Rund fünf Monate lang haben die Euro-Partner der griechischen Regierung Tsipras geradezu goldene Brücken gebaut. Ob Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble, ob Frankreichs Präsident Hollande oder EU-Kommissionspräsident Juncker – sie alle waren gemeinsam mit Politikern aus anderen Staaten der politischen Führung Griechenlands mit einer Großzügigkeit entgegen gekommen, die in vielen Euro-Ländern wohl nur eine schmale parlamentarische Mehrheit gefunden hätte. Immerhin müssen die Steuerzahler für die Milliarden-Kredite an Griechenland haften; allein auf Deutschland entfallen bisher schon über 80 Milliarden Euro.
Irland, Portugal und Spanien sind auch von den Europartnern gestützt worden, als sie in Not geraten waren. Diese Solidarität haben diese Länder mit Solidität gepaart: Sie haben nämlich mit außerordentlich schmerzlichen politischen Einschnitten ihre öffentlichen Haushalte saniert und zugleich wieder festen Boden für die Ankurbelung ihrer Volkswirtschaften geschaffen. Mehr Wirtschaftswachstum hat dort endlich auch zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit geführt und die Zukunftsperspektiven für die Bürger verbessert. Die Agenda 2010, einst unter dem Bundeskanzler Gerhard Schröder beschlossen, war auch für viele in Deutschland eine bittere Pille, doch sehr heilsam.
Nach wie vor ist die Eurozone ein Segen für ganz Europa in der globalisierten Welt. Der Euro wurde nach dem Dollar zur wichtigsten Reservewährung, weil weltweit Investoren darauf vertrauen. Das Euro-System kann indessen nur funktionieren, wenn alle Teilnehmer die Regeln befolgen. Was bei der Champions League im Fußball etwa völlig selbstverständlich – auch von Clubs in Athen und Saloniki – anerkannt wird, das wollten und wollen Tsipras und Spieltheoretiker Varoufakis aushebeln. Ihre Wahlversprechen, mit denen sie das griechische Volk verlockten, waren Gespinste aus Wolkenkuckucksheim, Lug und Trug pur. Seit ihrem Regierungsantritt haben sie das Land immer stärker an den Abgrund geführt und so den Absturz provoziert. Sie haben Pudding versprochen und hatten nicht einmal das Geld für ausreichend Schafsmilch. Der Grexit ist damit wohl unausweichlich. Die meisten Griechen, die diesen ideologischen Gauklern auf den Leim gingen, stehen nun vor einem Desaster.
Aus diesem Teufelskreis werden sie so schnell nicht mehr herauskommen – weder die gebeutelten Rentner noch die Beamten, weder die Arbeitnehmer noch die Unternehmer.
Wer von den Griechen überhaupt noch etwas hatte, suchte seine Flucht in den Euro. Die Schlangen vor den Geldautomaten der Banken sind dafür mehr als bezeichnend. Kapitalverkehrskontrollen sind nun der nächste notwendige Schritt. Athen wird so demnächst keinen Zugang mehr zu den internationalen Kapitalmärkten haben. Eine neue Landeswährung, ob es die neue Drachme oder was auch immer sein sollte, wird wohl eher das Symbol der Schwäche der Politik und Wirtschaft Griechenlands. Selbst bei einer Abwertung um 30, 40 oder gar 50 Prozent werden die Exporte von Oliven oder Ouzo nicht viele harte Devisen bringen. Und die Touristenströme werden weiterhin an Griechenland vorbei in die Türkei gehen. Zudem werden sich die Importe enorm verteuern. Die Regierung Tsipras steht vor einem riesigen Scherbenhaufen, ihrem Land droht ein Super-Chaos.
Die Freunde in der EU wurden von den Möchtegern-Politikern aus Athen völlig verprellt, ihre immer wieder angebotene Hilfe schnöde verschmäht. Mutwillig ließen sie die Rettungsringe, die das Land vor dem Untergang bewahren sollten, liegen und stellten als Schulden-Majore dreiste Forderungen an ihre eher nachsichtigen Gläubiger. Bis zuletzt gab es Angebote der Euro-Staaten, die die zukünftigen Finanzierungsbedürfnisse Griechenlands sowie die Nachhaltigkeit der griechischen Schulden berücksichtigten, die ein großes EU-Paket für Wachstum und Beschäftigung beinhalteten. Doch Griechenlands Regierungschef und sein arroganter Finanzminister brachen die Verhandlungen in Brüssel ab, reisten urplötzlich nach Athen und verkündeten dort – für alle völlig überraschend – das Referendum, eine Volksabstimmung über etwas, was bislang zwischen dem Land und den europäischen Partnern noch gar nicht abschließend vereinbart worden ist. Die Bürger sollen so quasi in Geiselhaft genommen werden und Verantwortung für das Schicksal des Landes übernehmen – Verantwortung, der sich die eigene Regierung entziehen will. Sicher ist, es gilt Schäubles Prognose “am 30. Juni isch over“, das noch geltende Hilfspaket für Griechenland läuft dann endgültig aus. Ob es hier noch eine Galgenfrist geben kann, ist völlig offen, wenn auch Frankreich einen allerletzten Vermittlungsversuch zugunsten Griechenlands unternehmen will.
