mit der AfD, bislang wenig überzeugend. Und die privaten meinungsbildenden Medien schwanken zwischen Naivität oder ökonomisch getriebener Opportunität. Gerade der Springer Verlag zeigt uns in seien Gazetten täglich, dass es einträglich ist, den Rechtsextremisten eine Plattform zu bieten. Ihre Kommentarbereiche sind Brutzellen des Hasses und der Hetze.
Es liegt nicht allein an den digitalen Plattformen wie X oder Telegram (um nur zwei zu nennen), in denen die Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker ihre Heimat gefunden haben. Die Politik war lange mit den „neuen Technologien“ (Neuland) überfordert, aber das erklärt nicht allein, warum die Demokratie im Moment vor der größten Herausforderung der Nachkriegsgeschichte steht.
Auch die aktuelle Bundesregierung verspielt Vertrauen in die Eckpfeiler der Demokratie, wenn aus Angst vor politischen Konfrontationen z.B. ausgewiesenen Demokraten wie Yanis Varoufakis, den ehemaligen Finanzminister von Griechenland, ein Einreise- und Sprechverbot in Deutschland erteilt werden. Auch wenn es sich um eine umstrittene Veranstaltung gehandelt hat. Aber solche radikalen Eingriffe gegen unstrittig gewaltfreie, demokratische Akteure untergraben das Vertrauen in Staat und Verfassung. Das können wir uns nicht leisten. Gerade jetzt nicht!