1. Einleitung: Die Zukunft – Utopie oder Dystopie?
Die hochrangigen Klimakonferenzen (COPs) der Weltgemeinschaft machen Hoffnung. Ihre „ambitionierten“ Beschlüsse, das menschliche Leben zu sichern, ja glücklicher zu gestalten, werden gefeiert. Dort pflegt man die Utopie, dass die Menschheit in großartiger Selbstlosigkeit solidarisch zusammenrückt, damit die Armen der Welt ein menschenwürdiges Leben führen können. Die hochrangigen Teilnehmer dieser Konferenzen aus Politik und Wissenschaft dürften ahnen, was der dazu nötige Verzicht z.B. auf aus dem Boden sprudelnde Energien, Fleisch oder bequeme individuelle Mobilität bei ihnen zuhause bedeutet, wo Verzicht ein Unwort ist.
Denn auf der anderen Seite steht die Unwahrscheinlichkeit, ja wahrscheinlich Unmöglichkeit einer Realisierung dieser Vorstellung, die in der wirklichen Natur des Menschen und der Endlichkeit des Planeten begründet liegt; denn selbst wenn radikaler Verzicht theoretisch die Grundbedürfnisse von 8 bis 10 Milliarden Menschen sichern könnte, würde dies den Zusammenbruch einer nachhaltig ausreichenden Versorgung nur hinausschieben; denn die Grenzen des Wachstums waren und sind real, die das Ehepaar Meadows vor 50 Jahren zum ersten Mal in unser Bewusstsein gebracht haben. Nachhaltig lebte die Menschheit weder damals mit 4 Milliarden und erst recht nicht heute mit 8. Außerdem ist das der Utopie zugrunde liegende Menschenbild so unrealistisch wie das von christlichen und islamischen Urgemeinden oder marxistischen Träumern. Folglich wird sich das Menschen-System in diesem Jahrzehnt auf andere, unerfreuliche Weise entwickeln – nicht weil es gar keine ökologischen Fortschritte geben wird, sondern weil diese viel zu langsam bleiben werden.
Diese Dystopie wird sich mittelfristig realisieren in einer Verkürzung des menschlichen Lebens durch Ernährungs- und Gesundheitsdefizite. Dabei nehmen die Verfügbarkeit von Was-ser und Ackerböden gerade dort am meisten ab, wo arme Gesellschaften überproportional zunehmen – und das zumeist in Äquatornähe. Kriegerische Verteilungskämpfe um überlebenswichtige Ressourcen, auch Territorien, werden immer wahrscheinlicher.
Die sich verschärfende ungleiche Problemlage in äquatornahen und den gemäßigten Klimazonen führt schon heute zu einem Migrationsdruck, für den keine humanitäre Auflösung möglich erscheint – nicht in und durch liberale Demokratien und noch viel weniger durch autoritäre Regime. Eher werden die privilegierten Gemeinschaften versuchen sich abzuriegeln, dabei aber lernen, dass auch die drängenden Völker in Äquatornähe moderne Technologien und Waffen haben – von Drohnen bis Kernwaffen und von Rohstoffboykotten bis Cyberwar-Fähigkeiten. Spannungen wie die zwischen dem „Westen“ und China/Russland sowie terroristische Staaten wie Iran und Nordkorea ermöglichen die Beschaffung solcher Waffen weltweit.
In den Ländern des bisher weitgehend demokratischen, liberalen Westens wird der bereits erkennbare Erfolg nationalistischer Engstirnigkeit vor diesem Hintergrund kaum gebrochen werden können. Liberale Demokratien ermöglichen es eben ihren Bürgern, ihre Interessen selbst zu definieren und zu verfolgen und an den Wahlurnen auszudrücken, und sie favorisieren dabei immer häufiger Lügner, Angeber, Alt- und Neufaschisten des Trump-Typs. Diese profitieren in besonderer Weise von der Ablehnung des „Fremden“,(Xenophobie), einem Menschheitserbe aus uralter Zeit; die „Zivilisation“ konnte das zwar eindämmen, aber nicht beseitigen – insbesondere nicht, wenn es um Großgruppen und Massen geht und nicht um einzelne Fremde, die als Gäste zumeist sogar hoch geachtet werden.
