Es gab Zeiten, da meinten Neoliberale und andere Bestverdiener, die Gewerkschaften seien überflüssig wie ein Kropf, aus der Zeit gefallen. Diese zumeist Männer in ihren feinen Zwirnen sahen die Welt aus ihrem Porsche. Für sie waren die Probleme der Arbeiter- wir können sie auch etwas umständlich abhängig Beschäftigte nennen- so gut wie geregelt und der Rest erledige sich quasi von allein. Gut, dass es so nicht gekommen ist und hoffentlich nie kommen wird. Jeder fünfte Beschäftigte ist Mitglied in einer Gewerkschaft. Und das ist gut so und es wäre noch besser, wenn noch mehr Arbeitnehmer den Gewerkschaften beiträten. Denn die Gewerkschaften sind als starker Arm der Arbeiter notwendiger denn je. Der Raubtierkapitalismus, von dem Tele der Welt nicht so weit entfernt sind, hätte sie sonst längst gefressen. Dazu kommt der Kampf der Gewerkschaften gegen den zunehmenden Rechtspopulismus. Und auch das muss man ihnen hoch anrechnen.
Nein, es geht heute nicht um irgendwelche Parolen oder Lärm und hoffentlich auch nicht darum, irgendwem die Scheiben einzuschmeißen oder Autos der Premium-Klasse anzuzünden als eine Art Rache. Nein, es geht um die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die jeder, der mit offenen Augen durchs Land geht, erkennen kann, es geht um mehr soziale Gerechtigkeit, um die Verantwortung der Unternehmer, ihrem Namen gerecht zu werden und endlich mehr zu unternehmen, damit es gerechter zugeht, damit Arbeitsplätze gesichert und da, wo es geboten ist, modernisiert und den Anforderungen der neuen Zeit angepasst werden, damit neue Jobs geschaffen werden. Das alles geht nur im Miteinander und nicht im Gegeneinander.
750000 Teilzeitbeschäftigte wollen mehr arbeiten
Wenn die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles(SPD) aus Anlass dieses Tages, der im übrigen seit über 100 Jahren weltweit begangen wird, fordert, Ziel müsse sein, aus Teilzeitarbeit mehr und mehr Vollzeitarbeit zu machen, dann hat sie Recht. Aber diese Forderung mag aam 1. Mai schön klingen, sie in die Realität umzusetzen, ist das Problem, das nur zusammen mit den Arbeitgebern, den Gewerkschaften und der Politik zu lösen ist. Die Politik hat für die nötigen Rahmenbedingungen zu sorgen, damit aus Teilzeit Vollzeit wird. Nahles Forderung ist gesellschaftlich von großer Bedeutung. In Teilzeitjobs arbeiten sehr oft Frauen, die Gründe dafür sind bekannt und hängen mit dem Thema Familie und Kindern zusammen. Aber diese Frauen wollen natürlich irgendwann auf volle Stellen überwechseln, um mehr Geld zu verdienen und den Grundstock für ihre spätere Rente zu verbessern. Denn das ist sonst das Fazit am Ende des beruflichen Lebens: Wer immer nur Teilzeit arbeitet, ist im Alter wegen der kärglich bemessenen Rente arm dran. 750000 Teilzeitbeschäftigte würden gern mehr arbeiten.
Auch in einem anderen Punkt ist der SPD-Politikerin zuzustimmen. Sie fordert, die Arbeitgeber sollten wie früher wieder die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrages zahlen. Das wäre sozial gerecht, sagt sie, weil sonst der medizinische Fortschritt überwiegend von den Arbeitnehmern bezahlt würde. Nur, Frau Nahles, zur historischen Wahrheit gehört, dass dieser paritätische Beitrag während der rot-grünen Regierungszeit unter dem Kanzler Gerhard Schröder(SPD) und seinem Vize, dem Außenminister Joschka Fischer(Die Grünen) abgeschafft wurde. Seit 2005 liegt der Arbeitnehmerbeitrag zur Krankenversicherung um 0,9 Prozent über dem gedeckten Beitrag der Arbeitgeber. Richtig bleibt die Forderung dennoch, sie umzusetzen wird nicht leicht, weil die Lobby-Gruppe der Unternehmer über mächtigen Einfluss nicht nur in der Union verfügt und man müsste mit einem wahren Trommelfeuer in den Medien gegen eine solche Rückkehr zur paritätischen Beitragsregelung in der Krankenversicherung rechnen.
Nicht Trump, sondern wir alle
Wir sind viele. Wir sind eins. So lautet eine Parole zum 1. Mai. Wir sind eins, heißt: Solidarität, Gemeinschaft, keine Ellbogengesellschaft, soziale Marktwirtschaft, das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Kein Egoismus a la Trump. Nicht Ich, Ich und nochmals Ich, sondern Wir. Heißt auch nicht: America first, sondern wir alle leben auf diesem Planeten, Amerika braucht Europa genauso wie Europa Amerika braucht und Asien und die anderen. Trump geht mir mit seinen Selbstdarstellungen auf die Nerven. Er mag der mächtigste Mann der Welt sein, weil Amerika eben so stark ist, aber er ist nicht der Repräsentant des Westens als Wertegemeinschaft mit Solidarität, Gemeinschaft und Toleranz.
Ja, die soziale Marktwirtschaft wird gelebt in Deutschland. Es gibt Unternehmer als Vorbilder, wahrscheinlich sehr viele. Ich will hier nur ein Beispiel herausgreifen, das ich vor wenigen Tagen auf der Wirtschafts-Seite der „Süddeutschen Zeitung“ entdeckte. In einem großen Porträt wurde der Chef von Liqui-Moly abgebildet und dargestellt: Ernst Prost heißt der Mann, ist 60 Jahre alt(oder jung, wie man will). Seine Firma sitzt in Ulm, beschäftigt 800 Mitarbeiter, machte im Jahre 2016 einen Umsatz von 489 Millionen Euro und 40 Millionen Gewinn. Firmenrekord, stellt der Autor in diesem Beitrag fest. Und weil der Laden so erfolgreich läuft, hat der Eigentümer Ernst Prost seinen Vollzeit- Mitarbeitern einen Jahresbonus von 11000 Euro gezahlt und damit ein Viertel des Jahresgewinns an sein Personal ausgeschüttet.
Ernst Prost und Robert Bosch als Vorbilder
Teilhabe. Mitverantwortung. Gleich wie man das Kind nennen will. Ernst Prost preist seine Beschäftigten und nennt sie selber immer „Mitunternehmer“. Und er betont, dass die Prämie an alle Mitarbeiter gegangen sei, vom Manager bis zum Lagerarbeiter. Warum er das macht? „‚Das Geld kommt ja wieder zurück“, erläutert er im SZ-Artikel, „meine Mitunternehmer schaffen und denken von alleine im Sinne der Firma. Ich sag Ihnen: Tut einfach so, als wäre es euer eigenes Unternehmen.“ Dann zitiert er Robert Bosch: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle.“
Eine Firma mit gutem Binnen-Klima, hier mag man den Chef und der mag seine Leute. Von Mobbing ist nichts zu hören. Man geht menschlich miteinander um. Ein Vorzeige-Chef. Ein Vorbild. Die Firma ein Vorbild für andere. Gelebte soziale Marktwirtschaft. Und der Erfolg, den er mit seinen Mitunternehmern teilt, gibt dem Unternehmer Recht.
Bildquelle: Wikipedia, Liqui Moly GmbH, Fotograf: Annika Dollner, CC BY-SA 3.0