Ein milder Vorfrühlins-Sonntag in Bonn. Auf dem Platz vor dem Rathaus steigen blaue Luftballons auf, Kinder haben sich in eine Europafahne gewickelt, Passanten halten Pappschilder mit der Aufschrift in die Luft „ Gouda statt Geert. „ Gemeint ist der „ mit den blonden Haaren“, wie es unter dem Gelächter des Publikum heißt: Geert Wilders, der bei den bevorstehenden National- Wahlen für die Niederlande die europäischen Uhren zurück drehen möchte – ein Mann, vor dem an diesem Sonntag alle Redner eindringlich warnten. Es war ein guter Gedanke, die Idee der internationalen „ Pulse of Europe „ Bewegung auch für Bonn aufzunehmen und in die alte Bundesmetropole zu verpflanzen.
Zur gleichen Zeit fanden in sechsunddreißig anderen deutschen Städten ähnliche Versammlungen statt. Bis zu den Bundestagswahlen sollen an gleicher Stelle ähnliche Veranstaltungen folgen Was sich am Sonntag zu überparteilichem Gedankenaustausch traf, erinnerte an die unkonventionellen Bürgerinitiativen aus den siebziger Jahren: Viel Publikum, darunter vereinzelt Grauhaarige, viele Jugend neben Zufallstouristen , eine Gruppe von Musikanten , die getragen Beethovens „ Hymne an die Freude „ intonierten. Vor dem Mikrofon, an das sich jeder heran trauen durfte, der was zu sagen hatte, gab es eine einzige Botschaft: „ Europa darf sich nicht spalten lassen. Wir sind stärker als alle Anderen. „ Unverkennbar schwebte über dem Ganzen die Sorge, dass sich das altbackene Nationale auf seinem Marsch von England über Polen, Ungarn und vielleicht Holland oder Frankreich vor deutscher Haustür breitmachen könnte – vorsorglich wurde an die beziehungsreiche Geschichte des Bonner Rathauses erinnert: Von dessen Treppe schwenkten im Revolutionsjahr 1848 bekanntlich Carl Schurz und Gottfried Kinkel einst die schwarz rot goldenen Fahne, fünfundsechzig Jahre später ergriffen wütende Separatisten von dem Haus Besitz und Uralt- Bundespräsident Heuss sprach 1949 von der aufragenden Treppe , hinter sich die Ruine des schwer kriegszerstörten Gebäudes.
Von Vergangenem wurde während dieser Sonntagsstunde aber wenig geredet. Stattdessen gab es gutgemeinte Appelle für eine europäische Zukunft. Eine achtzehnjährige Studentin, als Gast für ein Erasmus-Praktikum in Bonn, wollte „ europäische Bürgerin sein und bleiben“, ein graumelierter Herr aus Frankfurt erinnerte an Spanien, das sich nach Franco auf seinen Weg nach Europa gemacht habe ; ein Anderer deklamierte : „ Wer sich in das Nationale zurück zieht , der will in den Kerker.“ Der europäische Pulsschlag Bonns, so verriet die Premiere, hat hier heftig geschlagen: Optimistisch und frivol , frei nach dem Motto: „ Gouda statt Geert.“
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