2. Wie tickt der Mensch?
Zunächst: der Mensch konnte nie viel wissen. Er war kurzsichtig in Raum und Zeit. So konnte er weitreichende Konsequenzen seines Handelns nicht bedenken.
„Was kann ich wissen?“ ist die 1. Kant‘sche Frage, die erst seit kurzer Zeit ganz an-ders beantwortet werden kann als früher. Allerdings ist die Menschheit weit davon entfernt, das verfügbare Wissen auch zu kennen, geschweige denn in ihrem Handeln zu berücksichtigen. Da Wissen Wissen erzeugt, beschleunigt sich die Lücke zwischen möglichem Verstehen und dem, was den Menschen in seinem alltäglichen Leben be-schäftigt. Selbst bei sehr informierten Menschen fallen Wissen und Handeln immer weiter auseinander. Religionsstifter ahnten das wohl, weshalb sie das Handeln nor-mierten und nur dafür erforderliches Wissen erlaubten.
Zudem ist das Wissen der Welt weder vollständig, noch als Autorität anerkannt. Falschaussagen im Internet, Verschwörungsgeschichten, Religionsgebote und Fußball-ergebnisse sind weiter verbreitet als Wahrheiten über den Zustand des Planeten und seine ökologische Zukunft. Auf die 8 Milliarden-Menschheit bezogen weiß der Durch-schnittsmensch also bei Weitem nicht, was er wissen könnte. Vielmehr gilt unverän-dert: „Die Aufmerksamkeit der Menschen ist die knappste Ressource unserer Welt!“, um die hochintelligente Werbefachleute und die Unterhaltungsindustrie mit größerem Einsatz kämpfen als kluge Politiker und die Wissenschaft.
Aber selbst der, der zumindest ahnt, was ökologisch auf dem Spiel steht, stößt bei der 2. Kant‘schen Frage „Was soll ich tun?“ auf uralte Prägungen. Die Denk- und Hand-lungsgewohnheiten ändern sich eben viel langsamer als der Wissensstand der Eliten.
Und man muss auch an verhaltenssteuernde ökonomische Erkenntnisse erinnern: So bin ich der Überzeugung, dass der schon historische Stern-Report (Nicholas Stern 2006) recht hatte, wenn er für genügend viele Klimaschutzmaßnahmen eine langfristi-ge Wirtschaftlichkeit konstatierte. Nur reicht das eben nicht, weil wir alle die Zu-kunft rediskontieren, d.h. für jeden von uns ist ein kurzfristiger Nachteil entschei-dender als ein langfristiger Vorteil (und umgekehrt), der eventuell sogar jenseits un-serer Lebenszeit liegt. Diese Abwertung künftiger Vor- oder Nachteile wird unter-stützt durch Vermutun¬gen wie die folgenden: sind Zukunftsaussagen nicht immer unsi-cher? Wird künftiges Wissen, insbesondere der technische Fortschritt, prognosti-zierte Gefahren und Nachteile nicht verschwinden lassen? Den Menschen ist doch im-mer noch etwas eingefallen!
„Was darf ich glauben?“, die 3. Kant’sche Frage, wird zudem weithin autoritär be-antwortet – oft heißt es eher „Was muss ich glauben“. Und im liberalen Westen wird das Vertrauen in wohlmeinende kenntnisreiche Eliten in und durch „soziale“ Netzwerke systematisch zerstört. Man darf auch nicht die Augen davor verschließen, dass das demokratische Spiel zwischen Opposition und Regierung immer gefährdet ist, ein hasserfüllter Krieg zu werden. Das für die Zukunft der Menschheit heilige Gut der Demokratie kann nur bewahrt werden, wenn sich die politischen Kräfte einer Gesellschaft an faire Spielregeln halten und nicht zu Mitteln eines „Kriegsrechts“ greifen , wie zurzeit z.B. in den USA oder immer noch in Polen.
3. Was verlangt eine nachhaltige Zukunft?
Und von dieser Menschheit erwarten wir in der Nachhaltigkeitsdebatte, dass sie gewaltige Änderungen ihres Lebens und Minderung ihres materiellen Lebensstandards hinnimmt um ihrer Enkel und ferner Inseln willen!
