Das Gedicht von Max von Schenkendorf aus dem Jahr 1815 hatte ursprünglich nur einen klaren Bezug zu den Freiheitskriegen dieser Zeit gegen den Imperator Napoleon. Ich sehe ihn zur Zeit unter dem Rückblick auf den Herbst 1989 in der DDR und die damalige Motivlage zum Streben nach „Freiheit“. Daraus lassen sich auch manche Erkenntnisse zur heutigen politischen Situation in den Ländern der ehemaligen DDR und dem dortigen Verhältnis zur Demokratie gewinnen.
Bei ca. 40 Reisen in die DDR seit Mitte der Achtzigerjahre Jahre und dem ganzjährigen Aufenthalt dort als Leiter des Verbindungsbüros von NRW habe ich tiefe Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse nehmen können. Abgerundet wurden diese Eindrücke durch 31 Jahre des Wohnens in Ost-Berlin ab 1990. Daraus leite ich meine Erkenntnisse und das daraus resultierende Meinungsbild in Sachen Demokratie in weiten Teilen der dortigen Bevölkerung damals und heute ab. Es ist ein eher desillusionierendes Bild.
Die Sehnsüchte der meisten Menschen in der DDR vor dem Fall der Mauer waren vor allem auf freies Reisen und ungehinderten Konsum der Waren gerichtet, die aus dem Westfernsehen, den Quelle Katalogen und den Paketen aus dem Westen bekannt und begehrt waren. In zahlreichen Gesprächen mit den Menschen in dieser Zeit kam das Verlangen nach Freiheit im Sinne des Hoffens auf Demokratie im Staatswesen kaum zum Ausdruck. Allenfalls wurde Ärger über staatliche Gängelung in vielen Bereichen des täglichen Lebens ausgedrückt oder ein Verlangen nach ungehindertem Zugang zur Weltliteratur und anderen kulturellen und geistigen Gütern geäußert. Die zahlreichen Fluchtversuche und Ausreiseanträge ändern an diesem Gesamtbild nichts Grundsätzliches.
Die Menschen in der alten Bundesrepublik Deutschland hatten nach der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten einen kürzeren Weg zum Heranwachsen an demokratische Gedanken zurückzulegen. Dieser Weg wurde durch die Alliierten, die den Rahmen für die neue Verfassung vorgaben, vorgezeichnet. Auf die Möglichkeit, sich mit dieser neuen Staatsform zu identifizieren, musste die Bevölkerung in der DDR bis 1990 warten. Dies erklärt die ausgeprägten Unterschiede im Verhältnis zur Demokratie in Deutschland Ost und West. In einem aktuellen Beitrag bei Zeit-Online mit dem Titel „Der blaue Vorhang“ wird dies sehr plastisch am Beispiel von zwei benachbarten Gemeinden in Thüringen und Bayern aufgezeigt. Der Ort Römhild in Thüringen ist dank der üppigen Fördermittel „aufgeputzt“ und auch aus diesen Gründen mit einer ausgezeichneten wirtschaftlichen Infrastruktur versehen. Dennoch hat hier die AfD bei der letzten Bundestagswahl 24,8 % erhalten. Im nur wenige Kilometer entfernten bayerischen Höchheim ist von Wohlstand wenig zu spüren, weil hier der Geldregen ausblieb. Trotzdem hatte hier die AfD bei der Wahl nur einen weitaus geringeren Zulauf mit 12%. Wie weit man trotz geringer Distanzen noch voneinander entfernt ist, zeigt auch, dass die wunderbaren neuen Fahrradwege aus Thüringen wegen fehlender Fördermittel exakt an der Grenze zwischen den beiden Bundesländern enden. Auch die Busverbindung von Römhild geht nur bis zur Landesgrenze. Der Rest muss zu Fuß zurückgelegt werden.