Nach Meinung der konservativen Kommentatoren in Deutschland hat das Parlament mit der Zustimmung zur dritten Griechenlandhilfe alte Fehler fortgesetzt. FAZ, Berliner Tagesspiegel oder „Die Welt“ hätten den Grexit vorgezogen. Griechenland hätte also danach seine weitere Verelendung mit der Rückkehr zur Drachme vollziehen können. Mehr oder weniger der gleichen Meinung waren wohl auch 63 Abgeordnete der Unionsfraktion, die sich dank der Mehrheit der großen Koalition sicher sein konnten, dass ihr Nein ohne Konsequenzen für Europa bleiben würde. Ob der Riss, der durch die CDU/CSU geht, und seine Tiefe damit bereits ausreichend beschrieben sind, wird sich zeigen. Sicher ist nur, die Bereitschaft, der eigenen Kanzlerin bedingungslos zu folgen, hat weiter abgenommen.
Immerhin hat sich Frau Merkel auf den sozialdemokratischen Koaltionspartner verlassen können. Manchem weiteren potenziellen Neinsager in ihrer Fraktion dürfte etwa die Bereitschaft, ebenfalls Nein zu sagen, vergangen sein, als die SPD öffentlich über Merkels Rücktritt räsonierte, wenn mehr als die Hälfte der Union dem Hilfspaket ihre Zustimmung versagte. Das war vermutlich eine verabredete Stichelei, die ja auch Wirkung zeigte.
Und die SPD? Ihr Fraktionsvorsitzender Oppermann hätte nicht unterwürfiger argumentieren und damit zugleich seine Absage an die Linke zu denkbarer Zusammenarbeit unterstreichen können, als er die Rede des Oppositionsführers Gysi und das Nein der Linken zum dritten Hilfspaket als politisch unreif und „große Enttäuschung“ kennzeichnete. Er beließ es bei dieser pauschalen Abstrafung, ohne auch nur auf ein einziges von Gysis Argumenten einzugehen. Dabei hätte er wenigstens Verständnis äußern können, wenn der daran erinnerte, dass Berlin allein hundert Milliarden an den niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank verdient habe, mit der diese auf die Finanzkrise im Euroraum reagiert hatte, womit die Bundesregierung entsprechend weniger für die deutsche Schuldenlast aufbringen musste. Ebenso mahnte Gysi an, dass schon in der ersten Hälfte des Jahres genauso viele Rüstungsexporte genehmigt worden seien, wie im gesamten Jahr zuvor. Auch das sind Milliarden, die Deutschland an der Krise verdient habe. Entgegen der Griechenlandhetze in Springers Bilderblatt hat der deutsche Steuerbürger zudem bislang keinen einzigen Euro für die Griechenlandhilfe bezahlen müssen. Auch das gehörte zu Gysis Einwänden gegen das Hilfspaket, das zur Abstimmung stand. Dass die Linke bei ihrem pauschalen Nein nicht einen Satz darüber verlor, dass alle Mitgliedsländer der Eurozone ins Boot geholt werden mussten, entwertete aber zu einem nicht geringen Teil die Kritik an der Bundesregierung.
Es wird sich schnell zeigen, ob dieses Paket für Griechenland und seine wirtschaftliche Gesundung zuträglich ist, oder nicht. Dass griechisches Staatseigentum in einer Größenordnung von als mehr 50 Milliarden Euro privatisiert werden muss, um in den Genuss der europäischen Hilfsgelder zu kommen, ist ein dicker Brocken. Dies zumal dann, wenn wie beim denkbaren Verkauf von 14 regionalen Flughäfen griechisches Staatseigentum zu Schnäppchenpreisen verscherbelt werden muss. Als Käufer steht ausgerechnet der halbstaatliche deutsche Konzern Fraport, der den Frankfurter Flughafen betreibt, an der Kasse und legt dafür weniger als zwei Milliarden Euro auf den Tisch. Wie auf diese Weise 50 Milliarden eingetrieben werden sollen, wird zu einem Rätsel, auf die der sich geläutert gebende Finanzminister keine Antwort hatte. Mit anderen Worten: Griechenland bleibt auf der politischen Tagesordnung. Die nächste Abstimmung über weitere Hilfen könnte bei weiterem Anwachsen der Neinsager in ihrer Fraktion für die Kanzlerin zum Ende ihrer Dienstfahrt werden.
Bildquelle: Deutscher Bundestag / Julia Nowak-Katz
Wer immer geglaubt hat, die marktradikale Ideologie habe ausgedient, weil sie doch von den Tatsachen widerlegt ist, hat nicht mit den Eurokraten, mit Schäuble, Merkel und Gabriel gerechnet.
Trotzdem musste man dem Hiflspaket wohl zustimmen – und anschließend aus den im Artikel dargelegten Gründen kotzen…