Das ist doch mal etwas Erfreuliches. Nach neuesten Erhebungen haben die Gewerkschaften endlich wieder etwas Zulauf. Die Organisationsdichte sei 2014 von knapp 18 auf knapp 21 Prozent gestiegen, heißt es in einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW). Damit haben die Gewerkschaften zumindest die Hoffnung, wieder zu einer Gegenmacht aufzusteigen, die der Übermacht des Kapitals und damit der Wirtschaft Paroli bieten können.
Wie wichtig gewerkschaftlicher Widerstand gegen Ausbeutung und Lohndumping ist, zeigen Berichte, mit welch dreisten Machenschaften derzeit der Mindestlohn unterlaufen wird. Da wird Arbeitnehmern mitgeteilt, dass mit dem Mindestlohn auch „Überstunden und bezahlte Urlaubstage“ abgegolten seien. Vor dem Mindestlohn von 8,50 Euro hatte der gleiche Arbeitgeber seinen Mitarbeitern 4.80 Euro bezahlt.
In der fleischverarbeitenden Industrie verlangte ein Arbeitgeber Gebühren für Messer und andere Gerätschaften, mit denen die Mitarbeiter Schweine oder Rinder zerlegen. Mit dem Lohn wurden dafür monatlich zwischen 20 und 100 Euro verrechnet. Das gilt mancherorts auch für bereitgestellte Schutzkleidung und deren Reinigung, die vom Lohn abgezogen werden. Wie man weiß, sind in dieser Branche vor allem Arbeitnehmer aus Bulgarien oder Rumänien beschäftigt, die zugleich für menschenunwürdige Unterkünfte exorbitante Mieten an den Arbeitgeber entrichten, die ebenfalls gleichzeitig mit dem Lohn verrechnet werden. Aus Angst den Job zu verlieren, ist der Widerstand gering. Gewerkschaften sind alarmiert.
Kein Wunder, dass die Wirtschaftslobby alles daran setzt, zu verhindern, dass Arbeitgeber Rechenschaft über die Auszahlung des Mindestlohns geben müssen. Sie wird als „bürokratisches Monstrum“ und als Jobkiller diffamiert. Ein Vorwurf, der weiter die Schlagzeilen beherrscht. Dabei soll die Buchhaltung eines Betriebes lediglich für die Mitarbeiter, die Anspruch auf den Mindestlohn haben, mitteilen, wie viele Wochenstunden für 8,50 Euro geleistet wurden und wie viel Lohn ausbezahlt wurde. Die Kampagne gegen den Mindestlohn aber läuft weiter. Sie wird vor allem von Resten der FDP („Leistung muss sich wieder lohnen“) und Teilen der Union getragen, wobei sich besonders die CSU hervortut.
Die einschlägigen Hotlines des Arbeitsministerium und des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind überlastet, weil sich Tausende von Arbeitnehmern telefonisch erkundigen, was sie tun können, um zu verhindern, dass ihr Arbeitgeber den Mindestlohn rechtswidrig umgeht und wie sie ihren Anspruch auf den Mindestlohn durchsetzen können. Die Bereitschaft manches Arbeitgebers gute Arbeit angemessen zu entlohnen, ist höchst unterbelichtet. So ist zu hoffen, dass die Gewerkschaften weiter Zulauf haben, damit wieder Waffengleichheit zwischen Kapital und Arbeit entstehen kann.
Auch die Medien sollten in ihrer Berichterstattung vermeiden, Streik und Streikbereitschaft, die wichtigste Waffe im Kampf um angemessene Löhne, nur als störend und – wenn es um Bahn oder Post geht – als unangemessen zu schildern, wofür sich immer O-Töne sammeln lassen. Ohne Durchsetzungsmacht von Regeln gegen einen entfesselten Kapitalismus wird sich die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich weiter vertiefen.
wer wird nur der übermacht der entfesselten regierung entgegentreten, die sich erdreistet, alle beziehungen bis ins detail bestimmen zu wollen und die menschen, deren produktivität geringer ist als der mindestlohn arbeitslos zu machen (oder halt nicht, wenn die unternehmer „kreativ“ werden)?