Der Geist ist nicht mehr heilig. Jedenfalls der nicht, den die Katholische Kirche für sich beansprucht. Immer mehr Gläubige verweigern sich dem Satz aus dem „Credo“, dem Glaubensbekenntnis der Katholiken, in dem es heißt: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche“. Mehr als die Hälfte der nach einer anhaltenden Austrittswelle verbliebenen Kirchenangehörigen halten die Institution Kirche nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey für den Spiegel nicht mehr für vertrauenswürdig. Und fast ein gleich hoher Prozentsatz der immer noch Kirchensteuer zahlenden Katholiken sagt, nichts mehr mit Vatikan und der Hochwürdenklasse am Hut zu haben.
Ihnen geht es wie einem pensioniertem Pastoralreferenten, der vor Wochen im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ mit seinem Satz über den Zustand der „ecclesia sancta“ zitiert wurde: „Jesus würde sich im Grabe umdrehen – wenn er nicht auferstanden wäre.“
Es ist nicht nur die Debatte über die wenig aufrichtige Aufklärungsbereitschaft der von Priestern verübten sexuellen Gewalt an Kindern, die das Vertrauen zerstört hat. Die absonderliche Haltung, dass Priester keine Lebensgemeinschaft von Schwulen und Lesben segnen dürfen, hat viele verstört. Auch weil Schwulsein unter Priestern nicht gänzlich fremd ist. Dass Frauen in diesem klerikalen Männerstadl auch im 21. Jahrhundert nur die zweite Geige spielen dürfen, irritiert immer mehr Gläubige. Und wenn wegen der stark rückgängigen Kirchensteuereinnahmen zuerst bei der Hilfe für Sozialschwache – wie im Fall der Erzdiözese Köln mit der Schließung einer Familienerholungsstätte im Bergischen Land – gespart wird, führt das zur Verbitterung.
Die Kirche als Spielwiese von Würdenträgern, die abgehoben von den Gläubigen ihr Ding machen. Oberhirten, denen es gleich zu sein scheint, ob die Lämmer noch folgen können oder wollen. Aber sie folgen nicht mehr. Wie gestört das Verhältnis ist, demonstrierte ausgerechnet am Pfingstwochenende die Düsseldorfer Pfarrgemeinde St. Margareta. Sie lud den zuständigen Kölner Erzbischof und Kardinal Rainer Maria Woelki aus, der Jugendlichen Ende Mai das Sakrament der Firmung spenden wollte. Der Oberhirte sei nach der Vertuschung von sexueller Gewalt für sie nicht mehr glaubwürdig. Offene Meuterei an der Basis. Woelki ziemlich allein im Dom.
Das Tischtuch ist zerrissen. Mit den Lämmern leiden viele Ortsgeistliche an der Ignoranz der vermeintlichen Hüter des Glaubens. Die Kirche vor Ort will immer weniger mit dem kirchlichen Apparat, dem „männerbündischen“ (Kirchenhistoriker Hubert Wolf) Imperium in Rom zu tun haben. Aber man darf sich nicht täuschen. Der Graswurzel-Katholizismus in Deutschland hat gegen die Macht der in zweitausend Jahren gestählten Weltkirche keine Chance. Was soll es die Vatikan-Kurie schon stören, wenn ihr in Deutschland ein paar Hunderttausend „blökende Schafe“ abhanden kommen. Dank des Verbots von Geburtenkontrolle laufen ihr in anderen Weltregionen ausreichend geduldige Schafe zu. Ein Machtvakuum ist für die unheilig gewordene „ecclesia sancta“ nicht zu befürchten.
So ist der Satz zu verstehen, den der Kölner Oberhirte den jetzt rebellierenden Mitgliedern der Düsseldorfer Pfarrgemeinde laut der Tageszeitung taz gesagt haben soll. Ein Pfarrmitglied zitiert Woelki so: „Der Kardinal hat ihnen gesagt, wenn sie meinen würden, dass es so wie zur Zeit nicht geht, dann müssten sie eben austreten“. Frohe Pfingsten, Herr Kardinal.