Rechtsextreme und menschenfeindliche Einstellungen in Deutschland sind nach einer Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahre 2014 zwar deutlich zurückgegangen. Aber diese Entwicklung ist kein Grund zur Entwarnung. Das wurde im Sommer dieses Jahres deutlich, so ein Fazit der Untersuchung, als während des Gaza-Krieges „auf erschreckende Weise“ auch in Deutschland „ein unter der Oberfläche gärender, aggressiver und teilweise gewalttätiger Antisemitismus hervorbrach“. Überhaupt, so die Autoren, sei ein Trend hin zu subtileren Formen der Abwertung anderer Menschen festzustellen. Dies zeige sich auch in der Befürwortung von Vorrechten für gesellschaftlich etablierte Kreise.
Den Rückgang des Rechtsextremismus, so vermuten die Autoren der Studie, könnte eine Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs sein, aber auch eine Konsequenz aus dem NSU-Prozess, durch den „rechtsextremistische Einstellungen gesellschaftlich verstärkt geächtet und deshalb weniger offen kommuniziert werden.“
Die repräsentative Studie kam u.a. zu folgenden Ergebnissen: Rund 23 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“
Immerhin 11 Prozent sind der Meinung: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“
Mehr als jeder Dritte(36 Prozent) meint: „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.“
Ausländerfeindliche Einstellungen lehnen die meisten der Befragten ab, fragt man jedoch nach, sind 18 Prozent der Auffassung: „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“. Und immerhin weitere 20 Prozent sind bei dieser Frage unentschlossen und nicht gegen diese Aussage.
Aufschlussreich auch die Zustimmungsquoten zu folgender Frage: Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen. Immerhin gut 30 Prozent stimmen dem teils zu oder teils nicht zu. Weitere zehn Prozent stimmen dem überwiegend zu und noch einmal 7,4 Prozent stimmen der Frage voll und ganz zu.
Die Studie belegt, dass rechtsextreme Ideologie bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht, Mitte heißt hier Mehrheit.
Insgesamt gehen die Autoren aufgrund der Befragungen davon aus, dass mehr als zehn Prozent der Bürger offen Gewalt billigen und sogar bereit wären, Gewalt anzuwenden. Ausländerfeindlich eingestellte Menschen billigen Gewalt häufiger und sind auch selbst häufiger gewaltbereit. Das gilt auch für Personen, die den Nationalsozialismus verharmlosen.
Rechtsextremismus wird von einer großen Mehrheit der Deutschen als bedrohlich angesehen, aber mehr als 50 Prozent meinen, das Problem werde von den Medien „hochgekocht“. Und 50 Prozent sind der Auffassung, es sei das Beste, die Rechtsextremen zu ignorieren.
Rechtsextremismus richtet sich oft gegen schwache Gruppen, gegen Sinti und Roma, gegen Behinderte, Obdachlose. So stimmten gut 30 Prozent der Befragten der Forderung zu: „Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“. Und 12 Prozent finden: „Die Weißen sind zurecht führend in der Welt.“ Gut zehn Prozent der Befragten finden die Aussage richtig: „Die Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss.“
Die wirtschaftliche Lage- ein Punkt, der für viele Befragten wichtig ist und ihre Einstellung zu vielen Problemen beeinflusst- schätzen 49 Prozent der Befragten als gut bis sehr gut ein, nur 24 Prozent sehen mit Sorge in die Zukunft und befürchten binnen der nächsten fünf Jahre einen Abstieg. Entsprechend positiv sehen diese Gruppen auch die EU.
Die Studie gibt Aufschluss über das Innenleben der Deutschen und wie sich soziales Denken im Lande verändert hat. Menschen, die Asyl und eine neue Heimat suchen, werden nach ihren Kompetenzen, ihrer Leistungs- und Anpassungsfähigkeit beurteilt, das Kosten-Nutzen-Prinzip verdrängt soziale und menschliche Kriterien wie Solidarität, Menschenfreundlichkeit und Zivilcourage, die Ökonomie steht im Vordergrund, der Erfolg, die Ellenbogengesellschaft.
Auch wenn man den Rückgang des Rechtsextremismus begrüßen kann, bleibt festzustellen: „Rechtsextremismus ist menschenfeindlich“. Die Auseinandersetzung mit ihm, der ja kein deutsches, sondern ein europäisches Problem und eine Herausforderung sei, müsse auch weiterhin entschieden und kontinuierlich fortgesetzt werden, so Ralf Melzer der Leiter des Arbeitsbereichs „Gegen Rechtsextremismus“ im Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die politische Bildungsarbeit hat noch viel zu tun.
Andreas Zick, Anna Klein: Fragile Mitte. Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer.