Die SPD könnte es sich leicht machen und als Fazit der Kommunalwahl betonen, dass es hätte schlimmer kommen können. Doch diesen Fehler sollte sie tunlichst vermeiden. Denn das Ergebnis vom Sonntag mit 130 Entscheidungen war auch eine Klatsche für die Sozialdemokratie. Zum Ergebnis gehört schließlich auch die Wahl der ersten Runde, bei der die Genossen ihre alte Hochburg Essen haushoch an die CDU verloren. Jetzt in der Stichwahl konnte die SPD Oberhausen nicht zurückholen und musste auch die Niederlage in Mülheim hinnehmen.
Und noch etwas müsste den Sozialdemokraten zu denken geben: die Grünen schielen eindeutig auf ein Bündnis mit der Union, Rot-Grün, das war gestern und Rot-Rot-Grün werden die Grünen nicht machen, zumal ihnen ein Bündnis mit CDU und CSU eindeutiger erscheint. Die Grünen wollen regieren, wollen ran an die Fleischtöpfe im Bund. Und später auch im Land NRW, Baden-Württemberg hat es vorgemacht. Dort stellen sie mit Kretschmann den Ministerpräsidenten. Die SPD muss künftig auf sich schauen, so schwer das fällt bei den aktuellen Umfragewerten.
Das gilt im übrigen auch für die Union, die Federn lassen könnte zugunsten der Grünen. Siehe Baden-Württemberg, das 58 Jahre von der CDU regiert wurde und heute ergrüntes Land ist mit einem Grünen als Regierungschef. Überhaupt die Diskussion Schwarz-Grün: Sie dürfte nicht jedem CDU-Sympathisanten gefallen, der eine oder andere sieht in den Grünen immer noch den eigentlichen politischen Gegner, mancher bekommt Schnappatmung angesichts eines Bündnisses mit Robert Habeck und Co. Und hat nicht Markus Söder in Bayern ein Bündnis mit den Freien Wählern einem mit den Grünen vorgezogen?
Es gibt auch Hoffnung für die älteste deutsche Partei, die SPD: Dortmund wurde gehalten, Thomas Westphal gewann trotz der Wahlempfehlung der Grünen für den CDU-Kandidaten Andreas Hollstein, ein Import aus dem Sauerland. Dass die Grünen ausgerechnet in der Herzkammer der SPD, wo die Genossen seit dem Krieg ohne Unterbrechung regieren, eine Wahl-Empfehlung für den CDU-Mann abgaben, empfanden nicht wenige Sozialdemokraten schon als Affront. Diese Geste pro Union sagt mehr aus als vieles andere. Dass die SPD in Dortmund gewonnen hat und weiter den OB stellt, kommt einer kleinen Sensation gleich. Und zeigt zugleich: Es geht, man kann noch gewinnen als Sozialdemokrat, wenn man die Kräfte bündelt, wenn man präsent ist, sich kümmert, die Sorgen der Menschen ernstnimmt, bodenständig und modern ist, auf dem Laufenden. Der neue Mann im Rathaus Westphal – der alte OB Ulrich Sierau ging freiwillig in Pension-kann nicht alles falsch gemacht haben im Wahlkampf.
Besenstil reicht nicht mehr
Die Zeiten im Ruhrgebiet sind vorbei, da man einen Besenstil gewählt hätte, wenn darauf der Name SPD gestanden wäre. Essen ist verloren, das ist mehr als ein Denkzettel für den Fraktionschef der SPD im Landtag, Thomas Kutschaty, den nicht wenige drängen, auch den Landesvorsitz der SPD anzustreben. Was auch damit zusammenhängt, dass Amtsinhaber Sebastian Hartmann ein ziemlich schwacher Parteichef in NRW ist. Er wäre gut beraten, freiwillig den Hut zu nehmen, bevor man ihn stürzt. Er hat kein Gewicht in der Politik, er sollte sich auf sein Bundestagsmandat in Berlin konzentrieren.
Aber Kutschaty als SPD-Landeschef? Ein Mann, der seit vielen Jahren Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Essen ist und zumindest die politische Verantwortung für den desaströsen Zustand der Essener SPD mittragen muss. Eine SPD, die zu Zeiten von Heinz Kühn und Johannes Rau eine beherrschende Rolle in NRW gespielt hat, die aber jetzt an Rhein und Ruhr nicht mehr präsent ist. Ich kann es noch zuspitzen: Die Spitze der SPD in NRW gibt es praktisch nicht, sie ist wie eine Leerstelle. Und die soll von Kutschaty besetzt werden? Kritiker werfen zudem gegen Kutschaty den Fall des Sozialrichters Jan Robert von Renesse ein, der vor Jahr und Tag Holocaust-Überlebenden Renten zuerkennen wollte und vom damaligen NRW-Justizminister Kutschaty gestoppt wurde. Und das in der Partei Willy Brandts. Die Schlagzeilen in den Zeitungen von „Zeit“ über „SZ“ „Jüdische Allgemeine“ bis „taz“ sprechen gegen Kutschaty. „Ein Maulkorb für den Unbequemen“. „Sozialrichter von Renesse machte sich jahrelang für Holocaust-Überlebende stark- und wurde dafür angefeindet“. „Engagement für Holocaust- Überlebende bleibt ohne Dank“. „Richter Mundtot„. Und dieser Richter erfährt dann einige Ehrungen, die Kutschaty Kopfschmerzen bereiten müssten: „Dachau ehrt Jan-Robert von Renesse“.“Jüdischer Preis für Menschlichkeit-Würdigung für einen mutigen Richter.“ „Geehrt und kaltgestellt.“ So lauten die Titel zum Thema Ghettorenten, die ein Sozialrichter wollte, der dann politisch kaltgestellt wurde.
