Mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an zwei Journalisten kommt einem unweigerlich Carl von Ossietzky in den Sinn. Der Autor der „Weltbühne“ erhielt den renommierten Preis 1936, nachdem ihn die Nationalsozialisten verfolgt, mehrfach verhaftet und in Konzentrationslager deportiert hatten. Er konnte den Preis nicht persönlich entgegennehmen und starb 1938 an den Folgen von Haft, Misshandlung, Schikane und Zwangsarbeit
Auch Namen von Enthüllungsjournalisten unserer Tage wie Julian Assange, Chelsea Manning und Edward Snowden drängen sich auf. Das Osloer Nobelkomitee hat jedoch zwei Journalisten ausgewählt, die international weniger prominent und spektakulär, doch ebenfalls unerschrocken, beharrlich und unter Einsatz ihres Lebens für die Meinungsfreiheit eintreten: Maria Ressa von dem philippinischen Nachrichten-Portal Rappler und Dmitri Muratow von der russischen Zeitung Nowaja Gaseta.
Beide erhalten den Friedensnobelpreis für ihren „couragierten Kampf für die Meinungsfreiheit auf den Philippinen und in Russland“, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Sie nannte die Meinungsfreiheit eine „Voraussetzung für Demokratie und anhaltenden Frieden“ und betonte: Freier, unabhängiger und faktenbasierter Journalismus sei ein Schutz vor Machtmissbrauch, Lügen und Kriegspropaganda.
Die Begründung macht deutlich, dass beide Preisträger stellvertretend für viele Journalisten stehen, die weltweit für die Freiheit der Presse kämpfen und zunehmend unterdrückt, verfolgt, beleidigt und an Leib und Leben bedroht werden. „Es ist ironisch, dass wir in der heutigen Welt mehr Presse und mehr Informationen haben, als die Welt je erlebt hat“, sagte Reiss-Andersen. „Gleichzeitig sehen wir den Missbrauch und die Manipulation der freien Presse und des öffentlichen Diskurses, etwa bei Fake News.“
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), die selbst als möglicher Preisträger gehandelt worden war, begrüßte die Entscheidung als eine Ehrung aller Journalisten, die für das Recht auf Information persönliche Risiken eingingen. Mit ihrem jüngsten Ranking zur Pressefreiheit hatte RSF die sich weiter verschlechternde Lage der Informationsfreiheit weltweit beklagt. Auch Deutschland war in dem Ranking von Platz 12 auf 13 gefallen und hatte das Prädikat „gut“ eingebüßt.
Als Hauptgrund dafür nannte die Organisation, dass „Gewalt gegen Medienschaffende in Deutschland im Jahr 2020 eine noch nie dagewesene Dimension erreicht hat: Im Kalenderjahr 2020 zählte RSF mindestens 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten im Land. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Jahr 2019 (mindestens 13 Übergriffe) verfünffacht. Die Corona-Pandemie gehe mit einer Desinformations-Pandemie einher, und für viele Journalistinnen und Journalisten sei es „schwieriger denn je geworden, ohne Angst vor Gewalt oder Repressionen zu arbeiten“.
Fake News, also Falschnachrichten, und gezielte Manipulation haben sich in den sogenannten Sozialen Medien zu einer Pest entwickelt. Das vom rechten Rand geprägte Schimpfwort der Lügenpresse attackiert bewusst die Glaubwürdigkeit seriöser Medien und ebnet Verschwörungserzählungen den Weg. Repressive Staaten missbrauchten laut RSF die Pandemie, um die freie Berichterstattung weiter einzuschränken, und auch gefestigte Demokratien tun sich schwer, sicherzustellen, dass Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit machen können.
Nur noch zwölf Länder weltweit garantieren die Pressefreiheit gut, und ein Blick in unsere nächste Umgebung, nach Ungarn, Polen und auch Österreich mit dem Skandal um käufliche Hofberichterstattung zeigt die dringende Notwendigkeit, das Bewusstsein für das kostbare Gut der Informationsfreiheit zu schärfen. Der Nobelpreis, so räumte es Berit Reiss-Andersen ein, werde die Probleme der bedrohten Meinungsfreiheit nicht lösen. „Aber wir hoffen, dass er Licht auf die Bedeutung der Arbeit von Journalisten wirft, und auch darauf, wie gefährlich es ist, die Meinungsfreiheit auszuüben – nicht nur an Orten, die derzeit Krieg und Konflikt erleben, sondern wirklich überall auf der Welt.“
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