Tragischerweise ist die unmittelbar spürbare Kaufkraftminderung durch Klima-schutz, Blühstreifen oder tierethische Ställe umso größer je schneller alte z.B. fossile durch neue „grüne“ Anlagen ersetzt werden, obwohl eine enorme Beschleunigung volkswirtschaftlicher Transformation erforderlich wäre. So haben wir in Deutsch-land, der EU und den USA durchaus beträchtliche Reduktionserfolge bei den Treibhausgasen, aber gemessen an den Reduktionsnotwendigkeiten ist alles viel zu langsam.
Und dann gibt es noch eine Eigenschaft der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrate-gien, die uns noch viel mehr abverlangt, als nur an unsere eigene Zukunft und die unse-rer Enkel zu denken. Klimaschutz und Nachhaltigkeit können nur als globale Strategien erfolgreich sein. Beim Klimaschutz ist dies besonders deutlich, denn es ist ein und die-selbe Atmosphäre, in der sich die Treibhausgase verbreiten: ist da z.B. wirklich zu er-warten, dass in einzelnen Regionen CO2 zu hohen Kosten aus der Atmosphäre zurück-geholt wird, während andere Regionen weitere Treibhausgase emittieren?
Ein gewaltiges Konfliktpotenzial steckt auch in den beträchtlichen Forderungen der geschädigten Regionen, die zum Raubbau am Planeten nicht beigetragen haben. Das hat die Wissenschaft auch der letzten Regierung im sogenannten globalen Süden klar ge-macht, dass es die Industrieländer mit ihren Treibhausgasemissionen waren und sind, die die globale Erwärmung zu verantworten haben. Ihre Forderung ist nun nicht nur, dass die Industrieländer damit aufhören und ihnen bei der Bewältigung der schon ein-getretenen Schäden helfen müssen, sondern es sind auch Forderungen nach Wieder-gutmachung zu erwarten sowie Hass und Terrorismus.
Es ist ja auch keine Frage, dass der Lebensstil reicher Länder weite Regionen der Erde so geschädigt hat und noch schädigt, dass die gerade dort wachsende Bevölke-rung zunehmend ihre Zukunft im wohlhabenderen Norden sucht.
Dieser Norden ist aber weitgehend unwillig, Migranten aufzunehmen, am härtesten östlich der Elbe; dieser wachsende Migrationsdruck lastet zurzeit noch zu 80% auf jeweiligen Nachbarregionen im Süden, aber die Menschenströme in die Wohlstandsge-biete des atlantischen Westens von Deutschland bis Kanada werden wohl überpropor-tional zunehmen. Und wieder müssen wir auf den Menschen schauen, jetzt den Bewoh-ner dieser Wohlstandsgebiete; wird er diese Migration weiter akzeptieren oder ge-waltsam blockieren. Dabei wird oft verkannt, wie stark die Xenophobie im Menschen verankert ist. Der zivilisatorische Firniss der Gastfreundschaft bröckelt, sobald die Immigrationszahlen ein marginales Maß übersteigen.
Es sind diese Tendenzen, eine Abschottung im Norden gegen Forderungen und Men-schenströme aus dem Süden, die mich zweifeln lassen, ob die Zukunft friedlich sein wird. Es ist die Wiederholung wert, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Machtlosen von gestern heute sehr wohl im Stande sind, den Mächtigen von gestern großen Scha-den zuzufügen: unzählige Länder haben Zugang zu den modernsten Waffen und ver-deckter Kriegsführung im Cyberspace. Diese neue multipolare Welt wird aus vielen Gründen nicht friedlicher werden! Die Unwilligkeit der Wohlhabenden zu Solidarität wird dabei nur ein Grund sein, Wege der Gewalt und des Krieges zu beschreiten.
4. Wie sind wir in dieses Schlamassel geraten?
Das vor hunderttausenden von Jahren erwachende menschliche Hirn war zu seinem evolutionären Vorteil, Selbsterhalt und Dominanz neugierig. Das führte zu Wissenschaft, Technologie, Medizin und damit zu Produktivität und Wachstum an Menschen und Naturverbrauch. Die deutsche Sprache erlaubt zu formulieren: die Neugier führte letztlich zur Konsumgier.
