CDU und FDP schmieden in Nordrhein-Westfalen eine Koalition für die nächsten fünf Jahre zusammen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, denn die Vereinbarungen müssen tragfähig sein, um mit der Mehrheit von einer Stimme wirklich solide arbeiten zu können. Die angestrebten Änderungen sind groß: Die Weichen sollen vor allem in der Schul-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik neu gestellt werden. Armin Laschet und Christian Lindner zeigen sich ehrgeizig, damit NRW als größtes Bundesland der Republik bald auch wieder eine Spitzenposition einnehmen kann.
Dynamische Kräfte entfesseln!
Insbesondere muss die Wirtschaft an Rhein und Ruhr auf einen kräftigen Wachstumskurs gebracht werden. Solche ökonomische Dynamik würde die vielfältigen Probleme der Arbeitslosigkeit wesentlich verringern, die Strukturen verändern und zudem auch noch die Finanzen des Landeshaushalts aufbessern. In diesem Bundesland gibt es durchaus florierende Regionen – etwa an der Rheinschiene, in Ostwestfalen, im Münster- und Sauerland. Gerade mittlere und kleine Firmen, von denen nicht wenige echte „hidden champions“ sind, schaffen hier mit Innovationen und Investitionen große Mehrwerte. Viele sind seit längerem auf der Suche nach Mitarbeitern und vor allem auch nach Lehrlingen. Dagegen melden seit langem einige Regionen „Land unter“ – vor allem im Ruhrgebiet. Dabei gibt es durchaus Ansätze, die auf eine Wende zum Besseren hoffen lassen – wie etwa das Technologiezentrum in Dortmund. Doch eine ökonomische Schwalbe macht eben noch keinen Boom für Wachstum und Beschäftigung.
In manchen Städten des Reviers an der Ruhr bewegen sich die Arbeitslosenraten nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Die Zahl der Hartz IV-Empfänger ist rekordverdächtig, die soziale Lage trist. Neue Investoren sind nicht in Sicht. Die reichlich vorhandenen Brachflächen und Ruinen der einstigen Industriefirmen wirken eher abschreckend denn einladend!
No go areas auflösen!
Der Norden einiger großer Städte im Ruhrgebiet ist in den letzten Jahren zu Gebieten geworden, in denen ein normales soziales Leben und Wohnen immer weniger möglich wurde. Manche sind inzwischen fast „no go areas“, vor allem „no living areas“; Bulgaren, Rumänen und andere Menschen vom Balkan sowie Asylbewerber aus aller Welt hausen hier in kaum noch bewohnbaren Wohnungen, Baracken und Schuppen. Viele deutsche Einwohner dieser Städte wagen sich kaum noch in diese „Slum-Viertel“; viele nehmen gar freiwillig Umwege in Kauf, um nicht einmal durch diese Gegenden mit dem Auto zu fahren. In diesen Problemstädten des Reviers, die einst die Herzkammer der SPD waren, konnte die AfD bei der jüngsten NRW-Wahl besonders viele Stimmen holen. Zweistellige Ergebnisse gab es für die „Alternative“ in Wahlkreisen in Duisburg, Essen/Mülheim und Gelsenkirchen – insbesondere zu Lasten der Sozialdemokraten, die dort früher geradezu beherrschend waren.
Massive Hilfen mobilisieren!
Vor etwa 30 Jahren hat der Bundeskanzler Helmut Kohl auf Drängen des Ruhrbischofs Franz Hengsbach zu einer Ruhrgebietskonferenz eingeladen. Obwohl das Land vornehmlich für die regionale Strukturpolitik verantwortlich ist, gab es damals eine Reihe von Impulsen aus den Bundesressorts für das Revier. In den Jahrzehnten danach stand das Ruhrgebiet fast nie im Fokus der Aktivitäten der Landesregierung. Dabei wurde stets übersehen, dass NRW mit den großen Strukturschwächen des Ruhrgebietes nie ein echtes „Aufsteigerland“ werden konnte; der Durchschnitt wurde durchweg von Minusraten und Negativzahlen an der Ruhr nach unten gezogen.
Immerhin leben rund 5 Millionen und damit knapp ein Drittel der Einwohner Nordrhein-Westfalens im Ruhrgebiet. Diese Region ist vernachlässigt und zurückgelassen worden. Das sollte sich jetzt endgültig ändern: CDU und FDP müssen ein großes Paket schnüren und den Schwerpunkt ihrer regionalen Wirtschaftspolitik auf´s Revier konzentrieren. Denn es gilt, die weitere Zunahme von Arbeitslosenmilieus und die Armutszuwanderung zu stoppen sowie Parallelgesellschaften aufzulösen. Das wird nur gelingen, wenn unter der Führung des zukünftigen Ministerpräsidenten eine schlagkräftige Mannschaft aus Politik und Wirtschaft mutig an die Lösung der gewiss riesigen Probleme geht. Die Landesregierung sollte dafür auch alle finanziellen Spielräume ausschöpfen sowie Mittel des Bundes und der EU mobilisieren. Denn der dringend notwendige „Neuaufbau Ruhr“ wird viele Milliarden € erfordern. So wie nach der Wiedervereinigung das „Gemeinschaftswerk Aufbau Ost“ für die neuen Bundesländer auf den Weg gebracht worden ist, muss jetzt ein Gemeinschaftswerk für das Revier initiiert werden.
