Jetzt ist Franziska Giffey frei, jetzt kann sie in Berlin durchstarten und dort als SPD-Spitzenkandidatin für das Amt der regierenden Bürgermeisterin den Genoss*innen an der Spree Auftrieb und neuen Schwung geben. Dem Gezerre und Gezeter um ihre vielleicht nicht so saubere Dissertation hat sie mit dem Rücktritt als Bundesministerin ein Ende gesetzt.
Führende Unionspolitiker*innen wie Angela Merkel und Horst Seehofer haben sich im Gegensatz zu Wadenbeißern aus CDU und CSU jegliche Häme versagt. Mit gutem Grund: Sie wissen eben, wieviel Fehlbarkeit in den eigenen Reihen aufzuarbeiten ist. Erinnert sei nur an die anrüchigen Millionengeschäfte von Parteifreunden mit den Schutzmasken gegen Corona. Und die Skandalnudeln Andreas Scheuer und Phillipp Amthor wollen unverdrossen immer weiter Politik machen.
Der Rücktritt von Franziska Giffey offenbart aber auch gnadenlos die personale Tristesse der Sozialdemokraten. Giffey war eine mit Zukunfts-Potential und Charisma, hätte der Bundespartei so viel geben können – weit über Berlin hinaus.
Frauen sind es, die die gebeutelte SPD aus dem Tief führen könnten – könnten, aber nicht können. Malu Dreyer, erfolgreiche und beliebte Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz leidet so schwer an Multipler Sklerose, dass sie mitunter sogar einen Rollstuhl braucht. Immer wieder gab es den Wunsch, sie möge den Vorsitz Bundespartei übernehmen und die SPD aus dem Dauer-Elend ziehen. Verständlich, dass sie sich verweigerte. Es ist schon aufs Höchste zu bewundern, dass Malu Dreyer trotz ihrer tückischen Erkrankung sich nun zum dritten Mal zur Mainzer Regierungschefin wählen ließ.
Manuela Schwesig, vor langer Zeit von Polit-Machos als Küsten-Barbie verspottet, hatte es schon zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gebracht, profilierte sich immer stärker und hatte das Zeug zur SPD-Hoffnungsträgerin, da warf sie eine Krebserkrankung zurück. Jetzt und zumindest für die absehbare Zukunft also „nur noch“ Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern.
Und schließlich Franziska Giffey. Sie hat’s allerdings auch selbst versemmelt.
Erinnern wir uns: Franziska Giffey war die sozialdemokratische Lichtgestalt, als es vor über zwei Jahren erst mit Martin Schulz und dann mit Andrea Nahles an der Parteispitze wirklich nicht mehr weiterging. Die deutsche Sozialdemokratie rauschte immer tiefer in den Keller der Demoskopie, da hätte diese zupackende und fröhliche Franziska Giffey mit ihrem Optimismus und Realtitätsbezug den freien Fall stoppen und die Genossen aus dem Stimmungs- und Stimmentief führen können. Zumindest durfte man es ihr zutrauen.
„Hätte, hätte … Fahrradkette“, hatte schon der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gereimt; und trotzdem darf man den verpassten Chancen wohl nochmal nachtrauern. Also: Hätte Franziska Giffey schon vor Jahren mögliches Fehlverhalten eingeräumt, den gegen sie gerichteten Spekulationen, Mutmaßungen und Vorwürfen die Spitze genommen und auf Doktorgrad sowie Ministeramt verzichtet, sie hätte die Sehnsucht der Partei nach einer überzeugenden Führungspersönlichkeit stillen können. So aber ließ sie als Ministerin die Diskussion um ihren akademischen Werdegang immer weiter schwelen und nahm sich dann selbst die Möglichkeit, erste Frau der SPD zu werden. Vielleicht die nächste Regierende Bürgermeisterin von Berlin … ein Ersatz für das, was hätte sein können, ist es nicht. Jetzt haben die Sozialdemokraten den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, dessen Kompetenz überragend sein mag, seine Ausstrahlung ist es auf keinen Fall. Schon als SPD-Generalsekretär nannte man ihn den „Scholzomaten“. Und mit Saskia Esken und Norbert Walter Borjans haben die Genossen zwei Vorsitzende, von denen Frau Esken schon mal durch abseitige Identitäts- und Genderstreitereien aufgefallen ist. Ansonsten personifizieren diese beiden aufs Trefflichste die Trostlosigkeit der SPD.
Bildquelle: Martin Kraft, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Auch dies wieder ein Betrag, der jegliche kritische Distanz vermissen lässt: „Gezerre und Gezeter um ihre vielleicht nicht so saubere Dissertation“?!
Ich zitiere aus der FAZ. Diese beanstandet zu Recht „Giffeys Vorstellung, sie könne auch ohne Studium der Politikwissenschaft in ebendiesem Fach promoviert werden. Der Gedanke, dass die Tätigkeit als Politikerin keine akademische Reflexion ersetzt, blieb ihr fremd. Giffey forschte über ihr eigenes Wirken in ihrem Berliner Heimatbezirk, den theoretischen Unterbau dazu schrieb sie teilweise woanders ab.
Das dritte Missverständnis ist Giffeys trotzige Reaktion auf die Plagiatsnachweise. Sie hat immer noch nicht verstanden, was Forschung ausmacht.“
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/franziska-giffeys-plagiatsfall-haette-vermieden-werden-koennen-17388469.html?premium
Das halte ich nicht gerade für eine Lappalie.