Da Wissen Wissen erzeugt, war diese Entwicklung explosiv wie eine E-Funktion, so-bald Wissen z.B. von den religiösen Autoritäten nicht mehr unterdrückt wurde,. Das setzte ein Bevölkerungswachstum frei, das zu Hungersnöten im alten Europa und Mig-rationsströmen führte, die insbesondere in Amerika und Australien auf militärisch-technologisch unterlegene Völker traf, so dass deren Fast-Vernichtung innerhalb kür-zester Zeit gelang. In anderen Regionen insbesondere Afrikas traf diese technisch-militärische Überlegenheit auf Klimabedingungen, die eine europäische Besiedelung weitgehend verhinderte; statt dessen begnügten sich die Europäer mit der Beherr-schung der dortigen Völker und ihrer Ausbeutung. Diese technische Überle¬genheit Europas (sogar gegenüber Indien und China) machte sie zugleich blind für die kulturel-le Gleichwertigkeit jener Kulturen; das ist die tragische Geschichte des Kolonialismus, der nun wieder Ursache von Konflikten wird, wenn sich der Norden weigert, Migranten aufzunehmen und für die historischen Vorgänge und ökologischen Folgen zu zahlen.
Da aber 8 bis 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten nicht leben können wie die Völker rund um den Nordatlantik, diese aber ihren Wohlstand mit Zähnen und Klauen verteidigen werden, ist eine friedliche Zukunft schwer vorstellbar.
5. Klimaschutz – ein scheiternder Teil der Nachhaltigkeitsvision
Nun ist Nachhaltigkeit wesentlich mehr als Klimaschutz; gleichwohl taugt Klimaschutz in einem zeitknappen Vortragsrahmen als Beispiel. Dass die globale Erwärmung eine große Gefahr für die Menschheit darstellt und menschengemacht ist, war manchen schon in Rio 1992 klar; Ende des letzten Jahrhunderts gab es für diese Aussage kaum noch Zweifel. So konnte 1997 das Kyoto Protokoll verabschiedet werden, trat aber erst Jahre später in Kraft.
Ein paar Daten zur Situation: derzeit werden die Treibhausgasemissionen auf ein Äquivalent von 47 Gigatonnen CO2 pro Jahr geschätzt, wovon 75% aus dem Energie-sektor stammen. Das vereinfachende Budgetkonzept gibt ein paar Faustregeln zur Orientie¬rung: weitere 1000 GT werden die globale Mitteltemperatur mit 50% Wahrschein¬lichkeit um etwa 0,45° erhöhen; dementsprechen werden weitere 1200 GT die Erwärmung auf über 2° bringen – jene äußerste Grenze, die sich die Staatenge-meinschaft vorgegeben hat.
Schaut man auf den weiteren Verlauf der Emissionen, kann man ein Scheitern nicht leugnen . Seit 1940 zittert sich die globale Durchschnittstemperatur von etwa 0,2° Erwärmung (gegenüber dem vorindustriellen Durchschnittswert) auf jetzt vielleicht sogar 1,53°. Dieser letzte Wert mag ein Ausreißer in der Zitterkurve sein (der derzeitige Mittelwert wird auf 1,4° geschätzt), signalisiert aber, dass das in Paris 2015 (COP21) gesetzte Limit sicher überschritten wird. Dabei erwärmen sich die Kontinente überdurchschnittlich: Eurasien und Amerika um etwa 2,3°, Afrika um 1,7° (Daten von NOAH und DWD).
Über den weiteren Anstieg hinaus sind sog. Kipppunkte zu befürchten, wo Verände-rungen zu einer zusätzlichen Beschleunigung der Erwärmung führen, z.B. das Verschwinden von Gletschern auf Land, das Auftauen von Parmafrostböden oder das Verschwinden von borealen Wäldern, Mangroven etc.
Das World Economic Forum hat die wahrscheinlichen Schäden abgeschätzt und kam dabei bis 2050 auf fast 15 Mio. Klimatote (unter anderem durch Hochwasser 8,5, Dürren 3,5 Mio.), die wirtschaftlichen Schäden wurden auf 7.000 Mrd. $ geschätzt. Diese fast schon moderaten Folgen (man bedenke, dass jedesJahr die Größenordnung von 100 Mio. Menschen sterben!) berücksichtigen nicht, was der Kern meiner Einschätzung ist: Kriege, Bürgerkriege und Terrorismus als Folge gefährdeter Lebenschancen.
