Franz Josef Strauß ist seit dem 3. Oktober 1988 tot. In der Bundespolitik war er als Atom-, Verteidigungs- und Finanzminister tätig, ohne große Spuren zu hinterlassen. Sein ehrgeiziges Ziel, Bundeskanzler zu werden, verfehlte er grandios, als er 1980 als Kandidat der Union antrat. Seine größte Bedeutung errang er als Vorsitzender der bayerischen Regionalpartei CSU. Strauß litt persönlich darunter, dass Helmut Kohl Bundeskanzler wurde, obwohl der Bayer sich stets dem Pfälzer gegenüber intellektuell und vor allem politisch deutlich überlegen fühlte. Kohl pflegte nolens volens eine Männerfreundschaft zu Strauß und ließ ihn immer wieder in die Sackgasse laufen. Mit der CDU verfügte Kohl eben über die wesentlich stärkere Macht, die er vor allem in brenzligen Situationen ausspielte. Auch als Strauß drohte, dass sich seine CSU über Bayern hinaus in andere deutsche Lande ausbreiten wollte, nahm sein Antipode es gelassen und kündigte als Gegenschlag den Einmarsch der CDU in Bayern an. Seit dieser blamablen Vorstellung haben nur politische Blindgänger noch von einer bundesweiten CSU gesprochen.
Bundesweite CSU als Fata Morgana
Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel zeigt sich ohnehin gegenüber Drohungen und Attacken sowie Forderungen aus der Schwesterpartei nahezu immun. Das laute Alpengrollen kommt wie ein Säuseln in Berlin an. Seehofer startet immer wieder als bayerischer Löwe in München und landet im Kanzleramt als Pudel. Auch einige seiner Wadenbeißer spielen sich in heimischen Gefilden und manchen Interviews lautstark auf, finden indessen bestenfalls als politische Krawallmacher in einigen Medien ein Echo. Das CSU-Bundesministertrio hat nur eine gestopfte Trompete. Selbst der einst von seinen eigenen Parteifreunden abgemeierte Edmund Stoiber versucht sich wieder einzumischen und beschwört historische Dimensionen, wenn er in einem Positionspapier darauf hinweist, dass es nun um „die größte inhaltliche Auseinandersetzung in der Geschichte der Unionspartei“ geht.
Überholtes Strauß-Dogma
Bei dieser Eskalation erinnern die Christsozialen vor allem an das Dogma von Franz Josef Strauß, wonach es „rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben“ dürfe. Das war in der Tat eine lange Zeit Konsens zwischen CSU und CDU, auch als die NPD und die Republikaner auftauchten. Doch nun ist die politische Lage völlig anders als zu Zeiten des Dogmatikers Strauß. Bei der Bundestagswahl im Jahre 2013 scheiterte die AfD noch soeben an der 5 %-Hürde. Bei den letzten Landtagswahlen erzielte diese Partei rechts von der Union zweistellige Ergebnisse. Die größte Angst der CSU ist wohl, dass die AfD sich auch in Bayern ausbreitet. In den demoskopischen Umfragen bewegt die AfD sich bundesweit zwischen 10 und 15 %. So wirr, fremdenfeindlich und radikal sich auch die AfD gebärdet, demokratisch legitimiert wird sie von den Wählern, die zuvor die Union, SPD, Grünen oder auch die PDS auf den Stimmzetteln ankreuzten.
Schlagwortgeber Edmund Stoiber
Richtig ist die Erkenntnis, dass die AfD nicht mit Verketzerungen, Parolen und Verunglimpfungen, sondern mit besseren politischen Angeboten zu bekämpfen ist. Die Wähler müssen überzeugt und gewonnen werden. Was die CSU-Granden dazu bislang vorschlagen, es scheint noch recht diffus. Stoiber operiert etwa mit den Schlagworten „Sicherheit, Recht und Ordnung, mehr Ehe und weniger alternative Lebensformen, eine sensible Verbindung von Tradition und Moderne“, die seiner Meinung nach eine „Partei der Mitte und rechts davon“ auszeichnen sollte.
Merkels kühle Konter
Angela Merkel hat den Kurs der CDU inzwischen so definiert, dass die Union „zur Mitte integrieren“ sowie für innere und äußere Sicherheit sorgen müsse. Für sie geht es vor allem um die Einigung Europas, die Wertegemeinschaft NATO und die Wahrung der Menschenwürde – gerade für Menschen in Not, also auch für Flüchtlinge. Es kann und darf wohl auf keinen Fall darum gehen, Prinzipien aufzugeben oder zu relativieren oder gar Überzeugungen zu verändern, um eine Abwanderung von Wählern zur AfD zu verhindern. Immer mehr Bürger werden indessen von dem permanenten Gerangel zwischen den „Stiefschwestern“ der Union abgeschreckt. Die CDU muss jedoch gemeinsam mit der CSU wieder ihren Markenkern deutlich machen und nach außen unmissverständlich kommunizieren, wofür sie politisch steht und handelt.
Union: Partei der Mitte und des Mittelstandes
Dabei geht es nicht um Dogmen der Vergangenheit, sondern um Zukunftsorientierung und um die Lösung wichtiger Probleme in der Wirtschafts-, Energie-, Sozial- und Steuerpolitik, um klare programmatische Signale an Junge wie Alte, an Arbeitnehmer wie Mittelständler, an Singles ebenso wie an Familien mit Kindern. Die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft sind zu meistern – wie etwa die Integration der Zuwanderer, die Verbesserung der Infrastruktur, der Bau von neuen Sozialwohnungen, die Altersversorgung, die Digitalisierung, die Energiewende und vieles mehr.
Last but not least sollte die CDU sich wieder als die Partei Ludwig Erhards profilieren und sich auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückbesinnen. Nicht immer weitere Subventionsmilliarden, neue Regulierungen und Vorschriften, die dynamische und kreative Menschen ausbremsen, allzu große Nachsicht mit Banken und Konzernen, wie sie in den letzten Jahren mit der Großen Koalition üblich waren, sondern eine marktwirtschaftliche Ordnung mit einem spürbaren sozialen Ausgleich sollten wieder zum Markenkern der Union werden. Dabei geht es nicht um immer mehr Verteilungspolitik, sondern in erster Linie um Chancengerechtigkeit in unserer Wirtschaft und Gesellschaft.
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