Es könnte womöglich die letzten Wahlen in NRW gewesen sein, die die CDU gewinnt.
Denn, obwohl die Union sich klar als stärkste Kraft in NRW durchgesetzt und als Regierungspartei behauptet hat, bekommt sie zunehmend Konkurrenz von einer Partei, die im bevölkerungsreichsten Bundesland bei der vorvergangenen Wahl im Jahre 2017 noch kaum eine Rolle gespielt hatte. Neben dem Dauerrivalen SPD sind die Grünen zu einem ernsthaften Konkurrenten aufgestiegen. Der größte Landesverband der Grünen hat sein Ergebnis im Vergleich zu 2017 mehr als verdoppelt und lag am Sonntag bei rekordverdächtigen 18,2 Prozent der Stimmen.
Gut, die CDU hat immer noch fast doppelt so viele Stimmen erlangt, dennoch weisen gleich mehrere Faktoren daraufhin, dass die Grünen perspektivisch stärker in NRW im Kommen sind als die Union, deren Stammwählerschaft, vor allem ältere Menschen (Stichwort Rentner-Partei), allmählich – biologisch gesehen – zu schrumpfen beginnt.
Schaut man sich nur einmal das Wahlverhalten der Unter-30-Jährigen an, so fällt einem auf, dass sich dort 25 Prozent der Wähler für die Grünen entschieden haben (Quelle Forschungsgruppe Wahlen). Gefolgt von der SPD mit 21 Prozent. Auf Platz drei kommt die CDU, die noch 18 Prozent der Stimmen der jungen Menschen auf sich vereinen konnte.
Es zeigt sich: Die Jugend wählt grün und bewerten damit Themen wie Ökologie, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit oder Diversität hoch. Höher als typische Unionsthemen wie die Stärkung des Mittelstands oder andere Wirtschaftsthemen. Die Zukunft ist – ob man es möchte oder nicht – grün. Die künftige Generation wächst mit dem Klimawandel und der dazugehörigen Krise auf, sehen verheerende Bilder in den Medien von Stürmen, Überschwemmungen und Erdbeben oder anderen Naturkatastrophen. Und verspüren den unbedingten Willen, dagegen etwas zu tun. Sich nicht zu ergeben ob der anstehenden Erderwärmung und ihren dramatischen Folgen. Das ist nachvollziehbar und hier haben die Grünen, deren Markenkern die Umwelt und das Klima nun einmal ist, nachvollziehbarerweise die besten Karten, Wähler zu überzeugen und zu binden. Das weiß und goutiert die Jugend, für die Klimapolitik einhergeht mit einer progressiven Gesellschaftspolitik.
Wenn man etwa eine Schule besucht und mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt tritt und politisch diskutiert, merkt man diese Zuneigung sofort. Die Themen der Union und FDP (und auch die Parteien selbst) schneiden hierbei ziemlich dürftig ab, weil sie eben die Interessen ihrer Kernklientel bedienen, und diese ist der Jugend alterstechnisch und thematisch diametral entgegengesetzt.
Da die Grünen, davon ist auszugehen, eine Koalition mit der CDU eingehen werden, wird die Partei künftig als Koalitionspartner noch deutlicher medial in Erscheinung treten. Das schafft wieder mehr Publicity und Bedeutung für sie. Auch davon wird, sollte die CDU nicht wie so oft wieder die Erfolge ihres Juniorpartners einheimsen und die Grünen keine groben handwerklichen Schnitzer machen und ohne Skandale auskommen, profitieren.
Zudem haben sie mit ihrer Landeschefin Mona Neubaur eine Frau, die weiß, was sie will. Sie hatte intensiv daran gearbeitet, dass die Grünen „aus ihrer Komfortzone“ herauskommen, Dass die Partei also auch mit ihren Kritikern und Skeptikern in Kontakt kommt. Neubaur fokussierte sich auf Wirtschaftspolitik, intensivierte ihre Kontakte zu Industrie, Handwerk und Gewerkschaften – mit greifbarem Erfolg. Das Image als Wirtschaftsschreck konnte abgelegt werden. Selbst, was früher undenkbar war, Manager wie der Evonik-Chef Christian Kullmann sprechen sich heute öffentlich für Neubaur aus. Sie möge in der nächsten Landesregierung eine ähnlich starke Rolle spielen wie in Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Der Trend spricht nicht nur bei den Jungwählern deutlich zugunsten der Grünen. Auch sieht man, dass viele frühere SPD-Wähler zu den Grünen gewandert sind. Liegt vielleicht auch daran, dass einige Schauplätze des Klimawandels (Hambacher Forst) in NRW liegen und die SPD im Bund deutlich schwächelt und um einen klaren Kurs ringt.