Was kann getan werden? Es steht eine Menge Technologie zur Verfügung, die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren; von besonderer Bedeutung ist dabei der Übergang von fossilen Energiequellen wie Kohle, Öl und Erdgas auf erneuerbare wie Photovoltaik, Wind- und Biomassekraftwerke. Diese liefern bisher etwa 30% der globalen Stromerzeugung; gut 60% liefern immer noch fossile Kraftwerke.
Das sieht besser aus, als es ist. Denn Sonne und Wind sind nur mit gut 10% dabei, die Biomasse, die zumeist nur auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion vermehrt eingesetzt werden könnte, liefert fast 20 Prozent. Auch die beteiligte Wasserkraft gilt nicht als wesentlich ausbaubar. Noch deprimierender: die Sektoren Verkehr, Gebäudeheizung, Metallurgie und Chemie sowie Zementindustrie laufen noch fast vollständig auf fossilen Roh- und Brennstoffen; der Weg zu ihrer Klimaneutralität führt in der Regel zur Umstellung auf erneuerbaren Strom. Dieser muss also noch viel stärker und vor allem schneller ausgebaut werden. Wir alle haben die heftigen Widerstände schon erfahren, die die Menschen gegen Windanlagen, Netzausbau und bald auch Wasserstoff-Pipelines auf die Straße und in die Arme von Populisten treiben, die versichern ein Klimaproblem gebe es gar nicht.
Es kommt hinzu, dass eine auf komplexe Stromversorgung mit Sonne und Wind ange-wiesene Gesellschaft keine Feinde haben sollte, die Lust und Interesse haben, zu stö-ren und zu zerstören! Denn die Versorgungssysteme für Nahrung und Energie sind we-sentlich empfindlicher als in der Vergangenheit. Wir spielen da nicht mit dem Feuer, sondern mit dem Black Out, der mit dem Stromsystem auch die übrige Versorgung zusammen¬brechen lässt.
Der Weg zu den erneuerbaren Energien verspricht auch kein Ende der Knappheiten oder gar der Abhängigkeit von fernen und unsicheren Lieferanten. Alle neuen Ener-gietechnologien, ob Photovoltaik, Wind, Batterien oder Brennstoffzellen und Wasser-stoff benötigen strategische Rohstoffe, über die nur wenige Staaten verfügen, oft vor allem China: Sehr kritisch sind Iridium (für Elektrolyseure), Dysprosium (Magnete, Windanlagen, E-Fahrzeuge), Lithium (Batterien, E-Fahrzeuge). Auch kritisch: Neodym und Praseodym (Magnete, Windanlagen, E-Fahrzeuge), Kobalt und Nickel (Magnete, Batterien), Graphit (Batterien).
Mindestens so wichtige Knappheiten bedrohen die Lebensversorgung mit Nahrungs-mitteln und Wasser; noch stehen der Weltbevölkerung etwa 20 ha pro Kopf an Ackerland zur Verfügung, das aber wird ständig weniger wegen der Ausbreitung von Dürregebieten und Wüsten, möglicherweise auch demnächst wegen Phosphormangel, Artenschwund und Naturschutz.
Und die Benachteiligten sind wie schon ausgeführt nicht mehr wehrlos und können ihre wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen gegenüber Konkurrenten durchzusetzen, immer häufiger als Terrorismus und verdeckte Kriegsführung („surrogate warfare“). Was die schiitischen Huthis zurzeit im Roten Meer bewirken, können andere Mächte, nicht nur China, jederzeit an anderen Meerengen auslösen.
