Unsere Leser werden es sicher erinnern: Der legendäre Galgen, den sein Erbauer mannshoch und furchteinflößend im Oktober 2015 in Dresden auf einen Pegida-Aufmarsch schleppte, war symbolisch für Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel „reserviert“. Erstaunlich, dass die Staatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen gegen den namentlich bekannten Erbauer einstellte. Schon damals wurde klar: In Sachsen ticken die Uhren anders.
Gerade die Staatsanwaltschaft in Dresden zeigte sich immer besonders empfindlich bei der Ermittlung von Verstößen gegen die Öffentliche Ordnung. Vor allem dann, wenn die Polizei Gegendemonstranten kontrollierte und mit Platzverweisen oder Anzeigen traktierte, die sich den jährlichen Aufmärschen von Nazis und anderen Rechtsextremisten zur Erinnerung an die Bombardierung Dresdens durch Bomber der Alliierten im Februar 1945 entgegen stellten. In Hitlers Terrorstaat wurde der „totale Krieg“ angezettelt und bejubelt. Die Bombardierung Dresdens war unter anderem die Quittung.
Als Geschenk für das Kind
Wer glaubt, dass diese merkwürdige Nachsicht der sächsischen Justiz nicht doch noch übertroffen werden könnte, der unterschätzt den „Galgen“-Humor sächsischer Justizbeamter. Nach Dresden blicken wir auf die Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Dort kam der Erbauer des Skandalgalgens auf die naheliegende Idee, zur Weihnachtszeit das Kind in der Krippe mit einem besonderen Geschenk zu erfreuen. Der für Merkel und Gabriel reservierte Galgen, so berichtet eine „Patriotenpost“, wird von ihm im Kleinformat als Attrappe in unterschiedlichen Größen mit „Reservierungsschild als Geschenk zwischen 19.95 Euro und knapp 30 Euro angeboten.
Die Produktbeschreibung eines Shops im Erzgebirge mit Nazi-Devotionalien nennt den von der Justiz unbeanstandeten Pegida-Galgen und seine Attrappen als „in liebevoller Handarbeit hergestellt. Die Beschriftung entspricht ebenfalls dem Unikat, auf der Vorderseite „Deutschland“ und auf der Innenseite ist „Volksverräter“ vermerkt.
Galgen sind Kunst
Die Anzeige, die gegen den Nachfahren weihnachtlicher Schnitzereien aus dem Erzgebirge bei der Staatsanwaltschaft einging, blieb jedoch folgenlos. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen mit folgender Begründung ein:
- der Tatbestand der Volksverhetzung oder Aufforderung zu einer Straftat ist nicht zu sehen
- Die Galgen sind Kunst und haben eine vieldeutige Botschaft (Aktenzeichen 250 js 28707/12)
Die Begründung, so weiß die „Süddeutsche Zeitung“ online zu berichten , umfasst vier Seiten. Das zentrale Argument: Die Galgen seien Kunst, nicht ganz ernst zu nehmen. Es sei nicht nachweisbar, dass der Beschuldigte „ernstlich Leute animieren wolle, Merkel oder Gabriel anzugreifen. Für eine „öffentliches Aufforderung zu Straftaten, Paragraf 111 des Strafgesetzbuches“, sei der Galgen zu vieldeutig. Wie überzeugend das ist, zeigt wohl der Überfall auf den Bürgermeister in Altena in Nordrhein-Westfalen, der knapp einem Mordanschlag entging.
Über 4000 Übergriffe
Als ich diese Nachricht hörte, habe ich das für eine Lüge, neudeutsch Fakenews gehalten. Offenbar hat sich bis zur Staatsanwaltschaft in Chemnitz nicht herumgesprochen, dass wir es mit Terrror von rechts zu tun haben und neue Rekordzahlen von Übergriffen und Brandstiftungen, über viertausend allein 2017, zu verzeichnen sind gegen Asylbewerber, Flüchtlingsunterkünfte und ehrenamtliche Helfer.
Schon in Dresden hat sich die Justiz bei allen Ausfällen von Pegida weggeduckt. Auch die Staatsanwaltschaft in Chemnitz hat offenbar übersehen, dass zunehmend auch Politiker, die sich für eine humane Flüchtlingspolitik einsetzen, auf der Abschussliste der neuen Nazis stehen. Jeden Tag lesen wir von Morddrohungen, die auch die Staatsanwaltschaft in Chemnitz erreicht haben sollen. Es wird Zeit, dass die Justiz, Polizei und Staatsanwaltschaften auch in Sachsen endlich aufwachen.
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