Denkbar ist sogar, dass Kutschaty die Spitzenkandidatur der SPD in NRW für die Landtagswahl 2022 anstrebt. So schrieb das die Neue Westfälische in Bielefeld. Wörtlich wurde Kutschaty nach seiner überraschenden Wahl zum SPD-Fraktionschef vom Blatt zitiert: „Jeder, der sich in diesen Wochen um ein Spitzenamt in der NRW-SPD bewirbt, oder in eines gewählt wird, sei es als Landesvorsitzender, sei es als Fraktionsvorsitzender, muss willens und geeignet sein, diese Aufgabe zu übernehmen. Diese Aufforderung gilt also auch für mich.“ Im November findet ein Parteitag der NRW-SPD in Münster statt. Ob bis dahin die Fronten geklärt sind? Das mit der Herausforderer-Rolle hat ja noch Zeit, interessant ist die dennoch vor dem Hintergrund, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Bundesvorsitzender CDU werden will, Kanzlerkandidat dazu und Nachfolger von Angela Merkel als Regiererungschef in Berlin. Dann wäre die Stelle in der Staatskanzlei in Düsseldorf neu zu besetzen, einen Favoriten gibt es nicht. Es kann spannend werden.
SPD kann noch gewinnen
Die SPD kann noch gewinnen, das haben die Kommunalwahlen in Bochum gezeigt, in Mönchengladbach, wo ein junger Mann namens Felix Heinrich(31) die Schwarzen in die Schranken wies. In Hamm löste Marc Herter als SPD-Bewerber den Amtsinhaber als neuen OB ab, in Leverkusen blieb das Rathaus in roter Hand wie auch in Bielefeld. Dagegen ging Düsseldorf verloren, auch wegen des nicht überzeugenden Amtsinhabers Thomas Geisel. In Köln passierte nichts Neues, Henriette Reker schaffte klar die Wiederwahl mit den Stimmen von CDU und Grünen. Köln, die einzige Millionenstadt in NRW, war auch mal eine SPD-Hochburg. Ben Wisch, gemeint Wischnewski kam aus Köln.
Auch die CDU musste Niederlagen einkassieren, die bitterste in Aachen, der Heimatstadt von Laschet. Hier gewann Sibylle Keupen als Kandidatin der Grünen in dieser einstigen Hochburg der Konservativen. Ja, das können die Grünen auch, konservativ sein. Manch einer sieht dahinter auch einen Schuß Opportunismus, der ins Schwarze trifft und Mehrheiten besorgt. Bitter auch die Schlappe der CDU in Bonn, wo OB Sridharan klar verlor, was eigentlich abzusehen war, wenn man genau hingeschaut und hingehört hatte. Sogar seine eigenen CDU-Parteifreunde waren mit seiner ziemlich laschen Amtsführung nicht zufrieden. Katja Dörner siegte, erstmals gibt es in der Bundesstadt auf dem OB-Sessel eine Grünen-Oberbürgermeisterin. Es hat ihr wohl nicht geschadet, dass ihre Kritiker gegen Ende des Wahlkampfes ihr das Manko ans Revers heften wollten, sie verfüge über keinerlei Erfahrung, eine Verwaltung zu führen. Dann wird sie es lernen müssen, andere mussten es ja auch mal lernen.
Katja Dörner wurde auch mit Stimmen der SPD gewählt, eine entsprechende Wahlempfehlung hatte die Bonner SPD abgegeben. Sie hat gefruchtet, anders als in Dortmund, wo offensichtlich nicht alle Grünen-Sympathisanten dem CDU-Mann aus dem sauerländischen Altena die Stimme gaben. Auffallend die hohen Ergebnisse der Grünen in Bonn in den feinen Gegenden wie in der Südstadt. Die Grünen sind schon seit vielen Jahren die Partei der Besserverdiener, ein Etikett, das früher der FDP anhing, die aber in Bonn wie überhaupt in NRW bei diesen Wahlen keine große Rolle gespielt hat. Dass die AfD insgesamt nur am Rande mitspielte, rundet das Ergebnis ab. Und ist auch gut so.
Land ist bunter, grüner geworden
Das Land ist bunter geworden, grüner, Erbhöfe gibt es nicht mehr. Nichts ist mehr sicher. Die Parteien müssen um ihre Zustimmung kämpfen, müssen verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückholen. Und sie müssen sich mit der Jugend beschäftigen. Es reichen die alten Sprüche nicht mehr, dass man die jungen Leute irgendwo abholen müsse. So etwas langweilt sie nur. Man muss sich schon in den sozialen Medien auskennen, „Insta“ und „Influencer“ dürfen keine Fremdwörter sein. Felix Heinrich hat in Mönchengladbach ein Beispiel abgeliefert, wie es gehen kann, Ältere und Jüngere zu erreichen. Seine Vita spricht für ihn: Geschäftsführer in einem Altenheim mit 50 Mitarbeitern, im Alter von 17 Mitglied im Vorstand der heimischen SPD, seit zwei Jahren im Landesvorstand, er führt die MG-Fraktion im Rathaus, ist in Karnevalsvereinen aktiv wie beim Kinderschutzbund, aber auch im Schützenverein, er kennt sich aus in der Verkehrsplanung wie der Wirtschaftsförderung, wenn er über Radwege redet, nimmt man ihm das ab. Ein Beispiel.
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