Gute Ressourcen nutzen!
Die vorhandenen Ressourcen können dabei nutzbar gemacht werden. Es gibt ausreichend Flächen für neues Gewerbe und neue Industrie. Viele alte Brachen der Steinkohlen-Zechen und der Stahlwerke müssen dazu aufbereitet und saniert werden. Den Ruhrgebietskommunen sind dafür die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die allzu großen Hemmnisse des allzu grünen Landesentwicklungsplans (LEP) kann die CDU/FDP-Koalition schnell beseitigen. Ein großes und günstiges Flächenangebot wird auf eine Nachfrage der Gewerbe-, Logistik- und anderer Betriebe stoßen. In den letzten Jahren mussten potente Investoren ewig lange geradezu um Standorte betteln, obwohl sie Geld, Arbeitsplätze, Wachstum und Steuereinnahmen gebracht hätten.
Viele Arbeitnehmer sind im Revier zu mobilisieren. Hunderttausende suchen einen neuen Job. Nicht wenige sind durchaus qualifiziert. Viele müssen umgeschult oder gar neu ausgebildet werden. Auch hier ist der neue Arbeitsminister gefordert, massive Qualifizierungsprogramme gemeinsam mit den Job-Centern zu realisieren.
Ebenso muss die Infrastruktur des Reviers modernisiert und ausgebaut werden. Das betrifft Straßen, Bahnstrecken, den Personennahverkehr und die Wasserwege.
Staus auflösen!
Die nachhaltige Auflösung der täglichen Staus sollte die höchste Priorität einnehmen, damit NRW nicht weiterhin den traurigen Rekord als „Stauland Nr.1“ hält. Das Zeitalter der Digitalisierung bietet große Chancen, wenn NRW vor allem im Ruhrgebiet die dafür notwendige Infrastruktur mit leistungsfähigen Glasfaserkabeln schafft. So könnten neue Unternehmen sich hier ansiedeln und neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze schaffen. Dafür gibt es in einigen Technologiezentren im Revier durchaus schon gute Ansätze. Ehrgeizige Politik sollte durchaus ein „Silicon Valley Ruhr“ anvisieren. Das würde gewiss auch high tech-Experten aus anderen deutschen Landen und ferneren Ländern anlocken. Neugründungen mit Start ups sind zu forcieren.
Das Revier verfügt ohne Zweifel über eine dichte Hochschullandschaft mit großen menschlichen Ressourcen. Forschung und Entwicklung müssen für die Strukturverbesserungen ganz obenan stehen, um Innovationen zu generieren und Ausgründungen mit neuen Unternehmen zu erzielen. Die Zukunftsfelder bieten sich an und reichen von der Medizin bis zur Mobilität, von der Energie bis hin zur Umwelttechnologie.
Dazu gehört zum einen, dass von der neuen politischen Koalition in Düsseldorf eine spürbare Aufbruchstimmung im Ruhrgebiet entfacht wird, zum anderen, dass das Revier endgültig ein neues Image erhält – insbesondere als ein Kraftzentrum für neue Technologien. Nur so kann ein dynamischer Aufbruch in die Zukunft gelingen, nur so kann das Ruhrgebiet zu einer attraktiven Region mitten in Europa werden.
Offensive für Bildung starten!
Last but not least sollten im Ruhrgebiet die Schulen und Hochschulen eine Aufwertung erfahren. Mit Bildung bester Qualität könnte das „Humankapital“ geschaffen werden, das für die Gestaltung der Zukunft am wichtigsten ist. Ein ehrgeiziges Ziel wäre, dass kein „kluger Kopf“ zurückgelassen wird, dass die Schulen in guten Gebäuden untergebracht, mit ausreichend vielen Lehrern und moderner Technologie ausgestattet werden. Vor allem sollten auch Kinder aus den „schwierigen Familien und Quartieren“ besonders gefördert und gefordert werden; Chancengleichheit schafft echte Gerechtigkeit, Möglichkeiten des Aufstiegs und guter Einkommen. Nur über die verschiedenen Bildungswege wäre zudem das große Problem des Reviers, nämlich die Integration vieler Migranten, zu lösen. Lange genug wurde hier gezögert und vieles aufgeschoben. Das Ruhrgebiet braucht dringend Hilfe, um nicht noch weiter abzusaufen. Jedes weitere Abwarten würde die Probleme vergrößern und das ganze Land NRW nach unten ziehen. Nach der bleiernen Phase des Kümmerns muss jetzt endlich eine neue Zeit des Handelns und Gestaltens eingeläutet werden, die die Menschen im Revier zum Mitmachen ermutigt und mobilisiert. Die „Glückauf-Tradition“ muss mit neuen Ideen und Inhalten völlig erneuert werden, nämlich mit einer breiten Begeisterung im Revier, in Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft einen neuen Aufbruch zu schaffen und viel Glück auf bessere Zeiten zu entfachen.
Bildquelle: Wikipedia, Hans-Jürgen Wiese, CC BY-SA 3.0
Das Land ist nach dem Wahlsieg im Umbruch. Die neue Koaltion muss nur konsequent die Vereinbarungen in die Taten umsetzen und in 5 Jahren wird NRW wieder TOP im Ländervergleich.