6. Kann so auch nur globale Klimaneutralität rechtzeitig und friedlich gelingen?
Das war die Titelfrage: Wenn man von derzeit etwa 47 Gt CO2äquivalent ausgeht und man unrealistisch optimistisch von eine sofortigen linearen Reduktion ausging, dann würden in den etwa 25 Jahren bis 2050 noch etwa 600 Gt erlaubt sein. Nach der zi-tierten Faustregel entspräche das einer weiteren Erwärmung von 0,3° auf die bereits erreichten 1,4°. Verlängert sich der (unrealistisch) lineare Reduktionsprozess um 10 Jahre, würden noch über 800 Gt emittiert, also wahrscheinlich 1,8° Erwärmung er-reicht. Die IPCC-Wissenschaftler rechnen natürlich mit realistischeren Reduktions-verläufen und haben im letzten Report zu Protokoll gegeben:
„Der Report bringt neue Abschätzungen der Wahrscheinlichkeiten, eine globale Erwärmung von 1.5° in den nächsten Dekaden zu überschreiten, und stellt fest, dass eine Limitierung der Erwärmung auf 1,5° oder gar 2,0°
außer Reichweite liegt, wenn nicht sofort schnelle und weitreichende Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen beginnen.“
Ich möchte im Lichte des hier Vorgetragenen behaupten, dass der einschränkende Nebensatz „wenn nicht sofort schnelle und weitreichende Reduktionen der Treibhaus-gas-Emissionen beginnen“ aus psychologischen Gründen beigefügt wurde, um das klima-politische Engagement nicht zu entmutigen – nicht aber aus der Überzeugung, da wer-de ausreichend viel geschehen. China z.B. hat sich vor etwa 3 Jahren bis 2030 weite-res Emissionswachstum genehmigt und will dann bis 2060 klimaneutral sein. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass es diesen Kurs schon bis 2023 deutlich verfehlt hat, obwohl es kräftig in Sonne und Wind investiert, aber eben 2022 auch weiter 218 GW Kohlekraftwerke genehmigen musste.
Und das Resultat verfehlter Temperaturgrenzen der Erwärmung wird eine dramatische Verschlechterung der Lebenschancen der Völker und eine Ausbreitung von Konflikten und Kriegen sein.
Klimaschutz ist dabei nur ein Teil globaler Nachhaltigkeit, die ebenso wenig auf Erfolgskurs ist, wenn es um Artenvielfalt, Bodenqualität oder den Zustand der Meere geht.
7. Zusammenfassung:
Die Menschheit ist nicht mehr kurzsichtig in Raum und Zeit. Handlungsfolgen sind abschätzbar. Unwissen ist keine Entschuldigung mehr.
Nachhaltigkeit, Arten-, Umwelt- und Klimaschutz brauchen global gemeinsames Handeln und Solidarität. Regierungen machen zwar entsprechende Versprechungen, wissen aber, dass sich ihre Völker einschneidenden Änderung eher verweigern, auf je-den Fall wirksam bremsen – trotz lautstarker Aktivisten wo erlaubt. Darum wird viel zu langsam gehandelt – wenn überhaupt.
Globale Nachhaltigkeit scheint rechtzeitig nicht erreichbar: würde versucht, sie au-toritär mit der notwendigen Geschwindigkeit erzwungen, würden die Völker sich ver-weigern und die Systeme unfriedlich destabilisieren. Deshalb wird es keine Regierung wagen (ob demokratisch oder autoritär), die notwendigen Transformationsprozesse mit der notwendigen Geschwindigkeit durchzusetzen. Verfehlt die Menschheit erwar-tungsgemäß das Ziel globaler Nachhaltigkeit in den nächsten Jahrzehnten, werden auch die internationalen Konflikte dramatisch schärfer und mit Gewalt ausgetragen werden.
8 oder gar 10 Mrd. Menschen werden nicht friedlich und gesund in eine nach-haltige Zukunft gehen; sie überfordern die Tragfähigkeit des Planeten. Zu er-warten sind also Katastrophen, Kriege, Hunger und Krankheiten und damit eine Abnahme der Weltbevölkerung, möglicherweise auf jene 2 Milliarden, wie es sie bei meiner Geburt gab.
Trotzdem – und das wurde auch in der Diskussion unterstrichen, in der es auch vereinzelt positivere, technologieoptimistische Sichtweisen gab – darf das Bemühen um Klimaschutz und die anderen Nachhaltigkeitsdefizite nicht nachlassen, um zumindest die Folgen so stark zu mildern wie irgend möglich.