Wenn Finanzminister aus der Slowakei oder aus den baltischen Staaten darauf hinwiesen, dass in ihren Ländern die Renten wesentlich niedriger sind als in Griechenland, wurde ihnen von Varoufakis geantwortet, damit könne man in Griechenland nur schlecht leben. Nach dem nun selbstverschuldeten Crash wird die Regierung in Athen ihren Landsleuten eine Euro-Beerdigung dritter Klasse, bei der die Leiche die Kerzen selber trägt, erklären müssen. Das angekündigte Referendum, bei dem nach dem Willen der Regierung nur gegen Reformen und Forderungen der anderen Euro-Staaten gestimmt werden soll, ist eine weitere Farce aus dem Gauner-Arsenal kommunistischer Ideologen.
Die Versuche der Regierung Tsipras, Hilfszusagen aus Moskau oder Peking zu erhalten und so die Europartner zu erpressen, sind kläglich gescheitert. Weder Putin noch andere, die sich möglicherweise einen Riss durch Europa wünschen, sind offenbar bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu schütten. Zudem haben inzwischen alle die totale Unfähigkeit der Regierenden in Athen erkannt. Die Verwerfungen, die nun für alle in Griechenland spürbar werden, dürften nicht ohne innenpolitische Konsequenzen bleiben.
Das Land muss sich auf die Suche nach seiner Zukunft machen. Stability begins at home! Das wird gewiss eine schwierige Phase bis zu einem Neubeginn und zur inneren Stabilität. Auf dem Weg aus dem Chaos können die Griechen mit humanitären und anderen Hilfen der EU-Partner rechnen, solange sie der europäischen Gemeinschaft angehören.
Sollten Tsipras & Genossen den Austritt aus der Euro-Zone finalisieren, werden die bisherigen Währungspartner sofort alle Notliquiditätshilfen und andere Kredite sperren. Wenn die per 30. Juni fällige Rückzahlung eines Kredits an den Internationalen Währungsfonds von Athen nicht geleistet wird, dann dürfte es zur Staatsinsolvenz kommen.
Schon machen sich Tsipras und Varoufakis daran, große Schuldvorwürfe – vor allem auch gegen Deutschland – zu erheben. Dabei sind die Regierung Merkel ebenso wie andere an ihre Grenzen mit dem gegangen, was sie ihren Parlamenten und ihren Völkern noch zumuten können. Bis zuletzt galt die Devise von Angela Merkel “Wo ein Wille, da ist auch ein Weg“, doch Griechenlands Regierungschef war nicht willens, sich gemeinsam mit den europäischen Partnern auf einen Weg zu begeben, der für die Griechen ein Weg der Besserung wäre. Ohne Griechenland steht das Euro-System am Anfang seiner Zukunft. Das griechische Ende mit Schrecken ist allemal besser als ein Euro-Schrecken ohne Ende. Mit 18 Partnern, die sich in der Zukunft strikt an die Regeln des Systems halten werden, dürfte der Euro eher an Stabilität und Vertrauen gewinnen. Nach einem Neubeginn Griechenlands kann es als EU-Mitglied auf weitere Entwicklungshilfe hoffen, um die notwendigen Strukturreformen durchzuführen um die Wirtschaft und Gesellschaft zu stabilisieren, um ein verlässlicher NATO-Partner zu sein. Die Rückkehr Griechenlands ins Euro-Paradies dürfte indessen für eine sehr lange Zeit vorbei sein.
Eine der größten griechischen Tragödien befindet sich im Schlussakt. Europa muss die Scherben aufkehren, viel kitten und kleben sowie sich zu einem Neuaufbruch aufraffen, wenn es nicht doch noch ein politisches Wunder in letzter Sekunde geben sollte.
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