Der Machtwechsel in Großbritannien ist perfekt. Die konservativen Tories sind am Boden. Mit einem triumphalen Wahlsieg kehrt die Labour Party nach 14 Jahren zurück. Parteichef Keir Starmer wird neuer Premierminister. Er hat die Sozialdemokraten zu einer absoluten Mehrheit im Unterhaus geführt. Das ist sensationell, zumindest gemessen an der Schwäche der Sozialdemokraten anderswo in Europa.
Was konkret es für das Vereinigte Königreich bedeutet, lässt sich noch nicht absehen. Feststeht, dass die Tory-Partei gründlich abgewirtschaftet hat. In einer Serie von Skandalen, Eskapaden und Intrigen ist ihr die Glaubwürdigkeit abhanden gekommen. Nicht von ungefähr sagt Wahlsieger Keir Starmer, von nun an gelte, erst das Land, dann die Partei. Der 61-Jährige verspricht Wandel. Das ist vage genug, um vielfältigen Hoffnungen Raum zu geben.
Gelegentlich sehen Beobachter in Wesen und Persönlichkeit des neuen Premiers Parallelen zu Bundeskanzler Olaf Scholz: eher Verwalter als Gestalter, eher wortkarg als mitreißend, eher zurückhaltend als forsch. Vielfach behaupten sie, der Wahltriumph von Labour sei nicht eigener Erfolg der Sozialdemokraten, sondern allein dem Wunsch nach Abstrafung der Konservativen geschuldet. Das blendet gleich mehrere Aspekte aus.
Nach David Cameron, Boris Johnson, Lissy Truss und Rishi Sunak bietet sich mit Keir Starmer ein anderer Typ von Politiker an. Er hat seine Partei geeint und in die Mitte gerückt, und er verkörpert die demütige Haltung einer dienenden Politik für die Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein Verdienst an sich, weil es die Demokratie stärkt und die Zuversicht, dass es nicht um die eigenen Pfründe, sondern tatsächlich um bessere Lebensverhältnisse für die Menschen geht.
Das Mehrheitswahlrecht begünstigt zwar die Entweder-oder-Entscheidung an der Wahlurne, weil nur jeweils der Kandidat ins Unterhaus einzieht, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen holt. Die Ergebnisse der kleineren Parteien deuten aber darauf hin, dass Labour einer überwältigenden Mehrheit als die bessere Wahl galt. Die Liberaldemokraten haben sich zur drittstärksten Kraft entwickelt, die schottischen Nationalisten sind abgestürzt. Die äußerst rechte Partei des Demagogen Nigel Farage schafft es zwar nach wiederholter Umbenennung ins Unterhaus, bleibt jedoch mit vier von 650 Mandaten deutlich hinter den Prognosen zurück.
Der fulminante Wahlsieg stattet Keir Starmer mit besten Startbedingungen und einem hohen Vertrauensvorschuss aus. Er genießt (anders als Olaf Scholz) den unangefochtenen Rückhalt seiner Partei und kann sich im Parlament auf eine absolute Mehrheit stützen. Eine Garantie für eine erfolgreiche Regierungszeit ist das nicht, aber doch immerhin die Chance auf eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Auch für Europa bedeutet der Machtwechsel in London eine neue Chance. Zwar strebt der Brexit-Gegner Starmer vorerst nicht die Rückkehr in die EU an, doch die Verteufelung der Europäischen Union als Ursprung allen Übels will er zugunsten einer behutsamen Annäherung überwinden. Die Entwicklungen nach dem Brexit haben den mit einer knappen Referendumsmehrheit nach einer Lügenkampagne beschlossenen Austritt längst als historischen Fehler enttarnt.
Bildquelle: Wikipedia, Christoph Scholz, CC BY-SA 2.0
Ja, das ist ein klarer Sieg. Nach dieser Horrortruppe der Torries. Nun wird sich zeigen, mit welchen Mitteln Labour regieren will. Das neoliberale Modell hat total versagt. Gleichzeitig isoliert man Corbyn in der Partei, der seinen Wahlkreis gewonnen hat, ich bin auf das Spagat gespannt.