Ziemlich heiß verlief die Diskussion über die EU-Taxonomie. Die Pläne für die zukünftige Energieversorgung sind in den europäischen Mitgliedsländern recht unterschiedlich. Die deutsche Ampelkoalition verfolgt engagiert den grünen Transformationskurs. Der noch von der Regierung Merkel beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie wird mit der Stilllegung der beiden letzten deutschen Kernkraftwerke Ende 2022 vollendet. Mit der Bottroper Zeche „Prosper“ wurde bereits das Aus für die deutsche Steinkohlenförderung erreicht. Für die noch laufenden Kraftwerke wird seitdem Steinkohle importiert – insbesondere aus Russland. Der Ausstieg aus der heimischen Braunkohle war zunächst für das Jahr 2035 beschlossen worden, soll indessen möglichst auf 2030 vorgezogen werden. Denn die CO2-Emissionen der Kohle-Meiler sind viel zu groß, um damit die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Grüner Strom statt Kernkraft?
Während Frankreich auf seine Energiezukunft vor allem mit Atomkraft setzt und einige europäische, ebenso wie viele andere Staaten der Welt diesem Beispiel folgen, will Deutschland zunächst das Gas stärker denn je zuvor für die Wärme, den Strom und als Chemie-Rohstoff nutzen. Rund die Hälfte des Gases wird inzwischen aus Russland importiert. Andere Quellen – etwa in Norwegen und Großbritannien – sprudeln nur noch sehr begrenzt. Die Ausweitung der Einfuhren von Flüssiggas (LNG) aus den USA ist nicht einfach und insbesondere teuer.
Gas als Brücke zum Wasserstoff
Ohnehin soll das Gas auch nur ein Energieträger des Übergangs sein. Es soll möglichst bald durch Wasserstoff ersetzt werden. Für die Herstellung von grünem Wasserstoff sind jedoch riesige Mengen an grünem Strom notwendig. Um diesem Ziel auch nur annähernd näher zu kommen, dafür werden die Solarparks und Windanlagen, selbst wenn sie auf 2 Prozent der bundesdeutschen Fläche und offshore implementiert werden könnten, nicht genug Strom liefern. Grüner Strom wird zudem vor allem auch für die vielen Millionen Elektro-Autos dringend benötigt. Internationale Energiepartnerschaften wie zum Beispiel mit der Ukraine, Tunesien und Marokko, der Türkei oder anderen Ländern könnten helfen, mehr grünen Strom vor allem für die Elektrolyse-Anlagen zu generieren, um so Wasserstoff zu produzieren. Solche Anlagen könnten auch in den sonnen- und windreichen Staaten gebaut werden; der dort produzierte Wasserstoff könnte dann nach Deutschland transportiert werden. Das gute Gas-Pipeline-Netz wäre auf jeden Fall für die Verteilung dieses grünen Energieträgers hierzulande von Vorteil.
Sowohl national als auch seitens der EU sollen viele Milliarden Euro in die Wasserstoff-Technologie investiert werden. Ob Zement, Stahl oder chemische Produkte – mit dem Einsatz von Wasserstoff könnten die schädlichen CO2-Emissionen deutlich reduziert werden. Der Weg zu diesem Ziel wird nicht nur sehr teuer, sondern auch sehr lang und schwierig.
Störungen in Frankreichs Meilern
Frankreich will vor allem mit seinen Atomkraftwerken dazu eine Alternative wagen. Die Kernenergie ist zwar weitestgehend CO2-frei. Der so gewonnen Strom wäre damit auch bestens für die Wasserstoff-Produktion geeignet, zumal die Atom-Meiler im Prinzip Spitze im Grundlastbetrieb sind. Allerdings müssen sie wirklich verlässlich im Betrieb sein. Die aktuellen Meldungen aus der französischen Energiewirtschaft machen indessen nachdenklich. In den nächsten Monaten müssen nämlich 8 Meiler der insgesamt 56 französischen Reaktoren vom Netz genommen werden. Unter anderem geht es um Krenkraftwerke an den Standorten Chinon an der Loire, Bugey bei Lyon und Cattenom an der Grenze zum Saarland. Dabei sind Korrosionen an sicherheitsrelevanten Rohrleitungen und Bauteilen zu reparieren und zu ersetzen. Solche Störauffälligkeiten französischer Atom-meiler wurden in der Vergangenheit immer wieder gemeldet.
Hohe Kosten für CO2-Reduktion
In Frankreich nimmt der Energiekonzern Electricité de France (EDF), an dem der Staat mit fast 85 Prozent beteiligt ist, eine dominierende Rolle ein. EDF ist inzwischen mit über 40 Mrd. Euro verschuldet. Die nun notwendigen Abschaltungen von 8 Kernkraftwerken beschert durchaus Schwierigkeiten. Die Stromproduktion muss um bis zu 10 Prozent reduziert werden. Das wird zwar keine Gefahr für die Stromversorgung oder gar einen Blackout bringen. Aber für die Regierung in Paris ist es allemal ein Dilemma bei der ehrgeizigen Verfolgung ihres vor allem auf die Atomenergie ausgerichteten politischen Kurs.
Immerhin will Präsident Emmanuel Macron den Start für den Bau neuer Reaktoren in Belfort verkünden. Dabei soll auch hervorgehoben werden, dass Frankreich inzwischen über eine herausragende Kompetenz beim kompletten Bau von Atommeilern verfügt. Diese Fähigkeiten sollten allen Staaten, die bei der Energiewende auf die Kernkraft setzen wollen, signalisieren, dass die Partnerschaft mit der französischen Industrie ein win-win-Deal sein kann. Angesichts des aktuellen Dilemmas mit den französischen Reaktoren dürfte die Werbebotschaft des Präsidenten eher mit Zurückhaltung denn mit Begeisterung aufgenommen werden. Bei den Kosten für die unterschiedlichen Wege der Energiewende gibt es ohnehin riesige Differenzen. Sie sind heute kaum exakt zu kalkulieren, doch teuer bis sehr teuer wird es allemal.